BT-Drucksache 17/13577

Zukunft der Traditionsschifffahrt in Deutschland

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13577
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Gabriele Hiller-Ohm, Hans-Joachim Hacker,
Sören Bartol, Martin Burkert, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck,
Michael Groß, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann,
Florian Pronold, Dr. Hans-Peter Bartels, Ingo Egloff, Karin Evers-Meyer,
Bettina Hagedorn, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Sönke Rix,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen, Franz Thönnes,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Zukunft der Traditionsschifffahrt in Deutschland

Die Traditionsschifffahrt leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der mariti-
men Kultur und des Schiffshandwerks in Deutschland. Traditionsschiffe sind
Mittelpunkt vieler Museumshäfen und -werften und tragen zum Erfolg von
maritimen Großveranstaltungen wie der Kieler und Travemünder Woche, der
Sail Bremerhaven oder der Hanse Sail bei. Damit fördern sie nicht nur den
maritimen Tourismus, sondern sind auch ein wichtiger Teil der kulturellen
Identität der Küstenregionen.

Der Status als Traditionsschiff begründet bestimmte Ausnahmen von den Be-
stimmungen der allgemeinen Passagierschifffahrt. So dürfen die Betreiber von
Traditionsschiffen Gäste an Bord nehmen und Deckungsbeiträge erheben, um
den Erhalt der Schiffe zu finanzieren. Die Anforderungen an Traditionsschiffe
ergeben sich aus der im Jahr 2001 erlassenen Sicherheitsrichtlinie. Der darin
enthaltene Begriff „historisches Wasserfahrzeug“ hat in der Vergangenheit wie-
derholt für Diskussionen gesorgt. Denn die Rechtsprechung hat die Grenzen für
die Anerkennung als Traditionsschiff zuletzt sehr eng gefasst; gefordert wird,
dass die Schiffe ihren ursprünglichen Zustand bewahrt haben müssen oder die-
ser wiederhergestellt wird. Diesen Vorgaben entsprechen viele Schiffe, die häu-
fig im Laufe von Jahrzehnten wiederholt für unterschiedliche Zwecke umge-
baut wurden und heute in der Regel in privatem Besitz sind oder von gemein-
nützigen Vereinen betrieben werden, nicht.

Immer häufiger verweigert die Berufsgenossenschaft für Transport und Ver-
kehrswirtschaft (BG-Verkehr/früher: See-Berufsgenossenschaft) Schiffen unter
Hinweis auf den Rechtsbegriff der „historischen Wasserfahrzeuge“ in der
Sicherheitsrichtlinie jedoch die Zulassung und verweist auf die Möglichkeit,
diese künftig als gewerbliche Schiffe zu führen. Die Einstufung als Berufs-

schiff würde jedoch für viele der heutigen Traditionsschiffe das Aus bedeuten,
da sie dann von einem Kapitän mit Patent geführt werden müssten und nur
noch zwölf Personen mit auf Fahrt nehmen dürften.

Traditionsschiffe sind Kernstück vieler Museumshäfen an der deutschen Nord-
und Ostseeküste und tragen dazu bei, traditionelle Arbeiten und Techniken im
Hafen und damit einen wichtigen Teil der maritimen Handwerks- und Sozialge-

Drucksache 17/13577 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schichte in Deutschland erlebbar zu machen. Die restriktive Zulassungspraxis
für die Traditionsschiffe gefährdet daher auch die Zukunft der Museumshäfen
und vieler weiterer Angebote des maritimen Tourismus in Deutschland.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich die Zahl der Traditionsschiffe in Deutschland nach Kenntnis
der Bundesregierung seit dem Jahr 2000 entwickelt, und wie viele dieser
Schiffe sind in Museumshäfen beheimatet?

2. Wie viele Sicherheitszeugnisse für Traditionsschiffe, die in der Regel für die
Dauer von fünf Jahren ausgestellt werden, laufen nach Kenntnis der Bundes-
regierung in diesem Jahr aus (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent an-
geben)?

3. Wie viele Anträge auf Erneuerung der Zulassung als Traditionsschiff sind
nach Informationen der Bundesregierung seit dem Jahr 2011 gestellt wor-
den, und wie viele davon wurden von der BG-Verkehr negativ beschieden
(bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben)?

a) In wie vielen Fällen erfolgte die Ablehnung unter Hinweis auf den
Rechtsbegriff des „historischen Wasserfahrzeuges“ in der Sicherheits-
richtlinie?

b) Wie viele Anträge sind von den Eignern nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zurückgezogen worden, weil sie den von der BG-Verkehr formulier-
ten Anforderungen hinsichtlich eines originalgetreuen Bauzustandes der
Fahrzeuge bzw. eines „authentischen Bildes einer bestimmten histo-
rischen Schiffsgattung“ nicht nachkommen konnten?

4. Warum ist der bereits für Januar 2013 angekündigte Erlass, der bis zu einer
Neufassung der Sicherheitsrichtlinie aus dem Jahr 2003 von der BG-Verkehr
anzuwenden ist, bisher nicht veröffentlicht worden?

a) Zu welchem Zeitpunkt ist dies nach den derzeitigen Plänen der Bundes-
regierung vorgesehen?

b) Welche Inhalte soll dieser umfassen?

c) Wie viele Zulassungen für Traditionsschiffe sind unter Hinweis auf den
geplanten Erlass seit 2011 unter Vorbehalt und/oder befristet auf drei
Monate vergeben worden?

5. Welchen Inhalt hat die zwischen Vertretern des Bundesministeriums für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), der Gemeinsamen Kommission
für historische Wasserfahrzeuge e. V. sowie der BG-Verkehr im März 2013
vereinbarte Übergangslösung für die Zulassung von Traditionsschiffen?

a) In welchen Punkten unterscheidet sich die Neuregelung von den bisheri-
gen Prüfkriterien?

b) Wie soll insbesondere der Begriff „historisches Wasserfahrzeug“ defi-
niert werden?

c) Welches Ergebnis hatte in diesem Zusammenhang das Gespräch mit Ver-
tretern der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Museumshäfen e. V. (AGDM),
und inwieweit wird das BMVBS die Hinweise der AGDM berücksich-
tigen?

6. Wie viele Schiffe werden nach Einschätzung der Bundesregierung die neuen
Auflagen nicht erfüllen und somit den Status als Traditionsschiff verlieren,
und wie hoch ist ihr Anteil in Prozent der deutschen Traditionsschiffe?
7. Welche Lösungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung für die betroffe-
nen Schiffe?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13577

8. Erwägt die Bundesregierung, für diese Gruppe von Fahrzeugen einen Be-
standsschutz zu gewähren, und wie begründet sie ihre Haltung?

9. Zu welchem Zeitpunkt ist die angekündigte Änderung bzw. Neufassung
der derzeitigen Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe geplant?

10. Zu welchen Ergebnissen ist die Expertenarbeitsgruppe des Ausschusses für
die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmut-
zung durch Schiffe (COSS) bei der Bearbeitung der Richtlinie 2009/45/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates über Sicherheitsvorschriften
und -normen für Fahrgastschiffe in Bezug auf Traditionsschiffe gekommen?

Berlin, den 15. Mai 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.