BT-Drucksache 17/14266

Aufbau des "Informations- und Kompetenzzentrums gegen Rechtsextremismus" und Sicherung seiner Vernetzung mit den Akteuren aus der Zivilgesellschaft

Vom 26. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14266
17. Wahlperiode 26. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Andrea Wicklein, Sönke Rix,
Petra Crone, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Kerstin Griese, Christel Humme,
Ute Kumpf, Caren Marks, Franz Müntefering, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann,
Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Rolf Schwanitz, Stefan Schwartze,
Dagmar Ziegler, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Aufbau des „Informations- und Kompetenzzentrums gegen Rechtsextremismus“
und Sicherung seiner Vernetzung mit den Akteuren aus der Zivilgesellschaft

Ende 2012 hat das bundesweite „Informations- und Kompetenzzentrum gegen
Rechtsextremismus“, kurz BIKnetz, seine Arbeit aufgenommen. Es soll Ziel
des BIKnetz der Bundesregierung zufolge sein, Wissen zu generieren, Kompe-
tenz zu stärken, zu sensibilisieren und zu aktivieren. Das BIKnetz soll Wissen
und Erfahrungen aus den vergangenen und aktuellen Bundesprogrammen des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bün-
deln und eine Plattform über Methoden, Ansätze und Zugänge für die präven-
tiv-pädagogische Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen dar-
stellen (vgl. www.biknetz.de). Dafür wurden eine webbasierte Wissensdaten-
bank und ein Servicetelefon aufgebaut. Im Fokus steht die präventive Arbeit
mit Jugendlichen. Der Aufbau des Zentrums, für das rund zwei Mio. Euro ver-
anschlagt sind, soll bis Ende 2014 abgeschlossen sein. Viele lokale Akteure im
Kampf gegen Rechtsextremismus sehen das „Informations- und Kompetenz-
zentrum gegen Rechtsextremismus“ kritisch und lehnen es ab (siehe Positions-
papier der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung – BAGD – und
der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus – BAGKR –).
Statt des BIKnetz als einer weiteren Einzelmaßnahme der Bundesregierung
wird von lokalen Trägern eine stärkere Unterstützung des zivilgesellschaftli-
chen Engagements gefordert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung den Bedarf für ein bundesweites Infor-
mations- und Kompetenzzentrum gegen Rechtsextremismus?

Woraus leitet sie die vermuteten Wissensdefizite in der Präventionsarbeit ge-
gen Rechtsextremismus sowie Defizite im Transfer von Kompetenzen ab
(siehe Antwort auf die Kleine Anfrage „Übertragung zivilgesellschaftlicher

Aufgaben auf ein staatliches Informations- und Kompetenzzentrum gegen
Rechtsextremismus“, Bundestagsdrucksache 17/9010)?

2. Um welche Akteure handelt es sich bei den „erfahrenen Akteuren und aus-
gewiesenen Fachleuten“, deren Empfehlungen die Bundesregierung eigenen
Informationen in einem Schreiben an Beratungsnetzwerke im Januar 2013
zufolge bei der Schwerpunktsetzung in der Aufbauphase des BIKnetz ge-
folgt ist?

Drucksache 17/14266 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Wann fand die Ausschreibung für die Gründung und den Aufbau des BIK-
netzes statt?

Wie lautete der Ausschreibungstext für das BIKnetz?

4. Warum hat die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH (gsub)
den Zuschlag als Projektträger erhalten?

Welche Kriterien waren dafür ausschlaggebend?

5. Wie oft wurden in den vergangenen Jahren Aufträge der Bundesregierung
an die gsub übertragen?

Um welche Projekte handelte es sich dabei (bitte einzeln auflisten, jeweils
mit Laufzeit und Finanzierungsrahmen)?

6. Wie viele Personalstellen wurden mit dem BIKnetz geschaffen, und warum
(bitte nach Stellen und Vollzeit/Teilzeit aufschlüsseln)?

7. Welche Qualifikationen zu den Themenfeldern „Rechtsextremismusbe-
kämpfung“ und „Prävention“ weisen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des BIKnetz auf?

8. Warum dauert der Aufbau des Informations- und Kompetenzzentrums zwei
Jahre?

9. Auf welchen Präventionskonzepten innerhalb der pädagogischen Arbeit
gegen Rechtsextremismus basiert die Konzeption der Bundesregierung für
das BIKnetz?

10. Zielen die Angebote von BIKnetz auf

a) primäre Prävention (Bedingungen schaffen, um Rechtsextremismus im
Vorfeld durch Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft zu verhin-
dern),

b) sekundäre Prävention (Arbeit mit identifizierten Risikogruppen, rechts-
offenen Jugendlichen) oder

c) tertiäre Prävention (Arbeit mit rechtsextremistischen Gewalttätern)?

11. Welche pädagogischen Ansätze sind nach Auffassung der Bundesregierung
für die präventiv-pädagogische Arbeit gegen Rechtsextremismus, wie sie
das BIKnetz beabsichtigt, besonders geeignet, und welche pädagogischen
Grenzen und Qualitätsstandards gilt es ihrer Ansicht nach zu beachten
(bitte jeweils nach sekundärer und tertiärer Prävention aufschlüsseln)?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfolgsaussichten für präventiv-pä-
dagogische Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen ange-
sichts der nach Auffassung der Fragesteller ernüchternden Erfahrungen mit
dem Ansatz der „akzeptierenden Jugendarbeit“ in den 90er-Jahren?

13. Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesregierung, ob Jugendliche
„rechtsextremistisch gefährdet bzw. orientiert“ und somit Zielgruppe der
Programme sind, die im BIKnetz konzentriert werden?

14. An welchen Faktoren bemisst die Bundesregierung den Erfolg von Ansät-
zen der Präventionsarbeit, und welche Fragen beinhaltet das Raster, mit
dessen Hilfe BIKnetz bei lokalen Trägern die Gelingensfaktoren abfragt?

15. Wie viele und welche Modellprojekte zur „Bekämpfung rechtsextremisti-
scher Bestrebungen bei jungen Menschen“, wie sie auch das BIKnetz beab-
sichtigt, hat die Bundesregierung im Rahmen des Bundesprogramms „To-
leranz fördern – Kompetenz stärken“ gefördert (bitte Auflistung nach Trä-
ger, Projekttitel und Projektzeitraum)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14266

16. Wie viel Prozent der im Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz
stärken“ bereitgestellten Mittel hat die Bundesregierung für die Förderung
von Modellprojekten zur „Bekämpfung rechtsextremistischer Bestre-
bungen bei jungen Menschen“, wie sie auch das BIKnetz beabsichtigt, ver-
wendet?

17. Warum fokussiert das BIKnetz vor allem auf die präventiv-pädagogische
Arbeit mit Jugendlichen, wenn das Themencluster „Bekämpfung rechtsex-
tremistischer Bestrebungen bei jungen Menschen“ nur ein Unterpunkt im
Förderschwerpunkt 2 des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompe-
tenz stärken“ ist?

18. Inwiefern werden Erfahrungen und Erkenntnisse der Bundeszentrale für
politische Bildung, der Regiestellen anderer Bundesprogramme (Xenos,
Zusammenhalt durch Teilhabe), des Bündnisses für Demokratie und Tole-
ranz, der Antidiskriminierungsbeauftragten, des Forums gegen Rassismus
und der Sicherheitsbehörden im BIKnetz berücksichtigt?

19. Wie gelangt die Bundesregierung zu der Einschätzung (vgl. Rahmencurri-
culum HandlungsKOMPETENZ auf www.biknetz.de), dass pädagogische
Fachkräfte bisher zu wenig Möglichkeiten haben, sich über Handlungs-
ansätze zur Arbeit mit rechtsextremistisch gefährdeten Jugendlichen zu in-
formieren?

20. Kooperiert das BIKnetz mit den Bildungsministerien auf Landesebene, um
pädagogischen Fachkräften diese Ansätze zugänglich zu machen?

21. Auf welchen wissenschaftlichen Studien oder sonstigen Erkenntnissen be-
ruht die Einschätzung der Bundesregierung, dass in Deutschland bisher zu
wenig über Phänomene des Rechtsextremismus aufgeklärt wurde (Presse-
mitteilung des BMFSFJ vom 4. Januar 2013)?

Inwiefern kann eine Datenbank diesbezüglich Abhilfe schaffen?

22. Wie soll eine Datenbank Strukturen vernetzen und Kooperationen initiie-
ren?

23. Inwiefern vernetzen die Landesberatungsnetzwerke gegen Rechtsextremis-
mus nach Kenntnis der Bundesregierung Strukturen miteinander und schaf-
fen neue Kooperationspartnerschaften zwischen Staat, Zivilgesellschaft,
Verwaltung und Wirtschaft?

24. An welche Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen bzw. Expertinnen
und Experten soll das Servicetelefon des BIKnetz vermitteln?

25. Wann wurden die Landesregierungen, insbesondere die Landeskoordinie-
rungsstellen der Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus, erstmals
direkt vom BMFSFJ über das geplante BIKnetz informiert?

26. Hat es vor Errichtung des BIKnetz einen fachlichen Austausch mit Trägern
und Ländervertreterinnen und -vertretern über Inhalte und Form des Zen-
trums gegeben, die in dem Themenfeld Rechtsextremismus aktiv sind?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

27. Welche Vorschläge und Kritikpunkte von Trägern und Ländervertreterin-
nen und -vertretern hinsichtlich des BIKnetz wurden von der Bundesregie-
rung aufgenommen und berücksichtigt (bitte entsprechend aufschlüsseln)?

28. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem gemeinsamen offenen Brief des Geschäftsführers der RAA Bran-
denburg, des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung – De-
mos, des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Frem-

denfeindlichkeit und der Opferperspektive e. V. vom November 2012 an

Drucksache 17/14266 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in dem
das BIKnetz kritisiert wird?

29. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Forderung der BAGD und der BAGKR, die in einem Positionspa-
pier vom 17. Januar 2013 zu den Bundestagswahlen die Förderung einer
bedarfsorientierten Vernetzung und Qualifizierung zivilgesellschaftlicher
Initiativen sowie des Wissenstransfers statt des BIKnetz fordern?

Berücksichtigt die Bundesregierung die in diesem Positionspapier ange-
meldeten Bedarfe?

30. Sind auf der Plattform bereits die Kontaktdaten der Landeskoordinierungs-
stellen von Beratungsnetzwerken eingepflegt, und falls nicht, ist dies vor-
gesehen?

31. Welche Anlaufstellen für Hilfesuchende in den Ländern, z. B. Landeskoor-
dinierungsstellen von Beratungsnetzwerken gegen Rechtsextremismus,
existieren nach Kenntnis der Bundesregierung heute schon?

Wenn ja, wo sind diese Anlaufstellen angesiedelt (bitte nach Bundeslän-
dern aufschlüsseln)?

32. Werden diese Anlaufstellen durch die Bundesregierung gefördert, und
wenn ja, seit wann, und in welcher Höhe (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

33. Welche Kosten haben der Aufbau und die Unterhaltung der Internetpräsen-
zen der bisherigen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus und für
Demokratie des BMFSFJ und des Bundesministeriums des Innern (BMI)
insgesamt gekostet (bitte nach Programmen und Jahren aufschlüsseln)?

34. Welche Kosten verursacht der Aufbau und die Unterhaltung der Internet-
plattform www.biknetz.de im Zeitraum von 2012 bis 2014?

35. Wie wird sichergestellt, dass die in der Datenbank dokumentierten Kon-
zepte aktuellen Anforderungen entsprechen?

36. Wie soll der Transfer und die Übertragbarkeit von Konzepten sichergestellt
werden?

37. Wie und nach welchen Kriterien werden Informationen für das BIKnetz
aufbereitet, und wer bereitet diese auf?

38. Wie und durch wen werden die Konzepte praxisnah weiterentwickelt, ver-
arbeitet und weiterverarbeitet?

39. Entstehen den Zuwendungsempfängern aus dem Bundesprogramm „Tole-
ranz fördern – Kompetenz stärken“, das heißt lokale Aktionspläne, Modell-
projekte und Landeskoordinierungsstellen der Beratungsnetzwerke, durch
das BIKnetz zusätzliche Meldepflichten gegenüber der Regiestelle „Tole-
ranz fördern – Kompetenz stärken“?

Wenn ja, welche Form und welchen Umfang haben diese Pflichten?

40. Werden die Nutzungsrechte für die geförderten Maßnahmen auf das BIK-
netz zusätzlich übertragen?

41. Entstehen den Trägern durch die Abtretung von Nutzungsrechten Schäden?

42. Sind Landeskoordinierungsstellen der landesweiten Beratungsnetzwerke
dazu verpflichtet, Ergebnisse der qualitätsorientierten Verfahren für das
BIKnetz zu veröffentlichen?

43. Wie funktioniert der Expertenpool des BIKnetz?

44. Übernimmt das BIKnetz Honorarkosten für die Expertinnen und Experten,

oder wie werden sie finanziert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14266

45. Wird auf den Pool von Expertinnen und Experten der landesweiten Bera-
tungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus zurückgegriffen?

Wenn ja, werden diese Ressourcen nach Kenntnis der Bundesregierung der
mobilen Interventionsarbeit entzogen?

46. Welchen durch bisherige Angebote nicht abgedeckten Bedarf bedienen die
zusätzlichen Fort- und Weiterbildungen, die das BIKnetz aktuell mit ver-
schiedenen Fortbildungsformaten für Pädagoginnen und Pädagogen entwi-
ckelt?

47. Wie soll die Ansprache der Pädagoginnen und Pädagogen für die Fort- und
Weiterbildungen erfolgen?

48. Werden länderspezifische Probleme in den Fortbildungsangeboten berück-
sichtigt, und wenn ja, wie?

49. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass keine Überschneidungen hin-
sichtlich der Zielgruppe mit den Fortbildungen im Rahmen des Bundespro-
gramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ erfolgen?

Berlin, den 26. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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