BT-Drucksache 17/13989

Stellenwert von Lebensleistung und Gesundheit in der Nutztierzucht

Vom 12. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13989
17. Wahlperiode 12. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Cornelia Behm, Harald Ebner, Bärbel
Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Markus Tressel und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stellenwert von Lebensleistung und Gesundheit in der Nutztierzucht

In der Züchtung landwirtschaftlicher Nutztiere wurde jahrzehntelang das
Hauptaugenmerk auf Leistungssteigerungen gelegt. Höhere Milch- und Lege-
leistung oder schnelleres Fleischwachstum hatten Vorrang vor Lebensleistung
und Gesundheit. In der Folge hat vor allem die Nutzungsdauer der landwirt-
schaftlich genutzten Tiere deutlich abgenommen. So wird fast die Hälfte der
Milchkühe nicht mehr älter als vier Jahre, Sauen werden überwiegend nur noch
eineinhalb bis zwei Jahre genutzt und 93 Prozent der Legehennen erleben nur
noch eine Legeperiode. Hinzu kommen vielfältige Gesundheitsstörungen wie
Beinschwächen bei den schweren Mastputen und Masthühnern, Herz-Kreis-
laufprobleme bei Schweinen, sowie Euterentzündungen bei Milchkühen. Ob-
wohl diese Probleme hinlänglich bekannt sind, wurden die Zuchtziele bislang
nicht maßgeblich verändert. Um Qualzuchten zu verhindern, fehlen wirkungs-
volle gesetzliche Regelungen. Weder die bisherige Tierschutzgesetzgebung
noch die im Frühjahr 2013 beschlossene Novelle des Tierschutzgesetzes bieten
adäquate Instrumente, um einzugreifen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Milchkühe

1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Klauengesundheit bei
Milchkühen seit 1970 entwickelt, welchen Anteil haben Klauenerkrankungen
an den Abgangsursachen (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und welche
Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Eutergesundheit bei
Milchkühen seit 1970 entwickelt, welchen Anteil haben Eutererkrankungen
an den Abgangsursachen (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und welche
Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus?

3. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Nutzungsdauer von
Milchkühen seit 1970 entwickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und wel-
che Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus?
4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zucht auf Hornlosigkeit bei Rindern,
und sieht sie ggf. Gefahren, und wenn ja, welche?

5. a) Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Hochleistungsrinder durch die
vor allem nach dem Kalben durch Energiedefizite auftretende Ketose er-
heblichen Gesundheitsrisiken bis hin zur Todesfolge ausgesetzt werden?

Drucksache 17/13989 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Gesundheit von
Milchkühen nicht an der prophylaktischen Gabe von einem bis zu
100 Tage antibiotisch wirksamen Medikament hängen sollte?

c) Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das neu
zugelassenen Medikament „Kexxtone“, das gegen die mit Hochleis-
tungszucht assoziierte Erkrankung Ketose wirken soll und den antibioti-
schen Wirkstoff Monensin enthält?

6. Was waren die Hauptergebnisse des im Jahr 2011 abgeschlossenen Ver-
bundprojektes FUGATO-plus, REMEDY, „Reproduktion und metabo-
lische Probleme bei der Milchkuh“, und welche Schlüsse zieht die Bundes-
regierung hieraus?

Sauen/Schweine

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung vieler Züchter, dass das nur auf
die Zahl der Ferkel ausgerichtete Zuchtziel beendet werden muss, insbe-
sondere, da die Anzahl der Zitzen nicht züchterisch angepasst wurde?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Maßnahmen sind hier aus Sicht der Bundesregierung nötig?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dass Sauen
überwiegend sehr kurz, also nur eineinhalb bis zwei Jahre bzw. für drei bis
vier Würfe (Hörning „Leistungssteigerungen bei Nutztieren unter Tier-
schutzgesichtspunkten“), eingesetzt werden?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Entwicklung von Wurfgrößen und
Gewicht der Ferkel und das damit einhergehende Krankheits- und Mortali-
tätsrisiko?

Welche Schlüsse müssen nach Ansicht der Bundesregierung hieraus für die
Weiterentwicklung der Zuchtziele gezogen werden?

10. Stimmt die Bundesregierung der Meinung vieler Züchter zu, die das sehr
frühe Absetzen von Ferkeln für vermehrte Aggressionen zwischen den
Ferkeln verantwortlich machen, und die insbesondere im Hinblick auf den
diskutierten Verzicht auf des Kupieren der Ringelschwänze fordern, Ferkel
eine Woche länger bei der Sau zu lassen?

Wenn ja, welche Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung nötig,
und wenn nein, warum nicht?

11. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus Hinweisen aus der Wissenschaft (z. B. Van Grevenhof et al., 2012)
nach denen die Osteochondrose, die wichtigste Ursache für Beinschwä-
chen bei Schweinen, direkt mit dem zu schnellen Wachstum der Ferkel zu-
sammenhängt, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung hieraus?

Geflügel

12. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus den Hinweisen der Wissenschaft (z. B. Buchenwalter, T., B. Huber-
Eicher, 2005) dass Hochleistungsputen wie B.U.T Big 6, die mit Schmerz-
mitteln behandelt werden, signifikant mehr gehen und stehen als Tiere
ohne Schmerzmittelgaben, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung
hieraus?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Legehennen heute im Schnitt zwar
288 Eier im Jahr legen, aber 93 Prozent der Legehennen nur für eine Lege-

periode eingesetzt werden (Hörning „Leistungssteigerungen bei Nutztieren
unter Tierschutzgesichtspunkten“)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13989

14. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Bedenken in Bezug auf den Tier-
schutz in der Elterntierhaltung bei Mastgeflügel, und wenn nein, warum
nicht?

15. a) Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung aus Hinweisen aus der Wissenschaft, die feststellen, dass ad
libitum gefütterte Zuchttiere stark verfetten und restriktiv gefütterte
Tiere Verhaltensauffälligkeiten zeigen (Heyn et al. 2006)?

b) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Autoren, dass vor die-
sem Hintergrund sowohl die restriktive wie auch die ad libitum Fütte-
rung tierschutzrelevant sind, und wenn nein, warum nicht?

Gesetzliche Vorgaben

16. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus der Einschätzung von Juristen (z. B. der DJGT zum Entwurf eines
Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 13. Februar
2012, www.djgt.de), die bemängeln, dass das in der Novelle des Tier-
schutzgesetzes verwendete Kriterium „züchterische Erkenntnisse“ zur Ab-
grenzung von Qualzuchten viel zu ungenau und aufgrund der fehlenden
Bestimmbarkeit nicht verfassungskonform sei?

17. Wie erklärt die Bundesregierung, dass Länder, wie z. B. das von CDU und
FDP regierte Hessen, sich auch mit der Neuregelung des § 11b des Tier-
schutzgesetzes („Qualzuchtparagraph“) nicht in der Lage sehen, Qual-
zuchten wirkungsvoll zu bekämpfen, wie dies die hessische Landwirt-
schaftsministerin, Lucia Puttrich, im Bundesrat im Juli 2012 beklagte, da aus
ihrer Sicht ein wirksamer Vollzug nur mit klaren Formulierungen möglich
sei und die Einschätzung, ob es sich um Qualzuchten handelt, nicht allein
dem Züchter überlassen werden dürfe?

Zuchtentwicklung

18. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung innerhalb der letzten Jahre in den in
der Landwirtschaft verwendeten Züchtungen echte Verbesserungen bezüg-
lich des Tierschutzes, und wenn ja, um welche konkreten Verbesserungen
handelt es sich?

19. In welche Richtung muss sich die Zucht von Puten, Masthühnern, Milch-
kühen und Schweinen nach Auffassung der Bundesregierung in den nächs-
ten Jahren weiterentwickeln?

Berlin, den 12. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.