BT-Drucksache 17/14027

zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/13491 - Atomrisiken ernst nehmen - Auch in Bezug auf die nahe liegenden Atomkraftwerke in Belgien

Vom 17. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14027
17. Wahlperiode 17. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Oliver
Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/13491 –

Atomrisiken ernst nehmen – Auch in Bezug auf die nahe liegenden
Atomkraftwerke in Belgien

A. Problem

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, mit der bel-
gischen Regierung ein bilaterales Abkommen zur Zusammenarbeit in Fragen
der kerntechnischen Sicherheit und des Strahlenschutzes auszuhandeln. Im Rah-
men des Abkommens soll unter anderem eine bilaterale Kommission eingerichtet
werden, in der sich Deutschland und Belgien gegenseitig über sicherheitsrele-
vante Ereignisse und atomrechtliche Regelungen in beiden Ländern informieren.
Die Kommunen, Landkreise und die Städteregion Aachen sollen auf Augenhöhe
in diese Kommission eingebunden werden. Zusätzlich sollen eine Internetplatt-
form und ein Krebsregister eingerichtet werden.

Darüber hinaus soll die Bundesregierung aufgefordert werden, im Rahmen ihrer
Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass die belgische Regierung die Atom-
kraftwerke Tihange und Doel möglichst schnell abschaltet und aus der Atom-
kraft aussteigt.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 17/14027 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/13491 abzulehnen.

Berlin, den 5. Juni 2013

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Eva Bulling-Schröter
Vorsitzende

Dr. Michael Paul
Berichterstatter

Marco Bülow
Berichterstatter

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

Dorothee Menzner
Berichterstatterin

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

staaten mit grenznahen Anlagen vereinbart.“ Development). Es gebe somit nicht einen zu geringen Aus-
Das belgische Atomkraftwerk Tihange liege 70 km von der
deutsch-belgischen Grenze entfernt. Seine drei Reaktor-
blöcke seien mit 26, 29 und 36 Jahren bereits sehr alt. Bereits
zweimal habe es einen Störfall der INES-Stufe 2 gegeben.

tausch mit den Nachbarstaaten, den es jetzt zu verbessern
gelte.

Mit Belgien habe man schon 1984 ein Abkommen zur ge-
genseitigen Hilfeleistung in Katastrophen- und Unglücks-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14027

Bericht der Abgeordneten Dr. Michael Paul, Marco Bülow, Angelika Brunkhorst,
Dorothee Menzner und Sylvia Kotting-Uhl

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/13491 wurde in der 240. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 16. Mai 2013 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert wer-
den, mit der belgischen Regierung ein bilaterales Abkom-
men zur Zusammenarbeit in Fragen der kerntechnischen
Sicherheit und des Strahlenschutzes auszuhandeln. Im
Rahmen des Abkommens soll unter anderem eine bilaterale
Kommission eingerichtet werden, in der sich Deutschland
und Belgien gegenseitig über sicherheitsrelevante Ereignisse
und atomrechtliche Regelungen in beiden Ländern informie-
ren. Die Kommunen, Landkreise und die Städteregion
Aachen sollen auf Augenhöhe in diese Kommission einge-
bunden werden. Zusätzlich sollen eine Internetplattform und
ein Krebsregister eingerichtet werden.

Darüber hinaus soll die Bundesregierung aufgefordert wer-
den, im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf hinzuwirken,
dass die belgische Regierung die Atomkraftwerke Tihange
und Doel möglichst schnell abschaltet und aus der Atomkraft
aussteigt.

III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Antrag auf Drucksache 17/13491 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat den Antrag auf Drucksache 17/13491 in seiner
101. Sitzung am 5. Juni 2013 abschließend beraten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, in der
Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage
(Drucksache 17/11760) heiße es: „Mit Belgien besteht kein
bilaterales Abkommen zur Zusammenarbeit im Bereich der
nuklearen Sicherheit, das eine Expertenkommission vor-
sähe. Solche Kommissionen wurden vorrangig mit Nachbar-

aus dem Abklingbecken von Tihange 1. Im August 2012 sei
Tihange 2 aufgrund von Rissbildungen vorübergehend ab-
geschaltet worden.

Mit zahlreichen Ländern bestünden bilaterale Abkommen
zur Zusammenarbeit in Fragen der Nuklearsicherheit und
des Strahlenschutzes. Diese seien nicht immer befriedigend.
Der Austausch innerhalb der betreffenden deutsch-franzö-
sischen Kommission sei beispielsweise nicht umfangreich
und transparent genug. Die bestehenden Kommissionen
seien im Hinblick auf Sicherheit und Strahlenschutz durch-
aus verbesserbar.

Da es mit Belgien noch nicht einmal ein entsprechendes
Abkommen gebe, ziele der vorliegende Antrag darauf ab,
gemeinsam mit der belgischen Regierung ein bilaterales Ab-
kommen zu erarbeiten und eine bilaterale Kommission ein-
zurichten. Auch sei es notwendig, einen grenzüberschreiten-
den Austausch von Krebsregisterdaten zu schaffen.

Von der Bundesregierung könne man darüber hinaus er-
warten, dass sie in Gesprächen und bilateralen Zusammen-
kommen mit Ländern innerhalb und außerhalb der EU den
deutschen Atomausstieg gut begründet vertrete und die da-
mit verbundenen ökologischen und ökonomischen Vorteile
erläutere.

Die Fraktion der CDU/CSU trug vor, dass die Ener-
giewende im Ausland intensiv verfolgt werde. Der deutsche
Weg werde genau beobachtet. Es bleibe aber die Entschei-
dung des jeweiligen Landes, ob es diesem Weg folgen wolle.

Zurzeit gebe es außerhalb Deutschlands in Europa über
130 Kernkraftwerke. Von daher seien hohe Sicherheitsstan-
dards natürlich auch im eigenen Interesse. Die bilateralen
Abkommen mit den Nachbarstaaten seien aber in einer Zeit
gefasst worden, als es noch keine überregionale Zusammen-
arbeit gegeben habe. Daher sei es folgerichtig gewesen, dass
die Bundesrepublik Deutschland auf die Nachbarstaaten zu-
gegangen sei, um im Bereich der nuklearen Sicherheit die
Zusammenarbeit zu stärken.

Inzwischen gebe es eine Reihe von Institutionen, die sich mit
der Sicherheit der Kernkraftwerke in Europa auseinander-
setzten. Die Europäische Union habe federführend die
Stresstests durchgeführt. Darüber hinaus seien mit diesem
Thema befasst: ENSREG (European Nuclear Safety Regula-
tors Group), HERCA (Heads of European Radiation Autho-
rities) und WENRA (Western European Nuclear Regulators
Association) auf europäischer Ebene. Hinzu kämen die inter-
nationalen Organisationen IAEO (International Atomic
Energy Agency) und OECD NEA (The Nuclear Energy
Agency of the Organisation for Economic Cooperation and
Die Erdbebensicherheit sei nicht vollkommen gewährleistet.
Seit Jahren entweiche radioaktiv kontaminiertes Kühlwasser

fällen abgeschlossen. Es existiere ein Austausch auf Exper-
tenebene unter Einbeziehung der belgischen Regierung und

Drucksache 17/14027 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
der Atomaufsicht. Ein zusätzliches bilaterales Abkommen
bringe keinen Mehrwert. Die Sicherheit der Bevölkerung vor
Auswirkungen radioaktiver Strahlung, insbesondere bei Un-
fällen, habe natürlich oberste Priorität.

Die Fraktion der SPD erläuterte, wieder einmal werde er-
klärt, Gespräche würden geführt, es sei alles sicher, es müsse
nichts unternommen werden. Es stelle sich aber die Frage,
wie konkret die bisherigen Gespräche bezüglich dieses
Kernkraftwerks gewesen seien. Im Rahmen der international
durchgeführten Stresstests habe es nur allgemeine Gesprä-
che gegeben. Dabei sei es weniger um konkrete Probleme
bestimmter Atomkraftwerke gegangen. Es sei aber im Inte-
resse der Sicherheit der deutschen Bürgerinnen und Bürger
notwendig, insbesondere die grenznahen Kernkraftwerke
genau zu untersuchen. Da es häufig Westwind gebe, sei die
Wahrscheinlichkeit groß, dass austretende Radioaktivität
von den Grenzregionen Frankreichs, Belgiens oder der
Niederlande nach Deutschland getragen werde.

Deshalb könne nicht die Rede davon sein, dass die Sicherheit
gewährleistet sei und keine weiteren Maßnahmen notwendig
seien. Es sei nicht zu viel verlangt, wenn bilaterale Gesprä-
che mit Belgien, wie es sie bereits mit anderen Ländern gebe,
gefordert werden würden. Man werde den Antrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen, weil er
einen wichtigen Punkt anspreche.

Die Fraktion der FDP legte dar, man wisse, dass in Belgien
die Atomkraftwerke vom Netz genommen worden seien, um
ihre Sicherheit zu überprüfen. Nach dieser Überprüfung sei
man zu dem Schluss gekommen, man könne sie wieder ans
Netz anschließen. Diese Entscheidung könne man nicht von
außen beurteilen oder beeinflussen. Auch könne man seinen
Nachbarstaaten kein Energiekonzept aufoktroyieren.

In dem vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN werde fälschlich von einem Unfall der Stufe 2 auf
der INES-Skala gesprochen. Ein meldepflichtiges Ereignis
nach Stufe 2 der INES-Skala sei jedoch als Störfall definiert.
Dieser habe deutlich geringere sicherheitstechnische Bedeu-
tung als ein Unfall.

Die Richtlinie 2009/71/EURATOM des Rates vom 25. Juni
2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare
Sicherheit kerntechnischer Anlagen biete ein hohes Maß an
gegenseitiger Kontrolle und Information. Diese werde er-
gänzt durch Gremien wie ENSREG, HERCA und WENRA.
Die Bundesregierung sei in den verschiedenen Gremien be-
reits sehr aktiv. Es sei zweifelhaft, ob zusätzliche bilaterale
Gespräche die Situation wirklich verbesserten.

In dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
heiße es, wirkliche Sicherheit lasse sich bei Atomkraftwer-
ken nur durch ein endgültiges Abschalten erreichen. Man
könne aber anderen Ländern nicht ihre Energiepolitik vor-
schreiben. Auch bleibe es der freie Wille der Nachbarstaaten,
ob sie zusätzliche bilaterale Vereinbarungen für notwendig
erachteten.

Die Fraktion DIE LINKE. ergänzte, es sei unstrittig, dass
Deutschland nicht die Energiepolitik seiner Nachbarstaaten
bestimmen könne. Das bedeute aber nicht, dass man gegen-
über seinen Nachbarstaaten nicht seine Ängste formulieren
oder kritisch diskutieren dürfe. Das sei dringend notwendig.
Denn es könnten durchaus Probleme für die deutsche Bevöl-
kerung bei einem Störfall entstehen. Es sei überfällig, dass
die Bundesregierung im Interesse ihrer Bürgerinnen und
Bürger speziell im grenznahen Bereich tätig werde und aus-
lote, welche Vereinbarungen möglich seien.

Ein besonderes Problem bestehe hinsichtlich des
EURATOM-Vertrags. Obwohl viele Bereiche in Europa ver-
einheitlicht und gemeinsame Standards entwickelt worden
seien, setze sich die Europäische Atomgemeinschaft nur für
die Förderung der Technik ein, ohne gemeinsame Standards
durchzusetzen. Dies unterstreiche die Sinnlosigkeit des
EURATOM-Vertrags.

Die Bundesregierung machte darauf aufmerksam, dass es
zuletzt im Jahr 2010 Bemühungen der Bundesregierung ge-
geben habe, über dieses Thema mit Belgien ins Gespräch zu
kommen. Dies sei von belgischer Seite abgelehnt worden.
Seit 1991 habe es dazu immer wieder auch auf Arbeitsebene
Gespräche gegeben. Die kerntechnischen Anlagen lägen auf
beiden Seiten jenseits der 30-km-Grenze.

Es habe eine Reihe von Expertengesprächen zu konkreten
Anlagen und insbesondere auch zu den Befunden in den
Kraftwerken Doel und Tihange gegeben. Seit August 2012
fänden Gespräche mit internationalen Experten statt, an de-
nen auch Experten aus Deutschland aktiv beteiligt seien. Die
belgische Sicherheitsbehörde habe auf einer Sitzung der
ENSREG am 24. Mai 2013 erläutert, dass die Wiederinbe-
triebnahme der Anlagen jetzt bevorstünde. Die Bundesregie-
rung habe über den ENSREG-Vorsitz Belgien gebeten, zeit-
nah einen weiteren internationalen Expertenworkshop dazu
abzuhalten.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit beschloss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dem
Deutschen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Druck-
sache 17/13491 abzulehnen.

Berlin, den 5. Juni 2013

Dr. Michael Paul
Berichterstatter

Marco Bülow
Berichterstatter

Angelika Brunkhorst
Berichterstatterin

Dorothee Menzner
Berichterstatterin

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

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