BT-Drucksache 17/13791

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/3544 - Mehr Flexibilität und Transparenz bei der Pandemiebekämpfung

Vom 6. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13791
17. Wahlperiode 06. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/3544 –

Mehr Flexibilität und Transparenz bei der Pandemiebekämpfung

A. Problem

Nach Auffassung der Antragsteller verhindern die an die Pandemiestufen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO = World Health Organization) gebundenen
nationalen Pandemiepläne ein flexibles, an der Gefährlichkeit des Erregers
orientiertes Reagieren. Zudem würden bei der Impfstoffbeschaffung nur mit
einem kleinen Kreis von Impfstofflieferanten Kaufverhandlungen geführt und
die Verträge nicht offengelegt. Zur Wirksamkeit der Impfstoffe gebe es auch
kaum aussagekräftige Studien und die Besetzung der nationalen und internatio-
nalen Beratergremien sei nicht transparent.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern, dass die nationalen Pandemiepläne sich auch an der
Gefährlichkeit eines Erregers orientieren und dass beim Kauf von Impfstoffen
mit allen Anbietern verhandelt werde. Die Impfung selbst müsse auf Länderebene
nach bestimmten Kriterien durchgeführt werden. Ferner müssten Studien zu
Impfstoffen gefördert und veröffentlicht werden. Die Beratergremien müssten
mit unabhängigen Experten besetzt werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/13791 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/3544 abzulehnen.

Berlin, den 15. Mai 2013

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann
Vorsitzende

Dr. Harald Terpe
Berichterstatter

Drucksache 17/3544 abzulehnen.
tingentiert und es würden Rahmenverträge geschlossen.
IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Deutschland könne an dieser Stelle nicht unabhängig agie-
ren. Die geforderte Transparenz bei der Impfstoffbeschaf-
fung werde im Übrigen durch das geltende Vergaberecht her-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13791

Bericht des Abgeordneten Dr. Harald Terpe

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/3544 in seiner 71. Sitzung am 11. November 2010 in ers-
ter Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit überwiesen. Außerdem hat er ihn
zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss sowie den
Innenausschuss überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Nach Auffassung der Antragsteller verhindern die an die
Pandemiestufen der WHO gebundenen nationalen Pande-
miepläne ein flexibles, an der Gefährlichkeit des Erregers
und der Schwere der Krankheit orientiertes Reagieren, da
nur die Ausbreitung des Erregers als Kriterium für den
Handlungsbedarf dient. Zudem würden im Rahmen der
Impfstoffbeschaffung nur mit einem kleinen Kreis von Impf-
stofflieferanten Kaufverhandlungen geführt und die Verträge
nicht offengelegt. Zur Wirksamkeit der Impfstoffe gebe es
auch kaum aussagekräftige Studien und die Besetzung der
nationalen und internationalen Beratergremien sei nicht
transparent.

Die Antragsteller fordern, dass die nationalen Pandemie-
pläne sich an der Ausbreitung und der Gefährlichkeit eines
Erregers orientieren und dass im Zuge der Beschaffung die
Kaufverhandlungen mit allen Impfstoffanbietern geführt
werden. Bei den Verhandlungen sollten objektive, sachbezo-
gene Kriterien gelten. Künftige und bereits geschlossene
Kaufverträge müssten veröffentlicht werden. Die Studienla-
ge zu den Impfstoffen müsse gefördert und die Ergebnisse
ebenfalls veröffentlicht werden. Auf Länderebene solle dar-
auf hingewirkt werden, dass die Verteilung und Impfung
nach einheitlichen Kriterien erfolgt und dabei die ambulante
Versorgung nicht beeinträchtigt wird. Transparente Ent-
scheidungen erforderten, dass nationale wie internationale
Beratergremien mit unabhängigen Experten ohne wirtschaft-
liche Verbindungen zu Pharmaunternehmen besetzt seien.
Nur so sei eine sachlich fundierte und von Interessenkonflik-
ten freie Situationseinschätzung möglich.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 85. Sitzung am
15. Mai 2013 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu
empfehlen, den Antrag auf Drucksache 17/3544 abzulehnen.

Der Innenausschuss hat in seiner 107. Sitzung am 15. Mai
2013 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD beschlossen zu empfehlen, den Antrag auf

sache 17/3544 aufgenommen und beschlossen, eine öffent-
liche Anhörung durchzuführen.

Die öffentliche Anhörung hat in der 98. Sitzung am 30. Ja-
nuar 2013 stattgefunden. Als sachverständige Organisatio-
nen waren eingeladen: Arbeitsgemeinschaft der Obersten
Landesgesundheitsbehörden (AOLG), Arzneimittelkommis-
sion der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Bundesärztekam-
mer (BÄK), Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des
Öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD), Bundes-
verband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI), Bun-
desvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Deutsche
Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutsche Gesell-
schaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), Deutscher
Hausärzteverband e. V., Deutsches Cochrane Zentrum, Ge-
meinsamer Bundesausschuss (G-BA), GKV-Spitzenverband,
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Paul-Ehrlich-
Institut (PEI), Robert-Koch-Institut (RKI), Schutzkommis-
sion beim Bundesministerium des Innern, Ständige Impf-
kommission beim Robert-Koch-Institut (STIKO), Trans-
parency International Deutschland e. V. (TI), Verband
Forschender Arzneimittelhersteller e. V. (vfa), Verbraucher-
zentrale Bundesverband e. V. (vzbv) und Weltgesundheits-
organisation (WHO). Als Einzelsachverständiger war
Dr. Matthias Gruhl eingeladen. Auf das Wortprotokoll und
die als Ausschussdrucksachen verteilten Stellungnahmen
der Sachverständigen wird Bezug genommen.

In seiner 111. Sitzung am 15. Mai 2013 hat der Ausschuss
für Gesundheit die Beratungen zum Antrag auf Drucksache
17/3544 abgeschlossen. Als Ergebnis empfiehlt der Aus-
schuss für Gesundheit mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag auf Drucksache 17/3544 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU wies darauf hin, dass es nach
Expertenmeinung bei der Pandemie Schweinegrippe, Pla-
nung und Bekämpfung Stand 2009, keine Handlungsdefizite
gegeben habe. Der nationale Plan werde im Rahmen der
Evaluation überarbeitet. Die vorgeschlagene Orientierung
des Pandemieplans an der Gefährlichkeit des Erregers sei
nicht zielführend, da sich die Schwere einer Erkrankung in
der Regel erst im Verlaufe der Pandemie erkennen lasse, die
Entscheidung, einen Impfstoff zu beschaffen, aber bereits zu
Beginn der Pandemie getroffen werden müsse. Trotzdem
werde der nationale Pandemieplan auch im Bereich Beschaf-
fung und Distribution aktualisiert und an neuere Erkenntnis-
se angepasst. Allerdings würden die Länder auch weiterhin
für diesen Bereich verantwortlich bleiben. Die Idee, Produk-
tion und Beschaffung eines Impfstoffes von den WHO-
Warnstufen zu entkoppeln, sei ebenfalls nicht hilfreich. Die
Produktionskapazitäten seien begrenzt, so dass im Allgemei-
nen nicht alle Länder in vollem Umfang mit einem Impfstoff
versorgt werden könnten. Deshalb werde der Impfstoff kon-
Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 86. Sitzung am
17. Oktober 2012 die Beratungen zu dem Antrag auf Druck-

gestellt. Eine Offenlegung der Verträge scheitere an der
Vertraulichkeit von Unternehmensdaten.

fung von den WHO-Warnstufen abzukoppeln sei theoretisch
möglich, aber praktisch nicht durchführbar. Die Produkti-
onskapazitäten der Hersteller seien begrenzt, weshalb diese
eine Planungssicherheit benötigten. Auch die Förderung
unabhängiger Studien zu Impfstoffen sei aufgrund der zeit-
lichen Dynamik einer Pandemie nicht realisierbar, da die
Kaufentscheidung zu einem Zeitpunkt getroffen werden
müsse, zu dem noch keine Studien vorliegen könnten.

Die Fraktion DIE LINKE. bemerkte, dass sie trotz Vorbe-
halte den Antrag unterstützen werde. Insbesondere die An-
passung der Pandemiemaßnahmen an die Gefährlichkeit des
Erregers, die Offenlegung der Verträge mit den Pharma-

tung des Erregers orientiert seien, während dessen Gefähr-
lichkeit nicht berücksichtigt werde. Zudem müsse die finan-
zielle Förderung einer Impfstoffentwicklung von der Liefer-
zusage entkoppelt werden, da sich dies als kontraproduktiv
erwiesen habe. Grundsätzlich müssten die Vertragskonditio-
nen bei der Beschaffung von Impfstoffen offengelegt und
Beratergremien mit unabhängigen Experten ohne Interessen-
konflikte besetzt werden. Zusätzlich sei ein abgestimmtes
Agieren der Länder bei Distribution und Verabreichung von
Impfstoffen erforderlich. Die Studienlage zur Wirksamkeit
von Impfstoffen sei mangelhaft. Es müssten unabhängige
Studien gefördert und deren Ergebnisse in einem Register
veröffentlicht werden.

Berlin, den 15. Mai 2013

Dr. Harald Terpe
Berichterstatter
Drucksache 17/13791 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Fraktion der FDP ergänzte, der neue Pandemieplan
werde handlungsorientiert und lagespezifisch aufgebaut und
ermögliche an regionale Gegebenheiten orientierte Maßnah-
men. Hinsichtlich der geforderten Studien verweise man dar-
auf, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens eines Impf-
stoffes bereits Studien vorgelegt würden. Eine einheitliche
Versorgungsstrategie der Länder, die die ambulante Versor-
gung nicht beeinträchtige, könne aufgrund der Heterogenität
der Länder hinsichtlich der Bevölkerungsdichte oder der
Fläche nicht entwickelt werden. Insgesamt betrachtet sei
ein Teil der Forderungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bereits realisiert, andere seien nicht umsetzbar
oder nicht zielführend.

Die Fraktion der SPD unterstützte zwar die Forderung nach
mehr Flexibilität bei regionalen Maßnahmen, wies aber dar-
auf hin, dass einige weitere Forderungen nicht umsetzbar
seien. Zur Koppelung der WHO-Pandemiewarnstufen an die
Gefährlichkeit des Erregers, habe das PEI darauf hingewie-
sen, dass ein Virus keine genetischen Marker hinsichtlich
seiner Gefährlichkeit habe. Zudem verlaufe eine Pandemie
oft so rasant, dass nicht abgewartet werden könne, wie sich
die Erregergefährlichkeit entwickle und erst dann den Impf-
stoff zu beschaffen und zu verteilen. Die Impfstoffbeschaf-

unternehmen und die Förderung unabhängiger Studien zur
Wirksamkeit der antiviralen Mitteln würden befürwortet. Im
Zusammenhang mit der bei der Schweinegrippe ausgerufe-
nen höchsten WHO-Pandemiewarnstufe wolle man darauf
hinweisen, dass damals WHO-Berater von Pharmaunterneh-
men finanziert worden seien. Eine Zusammenarbeit von
Impfstoffherstellern und Beratern sei aber auch nicht gänz-
lich zu vermeiden. Deshalb sei die Forderung nach vollkom-
men unabhängiger Expertise realitätsfern. Die Bundesregie-
rung müsse sich aber bei der WHO für entsprechende
Transparenzrichtlinien einsetzen. Der Antrag gehe auch
nicht auf die Diskussion um die Wirksamkeit von Tamiflu
ein. Damals sei die Beschaffung auf Basis unvollständiger
Daten entschieden worden. Hierzu habe man einen eigenen
Antrag auf Drucksache 17/893 formuliert. Es werde ein öf-
fentliches Studienregister benötigt, das auch abgebrochene
Studien erfasse. Die Forderung nach mehr nationalstaat-
licher Entscheidungshoheit werde nicht gänzlich geteilt.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläuterte, die
im Rahmen der Schweinegrippeepidemie gemachten Erfah-
rungen hätten gezeigt, dass die nationalen Pandemieplänen
wenig flexibel und nur an der Geschwindigkeit der Ausbrei-

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