BT-Drucksache 17/13790

zu dem Antrag der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Dr. Martina Bunge, Cornelia Möhring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/12102 - Die Pille danach rezeptfrei machen

Vom 6. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13790
17. Wahlperiode 06. 06. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Yvonne Ploetz, Dr. Martina Bunge,
Cornelia Möhring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/12102 –

Die Pille danach rezeptfrei machen

A. Problem

In Deutschland sind hormonelle Notfallkontrazeptiva („Pille danach“) ver-
schreibungspflichtig. Nach Auffassung der Antragsteller widerspricht dies dem
grundlegenden Recht auf reproduktive Selbstbestimmung der Frau, da durch die
Verschreibungspflicht Hemmnisse bei der Beschaffung der „Pille danach“ auf-
gebaut würden.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern, dass die Verschreibungspflicht durch Änderung der
Arzneimittelverschreibungsverordnung aufgehoben und die „Pille danach“ für
Frauen bis zum 20. Lebensjahr von der gesetzlichen Krankenversicherung er-
stattet wird. Diese Maßnahme solle evaluiert werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/13790 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/12102 abzulehnen.

Berlin, den 15. Mai 2013

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann
Vorsitzende

Mechthild Rawert
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13790

Bericht der Abgeordneten Mechthild Rawert

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/12102 in seiner 219. Sitzung am 31. Januar 2013 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit überwiesen. Außerdem hat er ihn
zur Mitberatung an den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In Deutschland sind hormonelle Notfallkontrazeptiva, soge-
nannte Pille danach, verschreibungspflichtig. Nach Auffas-
sung der Antragsteller widerspricht dies dem grundlegenden
Recht auf reproduktive Selbstbestimmung. Durch die Ver-
schreibungspflicht würden Hemmnisse bei der Beschaffung
der „Pille danach“ aufgebaut und insbesondere am Wochen-
ende sei es für Frauen schwierig, eine entsprechende Verord-
nung zu erhalten. Sowohl WHO als auch das Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) würden
empfehlen, die „Pille danach“ rezeptfrei abzugeben, da sie
gesundheitlich unbedenklich sei. In anderen Ländern sei nach
der Freigabe kein Anstieg sexuell übertragbarer Krankheiten
oder riskantem Sexualverhalten beobachtet worden.

Die Antragsteller fordern, dass die Verschreibungspflicht für
den Wirkstoff Lenonorgestrel durch Änderung der Arznei-
mittelverschreibungsverordnung aufgehoben und die „Pille
danach“ für Frauen bis zum 20. Lebensjahr von der gesetzli-
chen Krankenversicherung erstattet wird. Diese Maßnahme
solle evaluiert werden. Da für nicht verschreibungspflichtige
Medikamente kommerziell geworben werden dürfe, müsse
geprüft werden, wie ein Werbeverbot für die „Pille danach“
ausgestaltet sein müsse. So könne verhindert werden, dass
durch die Produktwerbung suggeriert werde, dass auf Verhü-
tung verzichtet werden könne. Ein Werbeverbot müsse auch
auf europäischer Ebene durch die Änderung der entspre-
chenden Richtlinie erreicht werden. Zudem müsse die Bun-
deszentrale für gesundheitliche Aufklärung zielgruppenori-
entiert über die „Pille danach“ informieren.

III. Stellungnahme des mitberatenden
Ausschusses

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 98. Sitzung am 15. Mai 2013 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen,
die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/12102 zu
empfehlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 100. Sitzung am
20. Februar 2013 die Beratungen zum Antrag der Fraktion
DIE LINKE. auf Drucksache 17/12102 sowie zum Antrag
der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11039 „Rezeptfrei-
heit von Notfallkontrazeptiva – Pille danach – gewährleis-

ten“ aufgenommen und beschlossen, zu beiden Anträgen
eine öffentliche Anhörung durchzuführen.

In seiner 101. Sitzung am 27. Februar 2013 hat der Aus-
schuss für Gesundheit seine Beratungen zu den Anträgen auf
den Drucksachen 17/12102 und 17/11039 fortgesetzt.

Die öffentliche Anhörung hat in der 108. Sitzung am
24. April 2013 stattgefunden. Als sachverständige Organisa-
tionen waren eingeladen: ABDA – Bundesvereinigung
Deutscher Apothekerverbände, Arbeitskreis Frauengesund-
heit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V.
(AKF), Berufsverband der Frauenärzte e. V., Bundesärzte-
kammer Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern
(BÄK), Bundesverband der Frauengesundheitszentren e. V.,
Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
Frauen gegen Gewalt e. V. (bff), Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung (BZgA), Deutsche Gesellschaft für Gy-
näkologie und Geburtshilfe e. V. (dggg), Deutsche Kranken-
hausgesellschaft e. V. (DKG), Deutscher Ärztinnenbund,
Deutscher Pharmazeutinnen Verband (dpv), GKV-Spitzen-
verband, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Ver-
band der privaten Krankenversicherungen e. V. (PKV), pro
familia Bundesverband, ProGenerika e. V., Verband For-
schender Arzneimittelhersteller (vfa), Verein demokrati-
scher Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) e. V. Als
Einzelsachverständige waren eingeladen: Prof. Dr. Horst
Lübbert und Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. mult. Thomas
Rabe. Auf das Wortprotokoll und die als Ausschussdrucksa-
chen verteilten Stellungnahmen der Sachverständigen wird
Bezug genommen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 111. Sitzung am
15. Mai 2013 seine Beratungen sowohl zum Antrag der
Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 17/12102 als auch
zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11039
abgeschlossen.

Als Ergebnis empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag auf Drucksache 17/12102 abzulehnen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat in der abschließenden
Diskussion zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf
Drucksache 17/12102 auch den Antrag der Fraktion der SPD
auf Drucksache 17/11039 gewürdigt.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag grundsätz-
lich ab, da es wissenschaftlich fundierte Gründe gebe, dass
für Notfallkontrazeptiva weiterhin eine Verschreibungs-
pflicht bestehe. In der Anhörung sei deutlich geworden, dass
z. B. eine Thrombosegefahr bestehe. Zudem sei neben dem
Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ein zweites, bes-
seres Notfallkontrazeptivum bei der EU zugelassen und auf
dem Markt. Dessen Wirkstoff berge nicht die Gefahr einer
Thrombosebildung. In Großbritannien sei nach der Freigabe
der „Pille danach“ die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche
gestiegen. Dies könne von der Wirksamkeit des Medika-
ments abhängen, aber auch Beleg für eine mangelhafte oder

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fehlende Verhütung sein. Gegen die Aufhebung der Ver-
schreibungspflicht spreche auch, dass nach einer ärztlichen
Untersuchung in vielen Fällen die Anwendung eines Notfall-
kontrazeptivum nicht erforderlich sei. Bei sexueller Gewalt
sei eine ärztliche Beratung hinsichtlich Schwangerschaft
aber auch sexuell übertragbarer Krankheiten wichtig.

Die Fraktion der FDP war ebenfalls der Auffassung, dass
die Verschreibungspflicht für Notfallkontrazeptiva erhalten
bleiben müsse. Das Argument, dass die „Pille danach“ am
Wochenende oder in ländlichen Regionen schwer verfügbar
sei, könne nicht ausschlaggebend sein. Die im Antrag der
Fraktion der SPD geforderte Verbindung mit einem Be-
ratungsgespräch durch den Apotheker, könne die ärztliche
Beratung nicht ersetzen. In dieser könne geklärt werden, ob
ein Notfallkontrazeptivum überhaupt zur Anwendung kom-
men muss und auf weitere Aspekte wie sexuell übertragbare
Krankheiten eingegangen werden. Außerdem finde die ärzt-
liche Beratung in einem geschützten Raum statt, den die
Apotheke nicht bieten könne.

Die Fraktion der SPD führte aus, dass die geforderte Re-
zeptfreiheit für die „Pille danach“ mit einer Beratungspflicht
in der Apotheke gekoppelt sein solle. Es solle ein niedrig-
schwelliges Angebot für Frauen darstellen, die sich aus den
unterschiedlichsten Gründen keine ärztliche Verordnung
beschaffen könnten. Die Rezeptfreiheit stärke die Selbst-
bestimmung der Frau und könne insbesondere von Gewalt
betroffenen Frauen helfen, wenn diese sich keinem Arzt
anvertrauen wollten. Die Fraktion betonte, dass das Not-
fallkontrazeptivum mit dem Wirkstoff Levonorgestrel keine
Abtreibungspille sei und nahezu keine Nebenwirkungen
habe. Die in der Anhörung erwähnte Thrombosegefahr, sei
ein Argument der Ärzte, das durch Studien nicht belegt
werde und eher aus dem Selbstverständnis der Ärzte resul-
tiere. Die „Pille danach“ werde weltweit bereits in mehr als
78 Staaten und in Europa in mehr als 28 Ländern rezeptfrei
angeboten. Deutschland sei der Entwicklung weit hinterher.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, dass die Entlassung
von Notfallkontrazeptiva mit Levonorgestrel aus der Ver-
schreibungspflicht überfällig sei. Allerdings müssten drei
wesentliche Aspekte abdeckt sein: So müsse bis zum 20. Le-
bensjahr eine Kostenerstattung bei ärztlicher Verordnung er-
folgen. Zudem müsse verhindert werden, dass die Hersteller
für ihre Produkte werben würden, dagegen solle die Bundes-
zentrale für gesundheitliche Aufklärung die Aufklärung über
die Wirkungsweise der „Pille danach“ übernehmen. Die
„Pille danach“ dürfe nicht zu einer Standardverhütung
werden, sondern solle die Ausnahme bleiben. Diese Punkte
fehlten z. B. im Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache
17/11039. Derzeit werde eine ideologische Debatte geführt,
die sämtliche wissenschaftlich evidente Argumente außer
Acht lasse. Die Kriterien für die Klassifizierung eines Medi-
kaments als verschreibungspflichtig träfen auf Notfallkon-
trazeptiva mit den Wirkstoff Levonorgestrel nicht mehr zu.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, die
Aufhebung der Rezeptpflicht sei eine fachliche Entschei-
dung, die sich an den Risiken und Nebenwirkungen eines
Medikaments orientiere und die Ergebnisse der Anwen-
dungsforschung berücksichtige. Das BfArM habe bereits
2003 die Aufhebung der Verschreibungspflicht empfohlen.
Die Verfügbarkeit der „Pille danach“ sei gerade in stark reli-
giös geprägten Regionen nicht immer gegeben, weshalb der
Zugang erleichter werden müsse. Die während der Anhö-
rung von Arztseite geäußerten Bedenken hinsichtlich der
Nebenwirkungen seien nicht stichhaltig, zumal diese von
einem wirtschaftlichen Interesse geprägt seien. Man unter-
stütze zwar die Forderung, für minderjährige Frauen die
Kosten des Präparats zu erstatten, lehne aber die von der
Fraktion DIE LINKE. gewählte Form ab, da dadurch ein Prä-
zedenzfall geschaffen werde. Die Kosten könnten angelehnt
an die Regelungen der OTC-Ausnahmeliste bei einer Ver-
ordnung übernommen werden. Deshalb werde man sich bei
der Abstimmung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. ent-
halten und dem SPD-Antrag zustimmen.

Berlin, den 15. Mai 2013

Mechthild Rawert
Berichterstatterin

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