BT-Drucksache 17/13714

Freie Berufe - Wachstumstreiber in der Sozialen Marktwirtschaft

Vom 4. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13714
17. Wahlperiode 04. 06. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Kai Wegner, Lena Strothmann,
Thomas Bareiß, Veronika Bellmann, Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs,
Michael Grosse-Brömer, Dr. Matthias Heider, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum,
Dieter Jasper, Andreas Jung (Konstanz), Andreas G. Lämmel, Ulrich Lange,
Stephan Mayer (Altötting), Dr. h. c. Hans Michelbach, Dr. Mathias Middelberg,
Stefan Müller (Erlangen), Dr. Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Rita Pawelski,
Ulrich Petzold, Eckhardt Rehberg, Dr. Heinz Riesenhuber, Albert Rupprecht
(Weiden), Anita Schäfer (Saalstadt), Nadine Schön (St. Wendel),
Thomas Silberhorn, Christian Freiherr von Stetten, Antje Tillmann,
Andrea Astrid Voßhoff, Ingo Wellenreuther, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Martin Lindner (Berlin),
Claudia Bögel, Klaus Breil, Birgit Homburger, Manfred Todtenhausen, Rainer
Brüderle und der Fraktion der FDP

Freie Berufe – Wachstumstreiber in der Sozialen Marktwirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der aktuelle Bericht der Bundesregierung zur Lage der Freien Berufe unter-
streicht erneut die Bedeutung der Freien Berufe in der modernen Dienstleis-
tungswirtschaft.

Die Zahl der selbstständigen Freiberufler hat Anfang des Jahres 2012 mit knapp
1,2 Millionen einen neuen Höchststand erreicht. Die Freien Berufe sind ein
Wachstumsmotor der Sozialen Marktwirtschaft. Sie erzielen gemeinsam mit
ihren Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 370 Mrd. Euro und steuern
10,1 Prozent – das ist jeder zehnte Euro – zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei
(1950: 1 Prozent des BIP, 1991 rund 6,7 Prozent des BIP). Insgesamt beschäfti-
gen die Freien Berufe rund 3 147 000 Personen, darunter rund 2 909 000 sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigte (1991: 1 083 000 sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigte). Die Freien Berufe stellen nach Industrie und Handel
sowie Handwerk den drittgrößten Ausbildungsbereich. Sie tragen damit maß-
geblich zur geringen Jugendarbeitslosigkeit sowie dem hohen Bildungsniveau in
Deutschland bei. Jahr für Jahr starten etwa 43 000 junge Menschen ihre beruf-

liche Ausbildung bei einem Freiberufler. In Summe sind es rund 125 000 in allen
Lehrjahren.

Freiberufler üben als kleine und mittelständische Unternehmer oft nicht nur
eine rein gewinnorientierte Tätigkeit aus, sondern nehmen darüber hinaus be-
sondere gesellschaftliche Verantwortung wahr, etwa als Ärzte, Rechtsanwälte,
Ingenieure oder in wirtschafts- und steuerberatenden, künstlerischen und
sprachlichen Berufen.

Drucksache 17/13714 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Freien Berufe stehen für eine große Breite und Vielfalt beruflicher Tätig-
keiten sowie für eine Kultur von Unternehmertum und Leistungsbereitschaft.
Damit verkörpern sie in besonderer Weise die Ideale des selbstständigen Mittel-
standes.

Zugleich stehen sie in einem sich ständig verschärfenden wirtschaftlichen Wett-
bewerb. Auf der Grundlage der in Deutschland bewährten berufs- und honorar-
rechtlichen Rahmenregeln gilt es, die Herausforderungen, mit denen sich die
Freien Berufe konfrontiert sehen, etwa bei den Themen Fachkräftebedarf, Bü-
rokratieabbau oder Berufsausübungsregelungen, offensiv anzugehen. Ziel ist
es, dass die Freien Berufe auch weiterhin erfolgreich ihre Rolle als maßgebli-
cher Wachstumstreiber in der Sozialen Marktwirtschaft wahrnehmen können.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

• die Unterstützung durch die Bundesregierung für freiberufliche Tätigkeiten
in ihrer gesamten Bandbreite durch das Setzen effektiver Rahmenbedingun-
gen. Qualitätssicherung spielt bei vielen Freien Berufen eine zentrale Rolle.
Sie schafft das notwendige Vertrauen für Verbraucher. Die Qualitätssiche-
rung in den Freien Berufen wird in Deutschland vor allem durch das be-
währte Instrument der beruflichen Selbstverwaltung umgesetzt;

• den Einsatz der Bundesregierung für ein positives und damit realistisches
Bild von Selbstständigen in den Freien Berufen;

• den Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür, dass bei der
Diskussion von Berufsausübungsregelungen der Freien Berufe stets der kon-
krete Einzelfall anhand der nach dem EU-Recht zulässigen Rechtfertigungs-
gründe betrachtet wird. Das sind insbesondere öffentliche Sicherheit und
Ordnung, Schutz der öffentlichen Gesundheit und Umwelt sowie andere
zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie z. B. die Wahrung der Un-
abhängigkeit und Qualität der Berufsausübung;

• den Einsatz der Bundesregierung dafür, dass Freiberufler ihre Tätigkeit im
Einklang mit den Berufspflichten ausüben können und keinen Interessen-
konflikten ausgesetzt sind;

• die grundsätzliche Unterstützung der Bundesregierung für eine Überarbei-
tung der Berufsanerkennungsrichtlinie auf europäischer Ebene: Mit deren
Novellierung sollen die Verfahren zur Anerkennung von im EU-Ausland er-
worbenen Berufsqualifikationen vereinfacht und beschleunigt werden. Dies
nimmt eine Schlüsselstellung für die Steigerung der Mobilität im Binnen-
markt ein. Insbesondere die in der Richtlinie vorgesehene Einführung von
Berufsausweisen kann zu unbürokratischen und damit bürgerfreundlichen
Verwaltungsverfahren beitragen. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass die
Qualität der freiberuflichen Dienstleistungen zum Schutz der Verbraucher
gesichert bleibt. Zu begrüßen ist auch, dass sich die Bundesregierung in den
laufenden Verhandlungen zur Berufsanerkennungsrichtlinie im Sinne des
Subsidiaritätsprinzips für eine Reduzierung der Ermächtigungsnormen zum
Erlass von delegierten Rechtsakten durch die Kommission einsetzt;

• die Initiativen der Bundesregierung, das deutsche Gesellschaftsrecht auch
für selbstständige Freiberufler attraktiver zu machen. Dadurch können der
deutsche Wirtschaftsstandort und das deutsche Rechtssystem gestärkt und
wettbewerbsfähiger gestaltet und eine weitere Abwanderung zu auslän-
dischen Gesellschaftsformen wie „Limited“ und „LLP“ abgemildert werden;

• die Position der Bundesregierung, sich bei der Harmonisierung des Daten-
schutzes auf europäischer Ebene für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen
dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kollidierenden

Grundrechten, wie der Berufsfreiheit einzusetzen. Viele Freiberufler sind

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13714

Berufsgeheimnisträger. Die teilweise gesetzlich gebotene Verschwiegenheit
zwischen ihnen und ihren Patienten, Mandanten, Klienten oder Kunden ist
grundlegend für die Tätigkeit des Freiberuflers; unverhältnismäßige Infor-
mationspflichten über die Verarbeitung personenbezogener Daten werden
vermieden. Die Möglichkeit der Einwilligung von Betroffenen als Grund-
lage einer Datenverarbeitung bleibt weiterhin gegeben;

• die verschiedenen Initiativen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Fach-
kräftemangels. Die Freien Berufe schaffen Wachstum und sind innovativ. Um
ihre Wachstumspotenziale zu erschließen, brauchen die Freien Berufe quali-
fizierte Mitarbeiter. Sie profitieren von der Unterstützung durch die Bundes-
regierung im Rahmen der Fachkräfteoffensive, zu deren Hauptaktionsfeldern
die vorrangige Aktivierung inländischer Fachkräftepotenziale und, da dies
nicht ausreicht, die verstärkte Werbung um qualifizierte Fachkräfte aus dem
Ausland zählen. Dazu gehört z. B. die konsequente Beschäftigungssicherung
Älterer wie auch die verstärkte Nutzung des Arbeitskräftepotenzials von
Frauen, etwa durch Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf;

• die Entlastungen, die beim Bürokratieabbau in den Bereichen Wirtschaft,
Verwaltung und bei den Bürgerinnen und Bürgern bereits erzielt wurden,
insbesondere die nachweislich dauerhafte Entlastung der Wirtschaft um rund
12 Mrd. Euro jährlich im Vergleich zu 2006. Bessere Rechtsetzung und
Bürokratieabbau kommen gerade auch den Freien Berufen zugute. Der
Deutsche Bundestag begrüßt die weiteren Initiativen der Bundesregierung
für eine bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau auf nationaler Ebene.
Dazu gehören die Stärkung und Weiterentwicklung der Folgenabschätzung,
die systematische Evaluierung neuer Regelungsvorhaben, bei denen ein Er-
füllungsaufwand von über 1 Mio. Euro für Wirtschaft, Verwaltung oder für
Bürgerinnen und Bürger zu erwarten ist, sowie Pilotprojekte, die rechtsüber-
greifend den Erfüllungsaufwand ermitteln und zu reduzieren suchen;

• den Einsatz der Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine ambitio-
nierte Agenda der Europäischen Union zur intelligenten Regulierung sowie
in diesem Zusammenhang die wichtige Rolle der „Hochrangigen Gruppe im
Bereich Verwaltungslasten“.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel

1. den Abbau bürokratischer Belastungen und Hemmnisse auf nationaler
Ebene gerade auch mit Blick auf die Freien Berufe konsequent fortzuführen
und die systematische Evaluierung neuer, wesentlicher Regelungsvorhaben
im Sinne einer besseren Rechtsetzung weiterzuentwickeln;

2. sich verstärkt dafür einzusetzen, dass auch zur Bekämpfung des Fachkräfte-
mangels im Bereich der Freien Berufe die gesamte Palette der Maßnahmen
und Instrumente zum Tragen gebracht und dabei das hohe Bildungs- und
Ausbildungsniveau gewahrt wird;

3. dafür Sorge zu tragen, dass bei der Reform des Urheberrechts das Verhältnis
von Urheber und Verbraucher rechtssicher an die Herausforderungen und
die veränderten Rahmenbedingungen angepasst, der Zugang der Allgemein-
heit zu Wissen und Kultur gewahrt und gleichzeitig die Erwerbsgrundlagen
der Urheber kreativ-schöpferischer Leistungen gesichert werden; ferner dar-
auf zu achten, dass die Grenzen des Urheberrechts zu den gewerblichen
Schutzrechten rechtssicher ausgestaltet werden;

4. daran festzuhalten, dass die Freien Berufe nicht der Gewerbesteuer unter-

liegen;

Drucksache 17/13714 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. sich dafür einzusetzen, dass nach der Organisationsreform nun auch die
Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung geprüft werden, um sie so
zielgenau und effizient wie möglich auszugestalten;

6. sich weiterhin dafür einzusetzen, dass die positiven Effekte der freiberuf-
lichen Selbstverwaltung und berufsrechtlichen Regelungen angemessen
berücksichtigt werden und die Qualitätssicherung und wirtschaftliche Un-
abhängigkeit bei Freien Berufen nicht unterminiert wird; ferner stabile
Rahmenbedingungen für die Altersversorgungssysteme der Freien Berufe
zu gewährleisten und eine verlässliche Friedensgrenze zur gesetzlichen
Rentenversicherung beizubehalten;

7. zu prüfen, inwieweit gerade auch mit Blick auf die Freien Berufe weitere
Maßnahmen zur Fachkräftemobilisierung ergriffen werden können, etwa
im Rahmen der gemeinsamen Fachkräfteoffensive;

8. sich weiterhin für ein positives Bild der Freien Berufe in der Allgemeinheit
einzusetzen und in regelmäßigen Abständen einen Bericht zur Lage der
Freien Berufe vorzulegen;

9. sich auf europäischer Ebene weiterhin für eine branchenspezifische sach-
gerechte Diskussion der Berufsausübungsregelungen der Freien Berufe
einzusetzen und dabei die Vorteile des deutschen Systems der beruflichen
Selbstverwaltung hervorzuheben;

10. sich bei der Novellierung des Datenschutzes auf europäischer Ebene für die
Schaffung eindeutiger Regelungen zum Verhältnis zwischen dem Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung und kollidierenden Grund-
rechten wie der Berufsfreiheit einzusetzen; im Einzelnen darauf zu achten,
dass die Informations- und Auskunftsrechte der betroffenen Person über
eine Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten nicht mit den Ver-
schwiegenheitspflichten der Freiberufler kollidieren und nicht zu einer Stö-
rung des Vertrauensverhältnisses zwischen Freiberufler und seinem Patien-
ten, Mandanten oder Klienten führen.

Berlin, den 4. Juni 2013

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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