BT-Drucksache 17/13986

Folgen der Energiewende für die maritime Wirtschaft

Vom 12. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13986
17. Wahlperiode 12. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert, Dr. Hans-Peter
Bartels, Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Iris Gleicke,
Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn,
Gustav Herzog, Gabriele Hiller-Ohm, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten
Lühmann, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Florian Pronold, Sönke Rix,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen, Franz Thönnes,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Folgen der Energiewende für die maritime Wirtschaft

Die maritime Wirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leis-
ten. Mehr als 90 Prozent des Welthandels finden heute auf dem Seewege statt;
der Schiffsverkehr ist für mehr als 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen ver-
antwortlich. Innovative Lösungen im Bereich der erneuerbaren Energien sind
daher ein wichtiger Baustein, um die Klima- und Umweltschutzziele in der See-
schifffahrt und damit im Verkehrssektor insgesamt zu erreichen. Die Umstellung
der Schiffsflotte auf alternative Antriebe und Kraftstoffe ermöglicht es den
Reedereien aber nicht nur, die neuen Umweltanforderungen einzuhalten; inno-
vative Schiffskonzepte können auch einen Beitrag zur Senkung der Schiffs-
betriebskosten leisten. Weiterer Handlungsbedarf ergibt sich im Bereich der Off-
shore-Windenergie. Um die von der Bundesregierung gesetzten Ausbauziele zu
erreichen, ist neben weiteren Fortschritten bei der Netzanbindung der Windpark-
anlagen auf See eine enge Abstimmung zwischen maritimer Wirtschaft und Off-
shore-Windbranche notwendig, um die künftigen Bedarfe zu definieren. Dies
betrifft die Ertüchtigung der Hafeninfrastruktur ebenso wie die landseitige An-
bindung der deutschen Seehäfen sowie der ZARA-Häfen (ZARA: Zeebrügge,
Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) und die Entwicklung von Schiffskapazi-
täten für die Offshore-Windindustrie. Notwendig sind eine abgestimmte Aus-
baustrategie für die Häfen und neue Perspektiven für den Spezialschiffbau, da-
mit die maritime Wirtschaft in Deutschland die Potenziale der Energiewende
nutzen kann und weitere Fortschritte im Klima- und Umweltschutz möglich
sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Chancen für eine Korrektur des jetzt

vom Umweltausschuss der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation
(IMO) gefassten Beschlusses, der eine erneute Änderung des Internationalen
Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe
(MARPOL-Konvention) und die Verschiebung schärferer Stickoxid-Grenz-
werte für die Seeschifffahrt bis zum Jahr 2021 vorsieht, und welche Haltung
vertreten nach ihrer Kenntnis die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in
dieser Frage?

Drucksache 17/13986 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung das von deutschen Unter-
nehmen bereits getätigte Investitionsvolumen, um die strengeren Emissions-
grenzen termingerecht zu erfüllen, und welche Folgen sind in diesem
Zusammenhang bei einer Verschiebung der strengeren Emissionsgrenzwerte
für die maritime Wirtschaft in Deutschland zu erwarten?

3. Wird der Beschluss der IMO aus Sicht der Bundesregierung Auswirkungen
auf die geplante Ausweisung zusätzlicher Emissions-Überwachungsgebiete
(ECA) in den europäischen Meeresgebieten haben, in denen ab 2016 stren-
gere Anforderungen für die Emissionen von Stickoxiden gelten sollen (vgl.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/12707), und wie begründet sie ihre Einschätzung?

a) In welchen Meeresgebieten sollen diese zusätzlichen ECA eingerichtet
werden?

b) Wann werden die abschließenden Ergebnisse der von der Bundesregierung
mitfinanzierten Studien zur Ermittlung der wirtschaftlichen, ökologischen
und verkehrlichen Folgen von ECA-Ausweisungen vorliegen?

4. Sollte Deutschland aus Sicht der Bundesregierung dem Beispiel der USA
folgen und an dem Ziel einer Einführung strengerer Grenzwerte ab dem
Jahre 2016 festhalten, auch wenn die IMO die geplante Verschärfung der
internationalen Emissionsgrenzwerte für Seeschiffe um fünf Jahre ver-
schiebt?

5. Welche Ansatzpunkte bieten sich aus Sicht der Bundesregierung für eine
stärkere Nutzung und Weiterentwicklung der Programme der KfW Banken-
gruppe und insbesondere des Umwelt- und Energieeffizienzprogramms zur
Finanzierung von „Green-Shipping“-Maßnahmen, und in welchem Zeitrah-
men will die Bundesregierung die von ihr auf der 8. Nationalen Maritimen
Konferenz zugesagte Prüfung abschließen?

6. Plant die Bundesregierung, die gemeinsam mit den maritimen Verbänden in
Umsetzung der Verabredungen auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz
2011 identifizierten Pilotprojekte noch in dieser Legislaturperiode umzu-
setzen, um noch vor Inkrafttreten strengerer Grenzwerte für Schwefelschad-
stoffe im Seeschiffsverkehr 2015 den Sachstand und die Praxistauglichkeit
der Abgasentschwefelungsanlagen zum flächendeckenden Einsatz zu eva-
luieren und eine beschleunigte Modernisierung der deutschen Schiffsflotte
zu erreichen?

a) Wie begründet sie ihr Vorgehen?

b) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Seeverkehrswirtschaft,
dass angesichts des bestehenden Zeitdrucks Pilotprojekte nicht mehr
realisierbar sein könnten, und wie begründet sie ihre Haltung?

7. Wie viele Willensbekundungen auf Förderung von Pilotprojekten zur Nach-
rüstung von Abgasentschwefelungsanlagen an Bord bestehender Schiffe
sind bisher nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des Umwelt-
innovationsprogramms (UIP) eingegangen, und wie ist der derzeitige Be-
arbeitungsstand (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent des jährlichen
UIP-Gesamtvolumens aufschlüsseln)?

a) Plant die Bundesregierung angesichts der Kritik der Seeverkehrswirt-
schaft an der Unerfüllbarkeit der Förderkriterien eine Überarbeitung der
Vorgaben?

b) Zu welchem Ergebnis haben in diesem Zusammenhang die im September
2012 angekündigten Gespräche zwischen Vertretern des Bundesministe-

riums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie des Bundesministe-
riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geführt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13986

c) Plant die Bundesregierung eine Fortsetzung des Strukturierten Dialogs
mit der maritimen Wirtschaft zu wirtschaftlichen Folgen strengerer
Schwefelgrenzwerte für Schiffstreibstoffe in Schwefelemissionsüber-
wachungsgebieten (SECA) (Schwefel-Dialog) noch in dieser Legislatur-
periode?

d) Plant die Bundesregierung darüber hinaus, den „Schwefel-Dialog“ auf
die Frage der wirtschaftlichen Folgen der neuen Stickoxid-Grenzwerte
auszuweiten?

e) Welche Maßnahmen bieten sich aus Sicht der Bundesregierung darüber
hinaus an, um die flächendeckende Nachrüstung von Abgasentschwefe-
lungsanlagen zu fördern?

8. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die zuständigen Behörden der
Bundesländer seit dem 1. Januar 2013 Verstöße gegen die MARPOL-
Anlage V nicht mehr verfolgen und ahnden können, weil eine Anpassung
der MARPOL-Zuwiderhandlungsverordnung nicht erfolgt ist bzw. die
neue Umweltverhaltensverordnung-See noch nicht umgesetzt wurde?

a) Welches ist der Grund für die Verzögerungen?

b) Wann plant die Bundesregierung die Veröffentlichung der neuen
Umweltverhaltensverordnung-See?

9. Welche Chance bietet aus Sicht der Bundesregierung die Festlegung von
nationalen Infrastrukturzielen zur Marktentwicklung im Bereich alterna-
tiver Kraftstoffe, wie sie die Europäische Kommission jetzt vorgeschlagen
hat, und wie begründet sie ihre Haltung?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen für den Aufbau eines
Kernnetzes von LNG-Tankstellen (LNG: Liquified Natural Gas; ver-
flüssigtes Erdgas) in allen deutschen See- und Binnenhäfen bis spätes-
tens Ende 2020, und unter welchen Voraussetzungen ist aus ihrer Sicht
eine Förderung durch den Bund möglich?

b) Unterstützt die Bundesregierung das Ziel einer flächendeckenden Ein-
führung von Landstrom in allen deutschen Seehäfen bis zum Jahr 2016,
und welche Voraussetzungen müssen dafür aus ihrer Sicht gegeben sein?

10. Wird die Bundesregierung den Fortschrittsbericht „Offshore-Windenergie –
Bedarf, Potenziale und Chancen für Häfen und Schiffe“, der im Nationalen
Masterplan Maritime Technologien für das Jahr 2011 angekündigt wurde,
noch in dieser Legislaturperiode vorlegen, und aus welchen Gründen ist
dieser Bericht bisher nicht veröffentlicht worden?

a) Wird die Bundesregierung der Aufforderung auf der 8. Nationalen Mari-
timen Konferenz (NMK) nachkommen und das Thema „Finanzierungs-
instrumente“ in den Fortschrittsbericht aufnehmen?

b) Wird sie in diesem Zusammenhang die Empfehlungen der Experten-
gruppe „Bauzeit- und Endfinanzierung von Schiffsneubauten deutscher
Werften“ im Hinblick auf die Offshore-Infrastruktur erneut prüfen?

11. Wird die Bundesregierung die bereits für März 2013 angekündigten Ge-
spräche mit Vertretern der norddeutschen Bundesländer sowie der Hafen-
wirtschaft zu den Möglichkeiten einer Unterstützung der Häfen beim Aus-
bau der Offshore-Windenergie noch in dieser Legislaturperiode aufneh-
men, und plant sie die Einrichtung eines regelmäßigen Gesprächsforums?

12. Welche der hafenspezifischen Handlungsempfehlungen aus dem „OffMaster-
Projekt“ zu den Chancen und Herausforderungen für die Hafen- und Werft-
wirtschaft im Zuge der Offshore-Windenergieentwicklung sind aus Sicht der

Bundesregierung im Lichte der Ergebnisse der 8. Nationalen Maritimen
Konferenz weiterzuverfolgen, und an welchen Stellen sieht sie Möglichkeiten

Drucksache 17/13986 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
für eine Unterstützung der norddeutschen Bundesländer bzw. der Hafenwirt-
schaft durch den Bund?

13. Wie sieht der Zeitplan für die Erarbeitung des bereits für Ende 2011 ange-
kündigten „Masterplans Offshore-Hafeninfrastruktur“ aus, und wann soll
dieser vorliegen?

14. Wird die Bundesregierung, wie von den Teilnehmern der 8. Nationalen
Maritimen Konferenz gefordert, eine engere Abstimmung zwischen den
beiden Förderprogrammen „Erneuerbare Energien“ und „Maritime Tech-
nologien der nächsten Generation“ prüfen, und welche Programme und
Förderinstrumente kommen aus ihrer Sicht darüber hinaus grundsätzlich
infrage, um die auf der Konferenz geforderte stärkere Unterstützung der
angewandten Offshore-Windenergieforschung durch den Bund zu leisten?

15. Welche Ansatzpunkte bieten aus Sicht der Bundesregierung insbesondere
die Straßenverkehrs-Ordnung, um die zunehmenden Beeinträchtigungen für
Schwerlasttransporte zur Verbringung von Bauteilen für Windparkanlagen
und Großkräne zu deren Errichtung auszugleichen, und plant sie hier eine
Anpassung?

a) Wie begründet sie ihre Haltung?

b) Wie viele genehmigungspflichtige Schwertransporte sind nach Informa-
tionen der Bundesregierung wöchentlich zu verzeichnen, und wie teilt
sich deren Zahl nach den Verkehrsträgern Straße und Wasserstraße auf?

c) Wie viele Brücken, Tunnel und sonstige Ingenieurbauwerke im Zuge von
Autobahnen und vierspurigen Bundesstraßen sind auf ein zulässiges Ge-
samtgewicht von 44 Tonnen abgelastet und damit für Schwertransporte
nicht passierbar, und bei wie vielen Bauwerken ist die Befahrbarkeit
durch Ablastungen zwischen 60 und 155 Tonnen zulässigem Gesamt-
gewicht eingeschränkt (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent an-
geben)?

d) Wie viele Bauwerke im Zuge von Autobahnen und vierspurigen Bundes-
straßen sind seit 2011 wegen der Einrichtung von Baustellen für geneh-
migungspflichtige Schwertransporte gesperrt worden (bitte in absoluten
Zahlen und in Prozent angeben)?

e) Wie stellt sich der Bauwerkszustand der Brücken an den wichtigsten
Hinterlandanbindungen der See- und Binnenhäfen dar (bitte nach An-
zahl der Brücken und Zustandsnote aufschlüsseln), und wie haben sich
die Zustandsnoten seit 2011 entwickelt?

f) Wie stellt sich die Höhe der in den Haushaltsjahren 2011 und 2012 ver-
ausgabten Mittel für die Erhaltung der Bundesfernstraßen gegenüber der
Finanzplanung dar, und wie hoch ist der Anteil, der für den Erhalt von
Bauwerken verwendet wurde (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent
angeben)?

g) Welche Bauvorhaben sollen nach den Plänen der Bundesregierung die
Schiffbarkeit der Bundeswasserstraßen durch Anpassung der Brücken-
durchfahrtshöhen, Abladetiefen und Schleusenlängen verbessern, und
welche dieser Projekte sind baureif (bitte tabellarisch auflisten)?

Berlin, den 12. Juni 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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