BT-Drucksache 17/14098

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Gerdes, Ulrike Gottschalck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD - Drucksache 17/13482 - Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern

Vom 25. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14098
17. Wahlperiode 25. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Gerdes,
Ulrike Gottschalck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/13482 –

Projekt Zukunft – Deutschland 2020 – Bildungschancen mit guten
Ganztagsschulen für alle verbessern

A. Problem

Auch wenn das deutsche Bildungswesen gut ist, so ist es jedoch gemessen an dem
Ziel, alle Begabungen und Talente junger Menschen zur Entfaltung zu bringen
und ihren individuellen Neigungen und Bedürfnissen gerecht zu werden, nicht
gut genug. Zukunftschancen und Möglichkeiten für eine selbstbestimmte und ei-
genverantwortliche Lebensweise werden somit verspielt. Das Recht auf Bildung
läuft insbesondere ins Leere, wenn soziale Herkunft, finanzielle Leistungsfähig-
keit oder der Wohnort Einfluss auf den Bildungsverlauf junger Menschen erhal-
ten. Der gleiche Zugang zu Bildungschancen aber ist eine zentrale Frage der so-
zialen Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert.

B. Lösung

Um die Chancengleichheit in der Bildung zu verwirklichen und das Vertrauen der
Menschen in die öffentlichen Bildungsinstitutionen zurückzugewinnen, müssen
Bund, Länder und Kommunen entschiedener und gemeinsam handeln. Eine
Schlüsselrolle auf dem Weg, die öffentlichen Bildungsinfrastrukturen und -ein-
richtungen zu stärken, kommt dabei dem Ganztagsschulangebot zu. Die Bundes-
regierung solle daher u. a. aufgefordert werden,

– einen neuen Gesetzentwurf zur Grundgesetzänderung vorzulegen, der auf Ba-
sis eines neuen Artikels 104c eine vollständige Aufhebung des Kooperations-
verbotes für alle Bildungsinhalte beinhaltet,

– die Voraussetzungen zu schaffen, das Bund und Länder gemeinsam zusätzlich
20 Mio. Euro im Jahr für Bildung bereitstellen können, um nachteilige Mit-

telkonkurrenzen im Bildungsbereich zu verhindern und bei den Bildungsauf-
wendungen den OECD-Durchschnitt zu erreichen,

– mit den Ländern und Kommunen in Verhandlungen zu einem Ausbaupro-
gramm „Masterplan Gute Ganztagsschule“ einzutreten,

– für die erste vierjährige Phase des „Masterplans Gute Ganztagsschule“ insge-
samt 8 Mrd. Euro Bundesmittel zur Verfügung zu stellen sowie

Drucksache 17/14098 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– die Begleitforschung zum Ganztagsausbau fortzusetzen und auszubauen und
hinsichtlich u. a. der Effekte einer durchgehenden Sprachförderung, der Mög-
lichkeiten zur Steigerung der Angebotsqualität sowie erfolgreicher Modelle
zur besseren Vereinbarkeit von Ganztagsschule und freier Jugendarbeit wie
Sportaktivitäten weiterzuentwickeln.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14098

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/13482 abzulehnen.

Berlin, den 12. Juni 2013

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulla Burchardt
Vorsitzende

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Dr. Ernst Dieter Rossmann
Berichterstatter

Sylvia Canel
Berichterstatterin

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

tagsschule durchsetzen. Auch die Bundesministerin für Bil-
dung und Forschung spreche sich für die Idee der Ganz-
– Zweites Ziel sei es, dass der Masterplan ein Qualitätspro-

gramm sei, d. h. die Qualität der Lehr- und Betreuungs-
angebote müsse gewährleistet sein.

– Drittes Ziel sei es, dass Schulen möglichst direkt vom

tagsbeschulung aus. Ferner gelte es festzuhalten, dass die
4 Mrd. Euro aus dem IZBB-Programm nicht vorbehaltlos
zur Verfügung gestellt worden seien. Sie waren gemäß Ar-
tikel 104b des Grundgesetzes (GG) an eine Verwaltungsver-
Drucksache 17/14098 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Sylvia Canel, Dr. Rosemarie Hein und Kai Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/13482 in seiner 240. Sitzung am 16. Mai 2013 beraten und
dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung zur federführenden Beratung sowie dem Innen-
ausschuss, dem Sportausschuss, dem Haushaltsausschuss,
dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, dem Aus-
schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz, dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, dem Ausschuss für Gesundheit und dem Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Auch wenn das deutsche Bildungswesen gut sei, sei es jedoch
gemessen an dem Ziel, alle Begabungen und Talente junger
Menschen zur Entfaltung zu bringen und ihren individuellen
Neigungen und Bedürfnissen gerecht zu werden, nicht gut
genug. Zukunftschancen und Möglichkeiten für eine selbst-
bestimmte und eigenverantwortliche Lebensweise würden
somit verspielt. Das Recht auf Bildung laufe insbesondere ins
Leere, wenn soziale Herkunft, finanzielle Leistungsfähigkeit
oder der Wohnort Einfluss auf den Bildungsverlauf junger
Menschen erhielten. Der gleiche Zugang zu Bildungschan-
cen aber sei eine zentrale Frage der sozialen Gerechtigkeit im
21. Jahrhundert.

Die Verwirklichung von Chancengleichheit in der Bildung
gelänge ebenso wie die Rückgewinnung des Vertrauen der
Menschen in die öffentlichen Bildungsinstitutionen, wenn
Bund, Länder und Kommunen entschiedener und gemein-
sam handelten. Eine Schlüsselrolle auf dem Weg, die öf-
fentlichen Bildungsinfrastrukturen und -einrichtungen zu
stärken, komme dabei dem Ganztagsschulangebot zu. So
biete der weitere quantitative und qualitative Ausbau des
Ganztagsschulprogramms hervorragende Chancen, das Bil-
dungssystem leistungsfähiger zu gestalten, alle Begabungen
zu stärken und Chancengleichheit zu gewährleisten. Das erste
Ganztagsschulprogramm von Bund und Ländern, 2003 bis
2009, sei ein erfolgreicher Durchbruch gewesen. Hieran
müsse angesetzt werden und das Potenzial der Ganztags-
schulen weiter ausgeschöpft werden.

Ein Weg, die Ausbaudynamik des Ganztagsschulprogramms
zu erneuen, biete der „Masterplan Gute Ganztagsschule“.
Dieser verfolge fünf Ziele:

– Erstes Ziel müsse es sein, jedem Kind und Jugendlichen
unabhängig von seinem Wohnort, der Schulform etc. ei-
nen Ganztagsschulplatz anbieten zu können.

– Viertens könnten Ganztagsschulen nur in lokalen Bil-
dungsnetzwerken ihre Potenziale voll ausschöpfen.

– Schließlich komme den Kommunen fünftens eine Schlüs-
selrolle beim Ganztagsschulausbau zu, weshalb der Mas-
terplan nur mit Beteiligung und Unterstützung der Kom-
munen erfolgreich sein könne.

Der Masterplan solle zwei Phasen enthalten, wobei die erste
Phase von vier Jahren dem Projektstart sowie dem Kapazi-
tätsausbau und der Etablierung einer zweiten Förderlinie die-
nen solle, während einer anschließenden zweiten Phase solle
ein flächendeckendes Angebot aufgebaut werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der mitberatende Innenausschuss, der Sportausschuss, der
Haushaltsausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, der Ausschuss für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend, der Ausschuss für
Gesundheit und der Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung haben jeweils in ihren Sitzungen am
12. Juni 2013 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der SPD
bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 17/13482 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage in seiner 106. Sitzung am
12. Juni 2013 abschließend beraten und empfiehlt Ablehnung
des Antrags auf Drucksache 17/13482 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion der SPD bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion der SPD stellt fest, dass es in der umfang-
reichen Parlamentsdebatte offenbar auch um Wahlkampf
gegangen sei. Daher müsse einiges richtiggestellt werden.
Der Unterschied, den die Fraktion der CDU/CSU zwischen
Bildungsinstitution und Erziehungsinstitution konstruiere,
überzeuge nicht. Bildung und Erziehung seien vielmehr
untrennbar miteinander verbunden und beeinflussten sich
gegenseitig. Ganztagsschulen müssten beiden Aufgaben
gleichermaßen gut gerecht werden. Einen Zwang aber, die
Ganztagsschule zu besuchen, solle es nicht geben. Man wolle
lediglich einen Rechtsanspruch auf den Besuch der Ganz-
Masterplan profitieren sollten, da „gute Schule“ immer
vor Ort gemacht würde.

einbarung gebunden. Eine ähnliche Regelung plane man auch
für den Artikel 104c GG. Nur würde sich die Verwaltungs-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14098

vereinbarung dann nicht nur auf Investitionen beziehen,
sondern auch Personal- und Unterstützungsmaßnahmen um-
fassen. Die voraussetzungslose Bereitstellung von Mitteln sei
folglich nicht vorgesehen.

Man spreche sich zudem für eine unterschiedliche finanzielle
Behandlung von offenen und gebundenen Ganztagsschulen
aus. Dafür gebe es fachliche Gründe. Eine offene Ganztags-
schule betreue die Kinder nicht so lange, wie es eine gebun-
dene Ganztagsschule tue. Demensprechend verursache das
weniger Aufwand und niedrigere Kosten. Dies sei auch die
Regelung in den Bundesländern.

Erste Studien hätten ergeben, dass in der Anfangszeit der Ein-
richtung von Ganztagsschulen vor allem Kinder aus mittleren
und höheren sozialen Schichten erreicht worden seien. Das
ändere sich aber nach den Ergebnissen neuerer Studien, die
gerade die Ansprache auch zunehmend von Kindern und
Jugendlichen aus unteren bildungsfernen Schichten heraus-
stellen würden. Ziel müsse jedenfalls sein, die Ganztags-
schulbetreuung auf solche Gruppen auszuweiten, bei denen
außerschulische Aktivitäten keine Selbstverständlichkeit
seien. Man wünsche sich einen Konsens, Ganztagsschulen
künftig verstärkt an sozialen Brennpunkten einzurichten. Zu-
dem müsse es eine engere Zusammenarbeit von schulischer
und außerschulischer Betreuung geben. Man stelle erfreut
fest, dass sich die Debatte um Ganztagsschulen seit 2002
stark weiterentwickelt habe. Diese Entwicklung müsse sich
auch in der praktischen bildungspolitischen Arbeit wieder-
finden. Man werbe daher für den eigenen Antrag.

Die Fraktion der CDU/CSU betont, dass man dem Antrag
nicht zustimmen werde. Niemand unterstelle der Fraktion der
SPD Gleichmacherei, aber man wisse, wie bedauerlich es sei,
wenn eine erfolgreiche Schule gegen den Willen der Kinder,
Eltern und Verantwortlichen geschlossen werde, nur um Platz
für ein neues Schulkonzept – in diesem Falle das Hamburger
Modell – zu machen. Man sei sich offenbar einig, dass die
Ganztagsbetreuung eine positive pädagogische Wirkung
habe, insbesondere in sozial problematischen Milieus. Ge-
rade dort sei außerschulische Förderung besonders wichtig.
Die Ganztagsschule sei aber kein Allheilmittel. Aus diesem
Grunde habe man die Lehrerexzellenzinitiative gestartet, um
die Qualität in der Bildung zu steigern. Ferner verspreche
man sich von der Ganztagsbetreuung auch eine sozialpoli-
tische Wirkung im Bereich der Jugend- und Familienhilfe.
Voraussetzung sei allerdings eine gute Vernetzung und der
Aspekt der Freiwilligkeit. Gleichwohl würden sich jetzt an-
dere Einrichtungen, wie beispielsweise Sportvereine, Sorgen
machen, dass ihre Mitgliederzahlen sinken würden. Der dritte
Aspekt betreffe die arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen.
Ganztagsbetreuung erleichtere die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Auch aus diesem Grunde bewerte man das Pro-
gramm positiv. Die Länder hätten sich hingegen gewünscht,
dass die Mittel direkt zur Verfügung gestellt würden. Das er-
kläre auch, warum es soviel Zustimmung zu einer Änderung
des Artikels 104c GG auf Ebene der Länder gebe. Eine solche
Änderung werde man aber nicht mittragen. Wenn der Bund
Mittel zur Verfügung stellen solle, dann müsse er auch die
Möglichkeit der Einflussnahme und Mitsprache haben.

In den Ländern sei die Leistungsbilanz ganz unterschiedlich
Der Spitzenreiter – Sachsen – habe beim Ausbau der Ganz-

42 Prozent. Die dortige Sozialministerin spreche sich zwar
immer wieder für Ganztagsbetreuung und Krippenplätze
aus, an der Umsetzung mangele es aber offenbar. Die Union
habe hingegen nach der Regierungsübernahme in Nieder-
sachsen die Zahl der Ganztagsschulen mittlerweile verzehn-
facht. In Thüringen sei sogar der Hort Bestandteil des gesetz-
lichen Schulwesens. Die Kompetenz über diese Themen
müsse bei den Ländern verbleiben. Eine Änderung des Arti-
kels 104c GG sei der falsche Weg. Wenn der Bund keine
Kontrolle habe, könne der auch keine Mittel bereitstellen.

Die Fraktion der FDP führt aus, dass der Antrag der Frak-
tion der SPD wenig Neues beinhalte. Es herrsche Einigkeit
darüber, das Ganztagsschulangebot auszubauen. Man streite
sich lediglich über die Art der Umsetzung dieses Vorhabens.
Die Fraktion der SPD schlage vor, dass der Bund nach einer
Änderung des Grundgesetzes 8 Mrd. Euro zur Verfügung
stelle. Grundgesetzänderungen seien der falsche Weg. Die
Fraktion der FDP habe im Bereich der Hochschulen angebo-
ten, der Opposition entgegenzukommen. Dieser Vorschlag
sei abgelehnt worden. Die gebundene Ganztagsschule sei das
Modell der Zukunft. Die pädagogische Betreuung müsse über
den ganzen Tag hinweg erfolgen. Man stelle allerdings fest,
dass die SPD-regierten Länder dieses Ziel nicht umsetzen
würden. Es sei daher sehr fraglich, ob man die gewünschten
Veränderungen aus dem Deutschen Bundestag heraus werde
herbeiführen können. Die Fraktion der SPD formuliere kon-
krete Ziele wie Verlässlichkeit der Betreuung, eigenverant-
wortliche Schulen und lokale Bildungsnetzwerke. Das klinge
alles sehr gut. Es stelle sich aber die Frage, warum die SPD
in den von ihr regierten Ländern nicht längst mit der Umset-
zung begonnen habe. Die Annahme, man könne mit der ge-
planten Grundgesetzänderung das Kooperationsverbot ins-
gesamt aufheben, sei irrig. Es gehe ausschließlich ums Geld.
Kooperationen zwischen Bund und Ländern gebe es schon
seit 60 Jahren. Unklar sei auch, warum ein Investitionspro-
gramm für Baumaßnahmen für Funktionsräume vorgeschla-
gen werde, bei dem nach dem Gießkannenprinzip die Mittel
verteilt werden sollten, obwohl der Bedarf an Ganztagsschul-
plätzen in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt sei. Im
Antrag finde sich zudem die Forderung, dass die Eigenver-
antwortlichkeit der Schulen gestärkt werden müsse. Das be-
fürworte man. Daher sei es der falsche Weg, Neuerungen von
oben herab zu verordnen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, dass der Ausbau von
Ganztagsschulen wichtig und notwendig sei. Die Fraktion
der SPD knüpfe mit den Antrag an die Position an, die sie
auch schon vor der Föderalismusreform vertreten habe.
Auch erinnere man sich noch gut an das IZBB-Programm.
Die Länder hätten damals insbesondere deshalb bereitwillig
zugestimmt, weil es einen großen Investitionsstau bei den
Schulen gegeben habe. Mit den Mitteln habe man Schul-
sanierungen betrieben, ohne Landesmittel verwenden zu
müssen. Zwar habe das Land Sachsen-Anhalt das Programm
damals durch eigene Konzepte unterlegt, allerdings seien
diese nicht allzu weitreichend gewesen. Es sei daher richtig,
dass die Fraktion der SPD nun fordere, eine qualitative
Sicherung einzubauen. Zutreffend sei auch, dass Ganztags-
schulen eine andere Art des Lernens ermöglichen würden. In
diesem Zusammenhang müsse darauf hingewiesen werden,
tagsbetreuung einen Wert von 96,7 Prozent erreicht. Das
Schlusslicht – Mecklenburg-Vorpommern – hingegen nur

dass dies mit Veränderungen verbunden sein werde. Eine
Patenlösung gebe es nicht.

Ganztagsschule werde daher allenfalls eine kleine Verbes-
serung bringen. Das gelte auch für die Umsetzung von In-
klusion. Diese können nur in einem nichtgegliederten Schul-
system umgesetzt werden. Die Koalition wolle dies offenbar
nicht einsehen. Aufgrund der grundsätzlichen Kritik werde
man sich bei dem Antrag der Stimme enthalten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezeichnet es
als großen Fortschritt in der bildungspolitischen Debatte,
dass insbesondere die konservative Seite ihren Widerstand
gegen die Ganztagsschule aufgegeben habe. Offenbar herr-
sche jetzt Einigkeit darüber, dass gute Ganztagsschulen bes-
sere Bildungsergebnisse hervorbringen würden. Es gehe da-
her bei der Debatte nicht um Zwangsbeglückung, sondern um
die Herstellung von Wahlfreiheit mit der Perspektive eines
Rechtsanspruchs. Es gehe auch nicht um die Schaffung von
Ergebnisgleichheit, sondern die Herstellung von Chancen-
gleichheit. Dabei wolle man die Verantwortung von Bund
und Ländern klar benennen und den Ganztagsschulausbau
gezielt fördern. Das Ganztagsschulprogramm IZBB in Höhe
von 4 Mrd. Euro sei ein großer Erfolg gewesen und habe ein
im europäischen Vergleich bildungspolitisches Modernisie-
rungsdefizit überwunden und entscheidend zur Erneuerung
des Bildungswesens beigetragen. Einigkeit bestehe auch da-
rüber, dass Ganztagsschulen eine bessere individuelle För-
derung von Kindern und Jugendlichen ermöglichen würden
und eine Veränderung von Schulkultur und Lernalltag an-
stoßen könnten. Denkbar wäre eine Öffnung der Schule für
Vereine und Verbände, die neue Partnerschaften eingehen
würden. Positiv seien auch die Versorgung der Kinder mit
Mahlzeiten und die Verbesserung der Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf für deren Eltern.

Interessant seien auch die Ergebnisse der StEG-Studie vom
Mai 2013. Darin werde ausgeführt, dass das Ganztagsschul-
angebot bundesweit noch nicht ausreiche. Auch von Wahl-
freiheit könne noch keine Rede sein. Die Nachfrage steige
hingegen stetig, insbesondere im Grundschulbereich, wäh-

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimme mit der
Fraktion der SPD darin überein, dass man die Ausbaudyna-
mik aus IZBB fortsetzen müsse, indem man ein zweites
Ganztagsschulprogramm auflege. Dieses solle sich in zwei
Programmlinien gliedern. Zum einen müsse die Infrastruktur
weiter ausgebaut werden, zum anderen müsse ein Schwer-
punkt auf die Verbesserung der Qualität gelegt werden. Zwin-
gende Voraussetzung sei die Überwindung der verfassungs-
rechtlichen Begrenzungen. Aspekte wie lokale Netzwerke
und Bildungspartnerschaften müssten mit den Ländern und
Kommunen in Verhandlungen geklärt werden. Bund und
Länder müssten gemeinsame Ziele und Zeitpläne vereinba-
ren und diese auch gemeinschaftlich steuern. Dies bedeute
nicht, dass der Bund sich nur auf die Bereitstellung der Mittel
beschränken solle. Die Fraktion der SPD habe das sehr deut-
lich gemacht. Man befürworte auch die Forderung der An-
tragsteller, wonach die Wirkungs- und Begleitforschung zu
Ganztagsschulen verbreitert werden müsse.

An zwei Stellen weiche man von der Position der Fraktion der
SPD ab. Das betreffe zum einen die Konkretisierung zur Ab-
schaffung des Kooperationsverbotes. Hier werde Einstim-
migkeit auf Seiten der Länder gefordert und dies mit der
Gleichbehandlung der Länder begründet. Dies halte man für
nicht erforderlich. Die Gleichbehandlung ergebe sich viel-
mehr durch die konkrete Vereinbarung zu einem Ganztags-
schulprogramm. Man halte daher die Dreiviertelmehrheit für
ausreichend. Der zweite Punkt betreffe die Ankündigung
eines 20-Milliarden-Programms, mit welchem Bund, Länder
und Kommunen die Bildung zusätzlich finanzieren sollten.
Im Antrag werde nicht klar beschrieben, woher diese zusätz-
lichen Mittel stammen sollten. Dies müsse man aber deutlich
machen. Das Ziel des Antrags, einen flächendeckenden und
bedarfsgerechten Ausbau des Ganztagsschulangebotes von
allgemeinbildenden Schulen, unabhängig vom Wohnort und
unabhängig von der Schulform umzusetzen, teile man unein-
geschränkt.

Berlin, den 12. Juni 2013

Marcus Weinberg (Hamburg)
Berichterstatter

Dr. Ernst Dieter Rossmann
Berichterstatter

Sylvia Canel
Berichterstatterin

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter
Drucksache 17/14098 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im Antrag der Fraktion der SPD werde die Idee der Ganz-
tagsschule allerdings überfrachtet. Die Ganztagsschule
werde nicht in der Lage sein, alle bildungspolitischen Pro-
bleme zu lösen. Ein Gymnasium bleibe auch als Ganztags-
schule ein Gymnasium und eine Realschule auch als Ganz-
tagsschule eine Realschule. Soziale Ausgrenzung finde
hingegen an den Übergängen von der Grundschule zur
weiterführenden Schule statt. Studien hätten gezeigt, dass in
weniger als 50 Prozent der Fälle die Zuweisungen zur wei-
terführenden Schule aufgrund der Leistungsfähigkeit erfolge.
Ein Aspekt der Gliederung sei demnach Segregation. Die

rend der Ausbau des Angebots in einzelnen Bundesländern
stagniere bzw. langsam anwachse. Man müsse die Lern- und
Förderangebote zudem stärker mit dem Unterricht verknüp-
fen. Wichtig sei auch festzuhalten, dass Ganztagsschulen
nicht das Ende der sozialen Auslese bedeuten würden. Dies
läge daran, dass auch an Ganztagsschulen Zusatzkosten zu
tragen seien, die die Eltern aufbringen müssten. Generell sei
es aber so, dass gerade bildungsbenachteiligte Kinder und
Jugendliche besonders große Fördererfolge in Ganztagsschu-
len erleben würden. Es sei daher sinnvoll, diese vorrangig in
„sozialen Brennpunkten“ zu etablieren.

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