BT-Drucksache 17/14006

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/12065 - Auf europäischer Ebene ein betrugssicheres, transparentes und bürokratiearmes Mehrwertsteuersystem schaffen

Vom 14. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14006
17. Wahlperiode 14. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa
Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/12065 –

Auf europäischer Ebene ein betrugssicheres, transparentes und bürokratiearmes
Mehrwertsteuersystem schaffen

A. Problem

Das europäische Mehrwertsteuersystem bedarf einer gründlichen Überarbei-
tung. Trotz des gemeinsamen Regelwerks, der Mehrwertsteuersystemrichtlinie,
wird das europäische Mehrwertsteuerrecht den Anforderungen an ein Europa
mit offenen Grenzen und Märkten nicht gerecht. Unterschiedliche Nachweis-
pflichten in den Mitgliedstaaten, verschiedene Formen der Vorsteuererstattung,
diverse Registrierungsanforderungen oder unterschiedliche Regelungen für er-
mäßigte Steuersätze begünstigen organisierten Mehrwertsteuerbetrug und er-
zeugen einen erheblichen Bürokratieaufwand bei Exporten in den europäischen
Binnenmarkt.

Seit 2010 hat die EU-Kommission einen Prozess für eine umfassende Reform
des europäischen Mehrwertsteuersystems in Gang gesetzt. Öffentliche Stellen
und Verbände betonten im Konsultationsverfahren den Reformbedarf des ge-
meinsamen Mehrwertsteuersystems der EU. Europaweit einheitliche Standards
etwa bei Rechnungslegung und Dokumentationspflichten, ein besserer Infor-
mationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und eine Vereinheitlichung
und Begrenzung von Ermäßigungstatbeständen in allen Mitgliedstaaten sowie
verbindliche Auskünfte über Steuersätze in anderen Mitgliedstaaten sind rich-
tige Forderungen, die in zahlreichen Stellungnahmen angemahnt wurden.

B. Lösung

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht vor, dass der Deut-
sche Bundestag die Bundesregierung auffordert, die Reformpläne der Europä-

ischen Kommission zur Überarbeitung des europäischen Mehrwertsteuerrechts
im Europäischen Rat und im Ministerrat aktiv zu unterstützen mit dem Ziel, ein
betrugssicheres, bürokratiearmes und unternehmensfreundliches europäisches
Mehrwertsteuersystem zu schaffen. Dieses Anliegen konkretisiert der Antrag in
14 Forderungen an die Bundesregierung.

Drucksache 17/14006 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen

Der Antrag macht keine Angaben zu finanziellen Auswirkungen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14006

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/12065 abzulehnen.

Berlin, den 12. Juni 2013

Der Finanzausschuss

Dr. Birgit Reinemund
Vorsitzende

Manfred Kolbe
Berichterstatter

Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Berichterstatterin

Dr. Thomas Gambke
Berichterstatter

5. den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie heißt unter anderem einheitliche Höchstgrenzen
des Rates zur Einführung eines Schnellreaktions-
mechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug
(COM(2012) 428 final) zu unterstützen, um zeit-
nah auf neue Fälle vom sogenannten Karussellbe-

für die Umsatzsteuerbefreiung kleiner Unterneh-
men festgelegt werden;

14. auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass europaweit
einheitliche Regelungen und Voraussetzungen
Drucksache 17/14006 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Manfred Kolbe, Sabine Bätzing-Lichtenthäler und
Dr. Thomas Gambke

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/12065 in seiner 217. Sitzung am 17. Januar 2013 dem
Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und dem Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht
vor, dass der Deutsche Bundestag beschließen soll,

I. festzustellen, dass das europäische Mehrwertsteuersys-
tem einer gründlichen Überarbeitung bedarf und dass
Hintergrund und Entwicklung dieses Reformbedarfs ge-
mäß der im Antrag enthaltenen Formulierung zu be-
schreiben sind;

II. die Bundesregierung aufzufordern,

a) grundsätzlicher Handlungsbedarf im europäischen
Mehrwertsteuerrecht

1. die Reformpläne der Europäischen Kommission
zur Überarbeitung des europäischen Mehrwert-
steuerrechts im Europäischen Rat und im Minis-
terrat aktiv zu unterstützen mit dem Ziel, ein
betrugssicheres und bürokratiearmes Mehrwert-
steuersystem zu schaffen;

2. insbesondere auf europäischer Ebene dafür einzu-
treten, dass die Bemessungsgrundlage der Mehr-
wertsteuer in der Europäischen Union weitestge-
hend angeglichen und verbreitert wird. Befreiun-
gen und Ermäßigungen sollten nur in einem durch
die EU-gesteckten engen Rahmen (Mehrwert-
steuersystemrichtlinie) möglich sein und weitest-
gehend harmonisiert werden. Aufgaben der öffent-
lichen Hand sollen weiter von der Mehrwertsteuer
befreit bleiben. Ausnahmeregelungen für einzelne
Mitgliedstaaten sollten abgeschafft werden;

3. auf europäischer Ebene dafür einzutreten, dass die
Mehrwertsteuerbefreiungen und -ermäßigungen
für umweltschädliche Produkte und Dienstleitun-
gen abgeschafft werden;

b) ein betrugssicheres europäisches Mehrwertsteuersys-
tem schaffen

4. im Rat für die Einführung eines generellen Re-
verse-Charge-Verfahrens im Business-to-busi-
ness-Bereich einzutreten;

6. die Kommission in ihrem Vorhaben zu unterstüt-
zen, die Zusammenarbeit der nationalen Steuer-
behörden weiter zu verbessern, um so den Um-
satzsteuerbetrug bei grenzüberschreitenden Lie-
ferungen zu erschweren und zurückzudrängen;

7. die Kommission bei der Weiterentwicklung ge-
meinsamer Datenbanken zur Steuerbetrugsbe-
kämpfung zu unterstützen;

8. die Anregung des Bundesrechnungshofs (Bun-
destagsdrucksache 17/7600) aufzunehmen und
für differenzbesteuerte Umsätze eine gesonderte
Ausweisung einzuführen;

c) ein unternehmensfreundliches europäisches Mehr-
wertsteuersystem schaffen

9. insbesondere auf europäischer Ebene dafür ein-
zutreten, dass Nachweispflichten, Anforderun-
gen an Registrierung und Rechnungsstellung
sowie andere Voraussetzungen für die Gewähr-
leistung der reibungslosen Erhebung der Mehr-
wertsteuer sowie für die Mehrwertsteuerbefrei-
ung der innergemeinschaftlichen Lieferung eu-
ropaweit einheitlich geregelt werden und die
nötigen Formulare in allen Sprachen der EU im
Internet abrufbar sind;

10. in diesem Zusammenhang die Europäische
Kommission in ihrem Vorstoß zu unterstützen, in
der EU für Unternehmen eine standardisierte,
optionale Mehrwertsteuererklärung in allen
Sprachen verfügbar zu machen;

11. die Kommission in ihrem Vorhaben zu unterstüt-
zen, ein EU-Mehrwertsteuerportal im Internet
einzurichten, wo verbindliche Auskünfte über
Steuersätze abrufbar sind und wo alle nötigen
Formulare für Registrierung, Nachweisführung,
Rechnungsstellung sowie die optionale Mehr-
wertsteuererklärung in sämtlichen Sprachen der
EU abrufbar sind;

12. die Kommission in ihrem Vorhaben zu unterstüt-
zen, für den internationalen Handel in jedem
Mitgliedstaat eine zentrale Anlaufstelle für Un-
ternehmen zu etablieren, über die diese sämt-
liche mehrwertsteuerlichen Pflichten bezüglich
des Mitgliedstaates abwickeln können;

13. bei der Kommission und im Rat dafür einzutre-
ten, dass die umsatzsteuerliche Behandlung von
kleinen Unternehmen (Kleinunternehmerrege-
lung) EU-weit einheitlich geregelt wird, das
trug reagieren zu können, bis der Übergang auf ein
generelles Reverse-Charge-Verfahren erfolgt;

für die Anerkennung einer umsatzsteuerlichen
Organschaft festgelegt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14006

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag in seiner 108. Sitzung am 12. Juni 2013 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
der SPD Ablehnung.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europä-
ischen Union hat den Antrag in seiner 92. Sitzung am
12. Juni 2013 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der SPD Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/12065 in seiner 144. Sitzung am 12. Juni 2013 erstmalig
und abschließend beraten.

Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der SPD Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 17/12065.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP beton-
ten, man teile das Ziel eines einfacheren und betrugssiche-
ren Mehrwertsteuersystems. Man habe auf dem Weg dorthin
schon eine Menge erreicht.

Einige der Forderungen zur Behandlung der Mehrwert-
steuer auf EU-Ebene im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN seien sinnvoll, befänden sich allerdings be-
reits in der Umsetzungs- oder zumindest in der Prüfungs-
phase. Andere der Punkte des Antrags würden einen Ein-
griff in zentrale Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten bedeuten
und müssten deshalb abgelehnt werden.

Die Europäische Kommission habe am 6. Dezember 2011
die Mitteilung zur Zukunft der Mehrwertsteuer „Wege zu
einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-
System, das auf den Binnenmarkt zugeschnitten ist“ vorge-
legt. Die Sondierungsphase sei noch nicht abgeschlossen.
Es sei nicht einfach, in dieser Frage eine europäische Eini-
gung zu erzielen. Man unterstütze die Bemühungen der
Kommission. Allerdings lägen zum jetzigen Zeitpunkt noch
keine abschließenden Vorschläge vor. Insofern gebe es dies-
bezüglich noch keine Entscheidungsgrundlage.

Die Fraktion der SPD bezeichnete die Feststellungen des
vorliegenden Antrags als zutreffend. Man unterstütze die
dort vorgetragene Analyse der Mehrwertsteuerproblematik.
Allerdings stimme die Fraktion der SPD den Forderungen
des Antrags an die Bundesregierung nicht vollständig zu.
Man sehe es kritisch, die Reformpläne der EU-Kommission
undifferenziert zu unterstützen. Auch die Forderung, für alle
umweltschädlichen Produkte eine Mehrwertsteuerbefrei-
ung zu untersagen, sei zu allgemein und zu einfach gehal-
ten.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, der vorliegende Antrag

fung des Umsatzsteuerbetrugs, insbesondere die Forderung
nach einer generellen Einführung des Abzugsverfahrens
(Reverse-Charge-Verfahrens).

Allerdings enthalte der vorliegende Antrag einen undiffe-
renziert positiven Bezug zu den Vorschlägen der Kommis-
sion, die Befreiung und Ermäßigung bei der Umsatzsteuer
einzuschränken. Eine Überarbeitung des Ermäßigungskata-
logs sei auch aus Sicht der Fraktion DIE LINKE. notwen-
dig. Man müsse sich aber klar machen, dass eine Verbreite-
rung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage letztlich
eine Erhöhung der Umsatzsteuer bedeute. Die Umsatzsteuer
habe eine regressive Verteilungswirkung, da sie für die
Verbraucher eine um so stärkere Belastung verursache, je
niedriger deren Einkommen sei. Auf diese soziale Dimen-
sion gehe der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN nicht ein. Statt eine differenzierte Position einzu-
nehmen und die Ermäßigungen bzw. Befreiungen vertei-
lungspolitisch zu bewerten, verweise der Antrag pauschal
auf die Vorschläge der EU-Kommission. Diese seien aber
von Wirtschaftsinteressen und nicht vom Ziel der Vertei-
lungsgerechtigkeit geprägt.

Auch werde die Forderung nach einer Beibehaltung der
Steuerbefreiung für Aufgaben der öffentlichen Daseinsvor-
sorge im vorliegenden Antrag nur halbherzig formuliert.
Die entsprechenden Passagen im Feststellungsteil und im
Forderungsteil würden in der Begründung stark relativiert.
Dort sei von einer Steuerbefreiung nur noch für bestimmte
Aufgaben und „dort, wo es zielführend“ sei, die Rede.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußerte den
Eindruck, dass die Mitglieder der anderen Fraktionen offen-
bar selten den Meinungsaustausch mit Unternehmensvertre-
tern suchen würden. In den eigenen Gesprächen mit Unter-
nehmensvertretern würden bestimmte Probleme der Mehr-
wertbesteuerung wiederholt genannt – insbesondere der
bürokratische Aufwand sowie Erstattungsfragen, vor allem
im grenzüberschreitenden Fall. Die diesbezüglichen Punkte,
die der vorliegende Antrag aufgreife, z. B. eine europaweit
einheitliche Regelung der Nachweispflichten oder etwa die
Gewährleistung der elektronischen Abrufbarkeit aller not-
wendigen Formulare, seien aus Praxissicht naheliegend,
aber im europäischen Kontext bisher schwer umzusetzen.
Insbesondere für mittelständische Unternehmen seien diese
Punkte von hoher Bedeutung.

Auch die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug sei ein zen-
trales Anliegen. Man vernehme mit Freude die Auskunft der
Bundesregierung, dass der sog. Quick Reaction Mechanism,
der es den Mitgliedstaaten ermöglichen solle, das Abzugs-
verfahren (Reverse-Charge-Verfahren) kurzfristig für einen
begrenzten Zeitraum einzuführen, im Ecofin-Rat noch im
Juni dieses Jahres beschlossen werden solle. Damit werde
eine wesentliche Forderung des vorliegenden Antrags um-
gesetzt.

Die Kritik der Fraktion DIE LINKE. bezüglich der ver-
meintlichen Verteilungswirkungen der gefordertem Bereini-
gung des Systems der ermäßigten Mehrwertsteuersätze sei
nicht stichhaltig. Es gehe um die Beseitigung der Ermäßi-
gungen z. B. für Übernachtungen oder um Kuriositäten wie
die ermäßigte Besteuerung von Maultieren im Vergleich zu
Pferden. Eine Reihe punktueller Veränderungen sei notwen-
enthalte einige Forderungen, die von ihr unterstützt würden.
Dazu gehörten vor allem die Vorschläge für eine Bekämp-

dig, um die Konsistenz der Mehrwertbesteuerung zu verbes-
sern.

Drucksache 17/14006 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bat um eine
ernsthafte Prüfung der Inhalte ihres Antrags. Gerade für
kleinere und mittlere Betriebe seien Entlastungen von der
durch das System der Mehrwertbesteuerung in Europa ge-
schaffenen Bürokratie notwendig.

Berlin, den 12. Juni 2013

Manfred Kolbe
Berichterstatter

Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Berichterstatterin

Dr. Thomas Gambke
Berichterstatter

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