BT-Drucksache 17/13627

Themen und Ergebnisse der Ausländerreferentenbesprechung im Frühjahr 2013

Vom 16. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13627
17. Wahlperiode 16. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Frank Tempel, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Themen und Ergebnisse der Ausländerreferentenbesprechung im Frühjahr 2013

Bei der Ausländerreferentenbesprechung (ARB) handelt es sich um ein im Re-
gelfall halbjährliches Treffen von Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und
der Länder auf der Referatsleitungsebene, um sich zu aktuellen Fachfragen des
Ausländerrechts auszutauschen und zu verständigen. Gegenstand der Bespre-
chung können aktuelle Gerichtsurteile, Probleme der ausländerbehördlichen
Praxis oder Fragen der Umsetzung neuer Gesetzesvorschriften, aber auch eher
technische Fragen des Verwaltungshandelns sein. Teilweise geht es um Pro-
bleme, die nur kleine Personengruppen betreffen, teilweise aber auch um grund-
sätzliche Fragen und Richtungsentscheidungen. Obwohl die Beteiligten der
ARB nicht durch entsprechende Weisungen bevollmächtigt sind und auch keine
verbindlichen Entscheidungen treffen, können sich aus diesem regelmäßigen
Austausch auf der Fachebene wichtige Impulse für neue Gesetzgebungsvorha-
ben oder auch Empfehlungen für die ausländerbehördliche Praxis ergeben.

Dieser wichtigen Bedeutung der ARB entspricht es nicht, dass das Gremium
weitgehend im Verborgenen handelt und keinerlei Informationen über die jewei-
ligen Beratungen an die Öffentlichkeit gelangen. Eine demokratische Kontrolle
und kritische Wahrnehmung dieses wichtigen Koordinierungstreffens im Be-
reich des Aufenthaltsrechts ist damit kaum möglich.

Eine Übersicht der auf der ARB von Ende März 2012 in Berlin besprochenen
Themen und Vereinbarungen ist der Antwort der Bundesregierung vom 3. Sep-
tember 2012 auf die Schriftliche Frage 13 der Abgeordneten Ulla Jelpke zu ent-
nehmen (Bundestagsdrucksache 17/10606). Auf Bundestagsdrucksache 17/11581
gibt es Informationen zu weiteren ARB, jedoch verweigerte die Bundesregie-
rung an dieser Stelle – im Gegensatz zu vorherigen Antworten – nähere Aus-
künfte zu den Inhalten getroffener Vereinbarungen: „Eine Kundgabe der Bespre-
chungsinhalte und -ergebnisse könnte regelmäßig dazu führen, dass laufende
oder künftige Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung der parlamentari-
schen Kontrolle unterworfen würden, bevor sich die Bundesregierung zu einzel-
nen Problembereichen selbst positioniert hat. Eine Pflicht der Regierung, parla-
mentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht aber in aller Regel
dann nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidun-
gen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Die

Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich daher grundsätzlich nur auf
bereits abgeschlossene Vorgänge und umfasst nicht die Befugnis, in laufende
Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 124,
78 [120f.])“ (Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache
17/11581).

Dies überzeugt nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht: Der
schutzbedürftige Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bezieht sich auf

Drucksache 17/13627 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

die „Willensbildung der Regierung selbst“, wie es in der von der Bundesregie-
rung herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Rn. 122
heißt. Hierzu zählen „Erörterungen im Kabinett“ und die „Vorbereitung von
Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergrei-
fenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht“ (ebd.). Bei den ARB
handelt es sich aber gerade nicht um eine interne Abstimmung oder Willensbil-
dung innerhalb der Bundesregierung, sondern um – so die Bundesregierung –
einen zwanglosen fachlichen Austausch von Bund- und Ländervertretern, bei
dem keine politischen Leitentscheidungen und auch sonst keine verbindlichen
Entscheidungen getroffen werden. Zwar könne es „fachliche Impulse für spätere
Gesetzgebung geben“, Ergebnisse der ARB gäben aber keine „abgestimmte ein-
heitliche Haltung der Bundesregierung“ wieder und könnten „die Abstimmung
innerhalb der Bundesregierung weder ersetzen … noch ihr vorgreifen“ (vgl.
Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/11581).
Deshalb ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Bekanntgabe von unverbindli-
chen Ergebnissen eines Gremiums außerhalb der Bundesregierung als ein Bereich
der schützenswerten Willensbildung innerhalb der Bundesregierung angesehen
werden könnte.

In Bezug auf bereits abgeschlossene Vorgänge gilt der Schutzbereich exekutiver
Eigenverantwortung ohnehin nur eingeschränkt, die Bundesregierung muss in
diesen Fällen konkret darlegen, dass „die Herausgabe solcher Informationen die
Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen
würde“ (BVerfGE 124, 78, Rn. 126), zudem wäre die Nähe oder Ferne zur
gubernativen Entscheidungsebene (insbesondere Kabinett) zu berücksichtigen
– die ARB ist hiervon weitestmöglich entfernt. Eine Gefährdung des Staats-
wohls als möglicher Grund einer nur beschränkten Auskunftspflicht ist ohnehin
nicht ersichtlich.

Schließlich ist die von der Bundesregierung gegebene Begründung auch deshalb
nicht nachvollziehbar, weil sie zuvor bereits zweimal auf gleichgelagerte Fragen
zu Inhalten und Ergebnissen von Ausländerreferentenbesprechungen uneinge-
schränkt geantwortet hat (vgl. Bundestagsdrucksachen 17/10606, zu Schriftliche
Frage 13 und 17/9719 zu Frage 5), ohne dass in Kenntnis dieser Antworten auch
nur im Ansatz ersichtlich wäre, inwieweit hierdurch in die freie Willensbildung
und Entscheidungsvorbereitung der Bundesregierung eingegriffen worden wäre.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, durch eine Bekannt-
gabe der Ergebnisse der Besprechungen der ARB würden laufende oder
künftige Abstimmungsprozesse innerhalb der Bundesregierung einer parla-
mentarischen Kontrolle unterworfen, was zum Mitregieren Dritter führen
könne, in Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Fragesteller in ihrer
Vorbemerkung, und insbesondere angesichts des Umstands, dass

a) die Bundesregierung zuvor zweimal ohne Einschränkungen solche Aus-
künfte zu Inhalten und Ergebnissen der ARB erteilt hat (Bundestagsdruck-
sache 17/10606, Schriftliche Frage 13 und Bundestagsdrucksache 17/9719,
Antwort zu Frage 5),

b) in Kenntnis der auf den angegebenen Bundestagsdrucksachen nachzule-
senden Antworten der Bundesregierung für die Fragesteller nicht einmal
im Ansatz nachvollziehbar ist, inwieweit diese Antworten Abstimmungs-
prozesse innerhalb der Bundesregierung beeinflussen oder zu einem „Mit-
regieren Dritter“ führen könnten,

c) lediglich allgemein Ergebnisse abgefragt wurden und ausdrücklich nicht

erbeten wurde, kenntlich zu machen, wer welche Position eingenommen
hat,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13627

d) die ARB kein Bestandteil der Bundesregierung ist und schon deshalb nicht
dem Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung unterfällt

(bitte die Unterfragen jeweils getrennt und begründet beantworten sowie
ausführen, was sich seit den Antworten der Bundesregierung auf die
Bundestagsdrucksachen 17/10606 und 17/9719 geändert hat, und wie die
Bundesregierung die Ungleichbehandlung begründet)?

2. Inwiefern unterfallen Fragen nach den Themen, zu welchen sich die Bundes-
regierung mit den Bundesländern im Bereich des Asyl- und Aufenthalts-
rechts mit welchen Ergebnissen bespricht, und welche Vereinbarungen dabei
gegebenenfalls getroffen werden, den laufenden Verhandlungen und Ent-
scheidungsvorbereitungen und sind damit der parlamentarischen Kontrolle
entzogen?

3. Inwieweit betrifft die – beispielhafte – Angabe: „Ergebnis der ARB-Bera-
tung: das Urteil hat keine Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage“ (zu
TOP 8 der ARB vom 14. und 15. April 2010, Bundestagsdrucksache 17/
9719, Frage 5, S. 5) laufende oder künftige Abstimmungsprozesse innerhalb
der Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass es doch offenkundig keiner-
lei Aktivitäten der Bundesregierung zur Umsetzung des Urteils geben wird?

4. Inwieweit betrifft die – beispielhafte – Angabe: „Ergebnis der ARB-Bera-
tung: Diskussion der Rechtspraxis“ (zu mehreren TOP verschiedener ARB,
vgl. Bundestagsdrucksache 17/9719, Frage 5, S. 5) laufende oder künftige
Abstimmungsprozesse innerhalb der Bundesregierung vor dem Hintergrund,
dass diese Antwort offenkundig keinerlei inhaltliche Angabe zur Rechtsauf-
fassung oder geplanten Aktivitäten der Bundesregierung erkennen lässt?

5. Wie ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksa-
che 17/11581, Angaben über etwaige Besprechungsergebnisse könnten nicht
gemacht werden, da hierüber zwischen den Teilnehmern noch ein Konsens
hergestellt werden müsse, genau zu verstehen?

a) Warum macht die Bundesregierung entsprechende Angaben, wenn sie
gleichzeitig ausführt, eigentlich grundsätzlich keine Angaben zu solchen
Ergebnissen machen zu wollen?

b) Ist dies so zu verstehen, dass Angaben gemacht würden, wenn die Teilneh-
mer ihr Einverständnis hierzu im Konsens gegeben hätten, und wenn ja,
inwieweit ist bei der Bekanntgabe von Ergebnissen vorheriger ARB durch
die Bundesregierung dieses Einverständnis eingeholt worden, und wenn
nein, warum nicht?

c) Ist dies so zu verstehen, dass Angaben – theoretisch – erst gemacht werden
könnten, wenn ein Protokoll vorliegt, das im Konsens beschlossen werden
muss, und wenn ja, warum macht die Bundesregierung die Bekanntgabe
ihr vorliegender Informationen gegenüber Abgeordneten des Parlaments
von einer Zustimmung oder Richtigkeitskontrolle von Ländervertretern
abhängig?

6. Wer führt bei den ARB-Protokoll, wie ist das vereinbarte Verfahren im
Umgang mit diesen Protokollen, wann liegen sie im Regelfall vor, und in
welchen Bundesländern werden ARB-Protokolle auch an nachgeordnete
Behörden weitergegeben, in welchen nicht, und wie ist nach Kenntnis der
Bundesregierung die jeweilige Begründung in den Bundesländern hierfür?

7. Welche Themen wurden mit welchem Ergebnis auf der ARB vom 9. und
10. Oktober 2012 besprochen (Wiederholung der Frage 1 auf Bundestags-
drucksache 17/11581, weil in der Antwort der Bundesregierung lediglich die
besprochenen Themen und nicht die Ergebnisse genannt worden sind; bitte

grundsätzlich etwas detailliertere Angaben machen, um den debattierten

Drucksache 17/13627 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Gegenstand, vorgebrachte Argumente und Informationen und die ge-
troffenen Vereinbarungen nachvollziehen zu können; die Angabe „TOP 7:
Kindernachzug nach § 32 AufenthG“ beispielsweise, lässt überhaupt nicht
erkennen, worum genau es bei diesem TOP ging)?

8. Wie lauten die Antworten zu den Fragen 4, 7, 9, 10, 14, 15, 20, 25, 26, 33
auf Bundestagsdrucksache 17/11581, die mit aus Sicht der Fragesteller un-
zulässigem Hinweis auf eine geschützte exekutive Eigenverantwortung
nicht bzw. nur teilweise beantwortet wurden?

9. Welche Probleme im Zusammenhang des § 28 AufenthG mit Blick auf die
Regelung des § 8 Absatz 3 Satz 6 AufenthG gibt es nach Ansicht einiger
Teilnehmer (Nachfrage zu Frage 5 auf Bundestagsdrucksache 17/11581, die
immer noch nicht nachvollziehbar beantwortet wurde)?

10. Was beinhaltet das mittlerweile vermutlich ergangene Rundschreiben zur
Feststellung eines erkennbar geringen Integrationsbedarfs im Rahmen des
§ 30 Absatz 1 Satz 3 Nummer 3 AufenthG (Nachfrage zu Frage 6 auf Bun-
destagsdrucksache 17/11581)?

11. Welche Themen wurden mit welchem Ergebnis auf der ARB vom 9. und
10. April 2013 besprochen (bitte darstellen, wie auf Bundestagsdrucksache
17/10606 zu Frage 13 bzw. 17/9719 zu Frage 5, jedoch etwas detaillierter,
um den debattierten Gegenstand, vorgebrachte Argumente und Informatio-
nen und die getroffenen Vereinbarungen nachvollziehen zu können)?

12. Wann ist die nächste ARB geplant?

Berlin, den 16. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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