BT-Drucksache 17/13570

Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten in die Herkunftsländer

Vom 14. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13570
17. Wahlperiode 14. 05. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Frank Tempel
und der Fraktion DIE LINKE.

Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten in die Herkunftsländer

Migrantinnen und Migranten senden durchschnittlich 20 bis 30 Prozent ihres
Einkommens an Familie und Freunde in ihren Herkunftsländern. Anders als
bei Investitions- und sonstigen Finanzströmen stehen hierbei häufig Über-
legungen der Fürsorge im Vordergrund oder die Mittel werden in Kleinstunter-
nehmen meist im informellen Sektor verwendet. Geldüberweisungen in die
Herkunftsländer, oft aus dem Englischen „Remittances“ mit „Rücküberweisun-
gen“ übersetzt, sind ein Ausdruck konkreter Solidarität mit den wirtschaftlich
schwächer gestellten Menschen in den Herkunftsländern der Migrantinnen und
Migranten.

Laut Weltbank haben Migrantinnen und Migranten 2012 die Rekordsumme von
rund 312 Mrd. Euro in ihre Herkunftsländer gesandt. Zum Vergleich: Die Gel-
der für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit betrugen 2011 weltweit
insgesamt etwa 100 Mrd. Euro.

Laut Weltbank haben diese Geldüberweisungen 2012 im Vergleich zum Vorjahr
um 6,5 Prozent zugenommen. Seit der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 stei-
gen die Transfers kontinuierlich. Dieser Trend wird wohl auch weiterhin anhal-
ten. Für 2013 prognostiziert die Weltbank eine Steigerung um 8 Prozent, für
2014 und 2015 sogar um 10 Prozent. Im Jahr 2015 ergäben die weltweiten
Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten in die Herkunftsländer
demnach die gewaltige Summe von 400 Mrd. Euro.

Dabei fallen besonders die Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migran-
ten in die ärmsten 48 Länder der Welt (LDCs) auf, die 2011 ein historisches
Hoch von etwa 20,25 Mrd. Euro erreicht haben. Die Mittel für die offizielle
Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern betrug in diesem Zeitraum
etwa 31,5 Mrd. Euro. Die ausländischen Direktinvestitionen beliefen sich auf
etwa 11,25 Mrd. Euro.

Die finanzielle Unterstützung durch Verwandte und Bekannte im Ausland ist
für viele Menschen in den LDCs eine zentrale Einkommensquelle. In Ländern
mit hohen Abwanderungsraten wie etwa Tadschikistan oder Lesotho summie-

ren sich diese Gelder mittlerweile auf rund ein Viertel des Bruttosozialpro-
dukts. Aber auch auf den Philippinen oder in Bangladesch machen sie mehr als
10 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Diese Mittel leisten besonders in den
LDCs einen großen Beitrag zur Armutsbekämpfung und verbessern unmittel-
bar die Lebenssituation der Empfängerfamilien. Anders als bei vielen Entwick-
lungsprojekten entscheiden bei diesen Geldüberweisungen die Empfänger

Drucksache 17/13570 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

selbst und allein über die Verwendung. Die Unterstützung erreicht so unmittel-
bar die Bedürftigen.

Die Erhebung von verlässlichen Daten über diese Geldtransfers ist jedoch
schwierig. Einige Staaten greifen hierbei auf Bankdaten zurück, andere schätzen
das Volumen der Überweisungen auf der Basis von Haushaltsbefragungen oder
Arbeitsmarktstatistiken. Die Weltbank schätzt, dass etwa ein Drittel der Gelder
auf inoffiziellem Wege in die Herkunftsländer der Migrantinnen und Migranten
gelangen, etwa durch persönlichen Transport oder informelle Dienstleister. Dies
hat mehrere Gründe: Zum einen sind die Transaktionsgebühren bei offiziellen
Überweisungen in Länder des globalen Südens unverhältnismäßig hoch. Geld-
institute kassieren bei Überweisungen in die so genannten Entwicklungsländer
bis zu dreimal mehr Gebühren als sonst. Mit durchschnittlich 12,4 Prozent des
transferierten Betrages sind die Kosten für Überweisungen in die Länder des
subsaharischen Afrikas am höchsten; für Südasien entstehen Kosten in Höhe
von etwa 6,5 Prozent. Der Direktor der UN-Konferenz für Handel und Entwick-
lung (UNCTAD), Anisuzzaman Chowdhury, kritisierte im Dezember 2012, dass
ein viel zu großer Teil dieser Gelder beim Transfer in die Herkunftsländer ver-
loren gehe. Von den 20,25 Mrd. Euro, die die 27,5 Millionen im Ausland leben-
den Staatsangehörigen der LDCs 2012 überwiesen haben, gingen rund 12 Pro-
zent – etwa 2,4 Mrd. Euro – durch Transfergebühren verloren.

Zum anderen haben sowohl viele der Migrantinnen und Migranten als auch der
Empfängerinnen und Empfänger oftmals kein Girokonto zur Verfügung, sei es
wegen unklarem Aufenthaltsstatus oder fehlender Infrastruktur. Ein weiteres
Problem stellt die oft lange und unkalkulierbare Transaktionsdauer dar.

Ein Lösungsansatz für diese Probleme könnte das in Afrika bereits sehr weit
verbreitete System „Mobile Money“ bieten. Der kenianische Mobilfunkanbie-
ter Safaricom hat 2007 den Dienst M-Pesa gestartet. Mehr als 20 Millionen
Mobilfunknutzer können mit ihm Telefonguthaben so einfach versenden wie
eine SMS. Das Guthaben kann landesweit in Kiosken bar ausgezahlt werden.
Auch Banküberweisungen von Familienmitgliedern aus dem Ausland werden
heute teilweise per Mobiltelefon abgewickelt. Weltweit nutzen schon jetzt
82 Millionen Menschen die Möglichkeit der Überweisung mit Hilfe von Mobil-
telefonen, 70 Prozent davon leben in Ländern des subsaharischen Afrika.

Regierungen, internationale Organisationen und bilaterale Entwicklungsinstitu-
tionen haben in der Vergangenheit versucht, die entwicklungsfördernde Wir-
kung der Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten durch die
Schaffung von Anreizen und die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu
verstärken. Dies ist durch eine Formalisierung und Verbilligung der Transfers
sowie Anreize zu einer produktiven Verwendung der Gelder möglich. Die
Erfolge der bisherigen Maßnahmen sind allerdings beschränkt. So besteht wei-
terhin eine dringende Notwendigkeit, die anfallenden Kosten bei Geldüberwei-
sungen deutlich zu reduzieren.

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH be-
treibt die Webseite „GeldtransFAIR.de.“ mit dem Ziel, die Konditionen für
Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten aus Deutschland in ihre
Herkunftsländer transparenter zu machen und so die Kosten zu senken. Die
Umsetzung der Webseite erfolgte in Kooperation mit der Frankfurt School of
Finance & Management GmbH im Rahmen einer Public Private Partnership
(PPP). Insgesamt vermittelt die Seite jedoch den Eindruck, nicht besonders stark
genutzt zu werden. Der letzte Eintrag im Forum der Seite stammt vom
8. November 2011.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13570

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Werden von der Bundesregierung systematische Daten über Geldüberwei-
sungen von in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten in ihre
Herkunftsländer erfasst?

a) Wenn ja, auf welcher Basis und von welcher Institution werden die Daten
erhoben?

b) Wenn nein, aus welchen Gründen werden solche Daten nicht erhoben?

2. Welche entwicklungspolitische Bedeutung räumt die Bundesregierung den
Geldüberweisungen von in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migran-
ten in ihre Herkunftsländer ein?

a) Liegen der Bundesregierung Analysen über die entwicklungspolitische
Wirkung dieser Transferleistungen vor?

Wenn ja, aus welchen Quellen, und mit welchen Ergebnissen?

b) Welche Rückschlüsse und Konsequenzen für die eigene entwicklungs-
politische Arbeit zieht die Bundesregierung aus der Erkenntnis, dass
Geldüberweisungen von Migrantinnen und Migranten einen sehr bedeu-
tenden positiven Einfluss auf die Entwicklung von Ländern des globalen
Südens und insbesondere auf LDCs haben?

c) Kann sich die Bundesregierung vorstellen, in die eigene entwicklungs-
politische Arbeit feste und regelmäßige direkte Geldtransfers an Menschen
in Entwicklungsländern und speziell LDCs zur Förderung der Eigenver-
antwortung und der wirtschaftlichen Entwicklung aufzunehmen – hierbei
beispielsweise dem Vorbild des in Namibia bisher mit beachtenswerten
Erfolgen umgesetzten „Basic Income Grants“ (BIC) folgend?

3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Höhe der Beträge
der jährlichen Geldüberweisungen von in Deutschland lebenden Migrantin-
nen und Migranten insgesamt

a) nach Empfängerstaaten und

b) in die 48 am wenigsten entwickelten Länder der Welt (LDCs) aufge-
schlüsselt vor?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Genauigkeit der vorliegenden Daten zu
Geldüberweisungen aus Deutschland ein?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bezüglich der Summe der
für die Zukunft geschätzten Geldüberweisungen insgesamt vor?

6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Transferkosten bei
Geldüberweisungen aus Deutschland in die verschiedenen Länder vor?

7. Für welche Länder sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Transfer-
kosten bei Überweisungen prozentual am höchsten (bitte die Staaten mit den
zehn höchsten anfallenden Überweisungsgebühren nennen)?

8. Über welche Geldtransferfirmen werden nach Kenntnis der Bundesregierung
Überweisungen in erster Linie abgewickelt, und mit welchen jeweiligen
Finanzvolumina (bitte die Firmen nach ihrer Bedeutung, sowohl den jewei-
ligen Transfervolumina wie auch den jeweils eingenommenen Gebührenein-
nahmen auflisten)?

Drucksache 17/13570 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
9. Teilt die Bundesregierung die Forderung vieler entwicklungspolitischer
Organisationen (vgl. Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregie-
rungsorganisationen e. V. – VENRO, Standpunkt 1/2013), die eine deut-
liche Reduzierung der Kosten für die Transfers fordern?

a) Welche konkreten Initiativen hat die Bundesregierung unternommen,
um eine Regulierung, Formalisierung und Verbilligung der Transfers zu
erreichen?

b) Welche konkreten Initiativen gegenüber Banken und Finanzdienstleis-
tern hat die Bundesregierung unternommen, um eine Senkung der teil-
weise gegenüber dem tatsächlichen Aufwand überhöhten Transferkosten
in die Herkunftsländer zu erreichen?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen ein, durch das Konzept
„Mobile Money“ in Zukunft Geldüberweisungen auch an Empfängerinnen
und Empfänger ohne eigenes Bankkonto kostengünstiger und somit ent-
wicklungsfördernder gestalten zu können?

11. Fördert die Bundesregierung in ihrer gegenwärtigen Entwicklungszusam-
menarbeit bereits das System „Mobile Money“?

Wenn ja, wo?

12. Wie hoch sind die monatlichen Zugriffe auf die Webseite „GeldtransFAIR.de.“
seit ihrer Inbetriebnahme?

a) Wie hoch sind die Kosten für den Unterhalt der Seite?

b) Wie wird die Webseite beworben?

13. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Public-Private-Partnership
mit der Frankfurt School of Finance & Management GmbH vertraglich
ausgestaltet?

14. Wer hat die Bundesregierung auf der Weltbankkonferenz „Remittance
Prices Worldwide“ im November 2012 vertreten?

a) Welche Positionen hat die Bundesregierung in dieser Konferenz vertre-
ten?

b) Zu welchen Ergebnissen ist man bei der Konferenz gekommen?

Berlin, den 14. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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