BT-Drucksache 17/13484

Duale Ausbildung exportieren - Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union bekämpfen, kooperative Berufsbildung weltweit steigern

Vom 14. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13484
17. Wahlperiode 14. 05. 2013

Antrag
der Abgeordneten Uwe Schummer, Dr. Thomas Feist, Albert Rupprecht (Weiden),
Michael Kretschmer, Eberhard Gienger, Michael Grosse-Brömer, Monika Grütters,
Florian Hahn, Anette Hübinger, Dr. Stefan Kaufmann, Ewa Klamt, Axel Knoerig,
Stefan Müller (Erlangen), Dr. Philipp Murmann, Tankred Schipanski, Marcus
Weinberg (Hamburg), Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Heiner Kamp, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Sylvia
Canel, Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, Florian Bernschneider, Jörg von
Polheim, Manfred Todtenhausen, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Duale Ausbildung exportieren – Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen
Union bekämpfen, kooperative Berufsbildung weltweit steigern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach Angaben von Eurostat waren im vierten Quartal 2012 8 Prozent der
Jugendlichen in Deutschland arbeitslos. Das ist die niedrigste Quote innerhalb
der Europäischen Union. Unter den zehn Regionen mit der niedrigsten Jugend-
arbeitslosenquote in der Europäischen Union waren 2011 sieben Regionen aus
Deutschland vertreten, unter anderem belegten Tübingen, Oberbayern und
Freiburg die Plätze eins bis drei. In einer Zeit, in der europaweit im Durch-
schnitt jeder Vierte unter 25 Jahren ohne Arbeit ist und in Ländern wie Griechen-
land und Spanien die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent liegt, erweist
sich das deutsche duale Ausbildungssystem als internationales Erfolgsmodell.
Es ist ein Garant für die geringe Jugendarbeitslosigkeit und für gut ausgebildete
Fachkräfte, weil es zu einem qualitativ hochwertigen Berufsabschluss führt.
Die Verzahnung von beruflicher Praxis im Betrieb und theoretischer Fundie-
rung in der Berufsschule erleichtert den Jugendlichen den Einstieg in das
Arbeitsleben. Gleichzeitig stellt es den Unternehmen die notwendigen Fach-
kräfte zur Verfügung und ist somit auch eine tragende Säule für die Wirtschafts-
kraft und Exportnation Deutschland.

Ob in Europa, den USA, Russland, China oder Indien: Weltweit genießt das
deutsche Berufsbildungssystem einen hervorragenden Ruf. Die Europäische
Kommission hat in ihrem Bericht vom 30. Mai 2012 zur Situation in Deutsch-
land formuliert: „Garant für die Heranziehung qualifizierter Arbeitskräfte und

eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit ist das duale Ausbildungssystem.“ In
ihrem Strategiepapier „Neue Denkansätze für die Bildung: Bessere sozioöko-
nomische Ergebnisse durch Investitionen in Qualifikationen“ vom November
2012 hat die Europäische Kommission für Deutschland hervorgehoben, dass es
über ein „Ausbildungssystem von Weltrang“ verfügt. Sie empfiehlt deshalb
unter anderem die „Entwicklung hochwertiger dualer Berufsbildungssysteme
entsprechend den länderspezifischen Gegebenheiten.“

Drucksache 17/13484 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach einer erfolgreichen deutsch-spanischen Ministerkonferenz zur beruf-
lichen Bildung auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und For-
schung (BMBF) im Juli 2012 in Stuttgart wuchs das Interesse weiterer euro-
päischer Staaten an entsprechenden Kooperationen mit der Bundesrepublik
Deutschland. Neben einer Vielzahl bilateraler Kooperationsvereinbarungen in
der beruflichen Bildung, u. a. mit Portugal, Spanien, Italien und Griechenland,
vereinbarten Spanien, Griechenland, Portugal, Italien, die Slowakei und Lett-
land auf einer Ministerkonferenz auf Einladung des BMBF im Dezember 2012
in Berlin mit Deutschland, dass sie unter Beteiligung der Europäischen Kom-
mission künftig bei der Reform ihrer Ausbildungssysteme eng mit Deutschland
zusammenarbeiten werden. Ziel ist die effektive Senkung der grassierenden
Jugendarbeitslosigkeit beispielsweise in den Ländern Südeuropas bei zeit-
gleicher Bekämpfung des Fachkräftemangels in Mittel- und Nordeuropa. In den
Partnerländern werden 30 regionale Ausbildungsnetzwerke geschaffen und
beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wird auf Initiative des BMBF
eine Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation eingerichtet,
um der steigenden internationalen Nachfrage zum deutschen Berufsbildungs-
system gerecht zu werden. Über ein europäisches Peer Learning Forum soll ein
kontinuierlicher Lern- und Erfahrungsaustausch zwischen allen interessierten
Staaten der Europäischen Union initiiert werden.

Die praxisnahe Ausbildung ist die Versicherung Deutschlands gegen Jugend-
arbeitslosigkeit und den Fachkräftemangel. Diese speziellen Erfahrungen sollten
interessierten Staaten beim Aufbau ihrer eigenen länderspezifischen Berufs-
bildungssysteme zur Verfügung gestellt werden. Aber nicht nur in Europa, son-
dern in der ganzen Welt versuchen Staaten, das deutsche Modell in der Berufs-
ausbildung zu übernehmen. In den USA lobte beispielsweise der Präsident
Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation im Februar dieses Jahres das
deutsche System, weil es die Jugendlichen gut auf einen Arbeitsplatz vorbereitet.
Die duale Ausbildung aus Deutschland entwickelt sich zu einem international
stark nachgefragten Produkt – zu einem weiteren Exportschlager „Made in Ger-
many“.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat zur Verwirklichung des
Ziels im Koalitionsvertrag, Exportweltmeister in der beruflichen Bildung zu
werden, konsequent Maßnahmen zum Marketing des deutschen dualen Sys-
tems ergriffen. Mit der BMBF-Initiative iMOVE werden deutsche Bildungs-
anbieter vorbereitet und unterstützt, internationale Bildungsmärkte zu erschlie-
ßen. Zur Systematisierung und Professionalisierung des Berufsbildungsexports
fördert das BMBF zudem FuE-Projekte (FuE = Forschung und Entwicklung)
zur Entwicklung eines Instrumentenkastens auf der Basis innovativer Vor-
gehensweisen.

Mit zahlreichen Staaten wie Brasilien, Russland, Indien, China, der Türkei u. a.
unterhält das BMBF bilaterale Kooperationsabkommen in der beruflichen
Bildung, die über regelmäßig tagende Arbeitsgruppen institutionalisiert und mit
strategischen Zielsetzungen und konkreten Maßnahmen unterlegt sind. Mit
Südafrika und vielen Ländern Lateinamerikas bestehen enge Kooperations-
beziehungen, die teilweise an die langjährige erfolgreiche Entwicklungszusam-
menarbeit zwischen Deutschland und diesen Staaten in der beruflichen Bildung
anknüpfen. Allein das BIBB unterhält rund 30 Kooperationsbeziehungen mit
Partnereinrichtungen weltweit.

Auch die Instrumentenvielfalt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
orientiert sich an den erfolgreichen Schlüsselmerkmalen der dualen Berufsaus-
bildung in Deutschland:

– enge Kooperation von Staat und Wirtschaft
– lernen im Arbeitsprozess

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13484

– gesellschaftliche Akzeptanz allgemeinverbindlicher Standards

– Qualifizierung von Berufsbildungspersonal

– institutionalisierte Berufsbildungsforschung.

In diesem Sinne werden die bewährten Instrumente der beruflichen Bildung ein-
gesetzt und ausgebaut. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) unter-
stützt u. a. den Dialog zwischen Staat und Wirtschaft, die Erarbeitung von über-
betrieblichen Berufs-, Ausbildungs- sowie Prüfungsstandards oder die Entwick-
lung von Qualifizierungsprogrammen für diejenigen, die als Lehrer, Ausbilder,
Schulleiter oder Bildungsplaner im Bereich der Aus- und Weiterbildung tätig
sind. Flankiert werden diese Maßnahmen durch den Aufbau und die Ausstattung
von Berufsschulen und Technologiekompetenzzentren, die Entwicklung von
nachhaltig wirksamen Finanzierungsmodellen, die institutionelle Vernetzung
von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage sowie die begleitende Organisations-
entwicklung.

Schwerpunkte des Engagements des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in der beruflichen Bildung werden
die Qualifizierung im informellen Sektor, Bildungsfinanzierung, berufliche Bil-
dung im Kontext von Fragilität sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter
sein. Entsprechend seiner neuen entwicklungspolitischen Konzeption verstärkt
das BMZ die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Zivilgesellschaft in der
beruflichen Bildung.

Seit 2009 hat die berufliche Bildung in der deutschen Entwicklungspolitik
stetig an Bedeutung gewonnen, was sich in den Zusagen deutlich widerspiegelt.
Für 2012 wurden die Mittel erheblich gesteigert und Zusagen in Höhe rund
90 Mio. Euro gemacht. Bilaterale Programme der beruflichen Bildung werden
aktuell in den folgenden Partnerländern realisiert: Afghanistan, Äthiopien,
Honduras, Jemen, Mosambik, Pakistan, Togo, Namibia, Ghana, Ruanda, Süd-
afrika, Indonesien, Laos, Vietnam, Myanmar, Albanien, Armenien, Georgien,
Kosovo, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kirgistan, Moldau, Montenegro,
Tadschikistan, Usbekistan, El Salvador, Palästinensische Gebiete, Angola,
Kongo, Sierra Leone, Osttimor, Ägypten, Libanon, China, Philippinen.

Die deutsche EZ versteht die Privatwirtschaft als bedeutenden Partner. Ein
Großteil der Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft im Schwerpunkt
nachhaltige Wirtschaftsentwicklung hat einen direkten Bezug zur beruflichen
Bildung. Das BMZ fördert seit 2011 zudem die sogenannten Berufsbildungs-
partnerschaften mit der deutschen Wirtschaft. In den Berufsbildungspartner-
schaften bringt die verfasste deutsche Wirtschaft – also die Kammern, Ver-
bände und ihre Einrichtungen – ihre Kompetenzen gezielt in die berufliche Bil-
dung in der Entwicklungszusammenarbeit ein.

Zusätzlich lobte das BMZ 2012 den „Innovationswettbewerb für Vorhaben der
beruflichen Bildung in Entwicklungsländern“ aus. Insgesamt bewarben sich
42 innovative Projekte, die vielversprechende Vorhaben in der beruflichen Bil-
dung in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa umsetzen. Die Gewinner-
projekte u. a. aus Indien, Äthiopien und Malawi zeigen, wie Staat, Zivilgesell-
schaft und Unternehmen innovativ zusammenarbeiten und maximale Wirkung
entfalten können.

Das Auswärtige Amt (AA) hat als Beitrag zur besseren Koordinierung der
internationalen Bemühungen um Berufsbildung im Juli 2012 einen Arbeitsstab
Berufliche Bildung (AS-BB) eingerichtet. Weiterhin hat das Auswärtige Amt in
einem mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) abge-
stimmten Erlass im Februar 2013 seine Auslandsvertretungen angewiesen, sich
mit der jeweiligen Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) vor Ort zum

Thema „berufliche Bildung“ zu besprechen und ein gemeinsames Vorgehen ab-

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zustimmen. Im In- und Ausland unterstützt das AA zahlreiche Pilotprojekte mit
deutschen Unternehmen. So haben der Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
und die Bundesministerin Dr. Johanna Wanka am 24. April 2013 eine Konfe-
renz mit dem Titel „Deutsche Unternehmen – Pioniere der dualen Berufsausbil-
dung im Ausland“ durchgeführt.

Ausgehend von verschiedenen Initiativen des Bundesministeriums für Bildung
und Forschung, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung und des Auswärtigen Amts sollen internationale Berufs-
bildungskooperationen auf deutscher Seite zukünftig an einem Runden Tisch
mit den wesentlichen Akteuren unter Einschluss der Kammern und der Sozial-
partner besprochen werden.

Der DIHK, Dachorganisation der deutschen Industrie- und Handelskammern
(IHKs) und Koordinator der Deutschen Auslandshandelskammern, hat eben-
falls auf die steigende Nachfrage reagiert, die an die Organisation vor allem
von der deutschen Wirtschaft herangetragen wird: Die DIHK-Vollversammlung
hat am 15. November 2012 in Dresden ein Konzept mit Aktionsplan (2013–
2016) zum Export von Berufsbildung beschlossen. Rund 40 AHKs sind im
Ausland bereits aktiv – mit stark steigender Tendenz. Auf Grundlage des
DIHK-Konzepts sollen die Aktivitäten im Ausland weiter ausgebaut werden,
bei gleichzeitiger Sicherung der Qualität der Berufsbildung auf Grundlage der
deutschen Standards.

In einigen Ländern gibt es bereits hervorragende und beispielhafte Initiativen
von Auslandsvertretungen und AHKs sowie erfolgreiche Projekte der Entwick-
lungszusammenarbeit. In anderen Ländern ist das Interesse am deutschen dualen
System noch relativ neu, weil sich dort erst allmählich moderne wirtschaftliche
Strukturen herausbilden, oder aber weil die jüngste Wirtschaftskrise gezeigt hat,
dass bisher praktizierte Formen der Ausbildung dem tatsächlichen Bedarf der
Unternehmen und des lokalen Arbeitsmarkts nicht entsprechen.

Der Erfolg des deutschen dualen Ausbildungssystems ist auch auf eine starke
und institutionalisierte Rolle der Unternehmen, Kammern und Sozialpartner
zurückzuführen. Um den Aufbau dualer Ausbildungsstrukturen zu unterstützen
und auch neue Mitwirkungsformen für die Wirtschafts- und Sozialpartner
inklusive Kammern zu entwickeln, hat die deutsche IHK-Organisation im Sep-
tember bzw. November 2012 eine Kooperationsvereinbarung mit dem spani-
schen Kammerdachverband Consejo und dem italienischen Kammerdachver-
band Unioncamere geschlossen.

Das große Netzwerk deutscher Auslandsschulen in aller Welt bietet weitere
Möglichkeiten, neue internationale Kooperationen anzustoßen und bestehende
Partnerschaften noch wirkungsvoller zu gestalten. Insbesondere können an
Standorten, wo langfristig die Rahmenbedingungen hierzu bestehen, an deut-
schen Auslandsschulen neben der allgemeinen Hochschulreife auch duale Aus-
bildungen angeboten werden. Das deutsche Auslandsschulwesen als Eckpfeiler
der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik umfasst 140 deutsche Auslands-
schulen in 71 Ländern mit rund 78 000 Schülern – 20 000 deutschen und
58 000 nichtdeutschen Schülern. Dazu kommen 870 Schulen, an denen der Ab-
schluss des Deutschen Sprachdiploms der Kultusministerkonferenz (KMK)
möglich ist und 520 Schulen, an denen Deutschunterricht auf- oder ausgebaut
wird. Traditionell und historisch gewachsen liegt der Fokus auf allgemein-
bildenden Abschlüssen. An ausgewählten Schulstandorten könnten sich Mög-
lichkeiten für berufliche Bildung ergeben. Auch in Kooperation mit den heimi-
schen Universitäten kann das duale Studium mit einer engen Verzahnung
zwischen der Wirtschaft und der Hochschulausbildung entwickelt werden, da in
vielen Staaten auch die Berufsausbildung an der Hochschule stattfindet. Das

duale Studium kann durch eine praxisorientierte Ausbildung neben einem
Hochschulstudium eine Chance sein.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13484

Vorbildliche Beispiele gibt es bereits. Aktuelle Zahlen der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen (ZfA) zeigen, dass im Jahr 2012 bereits an 14 Deutschen
Auslandsschulen der berufsschulisch-theoretische Teil der dualen Berufsausbil-
dung neben der allgemeinen Hochschulreife angeboten und durch die Bundes-
republik Deutschland gefördert wurde. Dabei durchliefen 507 Schüler entweder
eine klassische kaufmännische duale Ausbildung an einer Berufsschule oder
besuchten eine Fachoberschule. Zu diesem Zweck wurden aktuell 19 Berufs-
schullehrer ins Ausland vermittelt.

An den deutschen Schulen in Buenos Aires, Guatemala, La Paz, Lima, Santiago,
Quito, São Paulo, der Deutsch-Schweizerischen Internationalen Schule Hong-
kong, der ASET Madrid und der ASET Barcelona wird neben dem deutschen
Spracherwerb die kaufmännische duale Ausbildung nach deutschen Vorbild
durchgeführt. Die praktische Ausbildung erfolgt in einem Betrieb, die theoreti-
schen Grundlagen werden in der Schule gelegt. Die Prüfungen werden vor den
Deutschen Auslandshandelskammern abgelegt, während der Deutsche Indus-
trie- und Handelskammertag über die Gleichwertigkeit mit deutschen Abschlüs-
sen entscheidet. Die Unterrichtsinhalte orientieren sich an den deutschen Lehr-
plänen sowie den deutschen Ausbildungsstandards. Da der größere Teil der
dualen Ausbildung in den Betrieben stattfindet, sind gefestigte unternehmeri-
sche Strukturen und ein verlässliches Engagement der Ausbildungsbetriebe als
Grundvoraussetzung unerlässlich. Ein weiteres Beispiel für duale Ausbildungen
im Ausland gibt es von action medeor in Zusammenarbeit mit der Deutschen
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Tansania.

An den deutschen Schulen in Brüssel, Tokio und der deutschen Schule der
Borromäerinnen in Alexandria wird jeweils in einem Fachoberschulzweig die
Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung angeboten. 800 Stunden Praktikum in
einem Unternehmen sind ebenso Bestandteil dieser Ausbildung wie der Unter-
richt in der Schule. Die an diesen Schulen zu erwerbende Fachhochschulreife be-
deutet die Zugangsberechtigung zu einer deutschen Fachhochschule. Aufgrund
ihrer Exzellenz und ihrer innovativen didaktischen und methodischen Ansätze
haben die beruflichen Bezüge der Deutschen Schule Quito und der Deutschen
Schule der Borromäerinnen in Alexandria 2010 und 2012 jeweils den 1. Preis
beim IHK-Wettbewerb für die Deutschen Auslandsschulen „Schüler bauen welt-
weit Brücken“ gewonnen.

Dabei haben die Beispiele z. T. auch Vorbildcharakter für den Partnerstaat. Vor
mehr als 20 Jahren ist auf Initiative deutscher Unternehmen und als Gemein-
schaftsprojekt mit der AHK Ecuador ein Berufsbildungszentrum der Deutschen
Schule im ecuadorianischen Quito gegründet worden, das in Kooperation mit
der AHK, Unternehmen vor Ort sowie deutschen und ecuadorianischen Univer-
sitäten eine hochwertige duale Berufsausbildung anbietet. Sie ist in besonderer
Weise zum Prototyp für eine auf Ecuador zugeschnittene Variante eines landes-
weiten Berufsschulsystems geworden. Auch die Deutsche Auslandsschule Aso-
ciación Hispano-Alemana de Enseñanzas Técnicas (ASET) Barcelona, die von
deutschen Unternehmen als ein zweisprachiges und bikulturelles Berufs-
bildungszentrum gegründet worden ist, belegt eindrucksvoll, dass Deutsche
Auslandsschulen immer auch Botschafter für die deutsche Sprache, für deut-
sche Abschlüsse und Ausbildungswege sind. In Kooperation mit der Schule,
der AHK Spanien, der Bertelsmann Stiftung und deutschen Unternehmen ab-
solvieren seit dem Sommer 2012 rund 50 junge Spanier in einem Pilotprojekt
eine duale Ausbildung im Bereich Einzelhandel. Angestellt sind die Auszubil-
denden bei deutschen Firmen vor Ort. Die aufgrund dieses Modells angestoße-
nen spanischen Reformen ermöglichen es, nun Ausbildungen anzubieten, die
dem deutschen System ähnlich sind. So hat Ende 2012 als erstes spanisches
Unternehmen ein Autohersteller das deutsche duale Ausbildungssystem über-

nommen.

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Diese Beispiele belegen, dass Deutsche Auslandsschulen auch in den jeweiligen
Gastländern gut geeignete schulische Partner für die Einrichtung oder den Aus-
bau dualer Berufsbildungsangebote an einigen Standorten sind. Der Deutsche
Bundestag hat bereits im Jahr 2008 den Antrag „Deutsches Auslandsschulwesen
stärken und weiterentwickeln“ (Bundestagsdrucksache 16/9303) beschlossen
und darin festgestellt: „Deutsche Auslandsschulen vermitteln ein nachhaltiges
und positives Bild von Deutschland. Sie verbinden Völker und Kulturen aller
Welt mit Deutschland und schaffen Verständnis für Deutschland in Politik, Wirt-
schaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Die Schulen leisten als Zentren schulischer
Zusammenarbeit einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung der schulischen
Bildung und damit zur Entwicklung im Gastland insgesamt.“

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung setzt in seinen
Kooperationen an solchen Beispielen an und will sie in Abstimmung mit der
Regierung des Partnerlandes zur Einbeziehung von lokalen Unternehmen oder
zur Entwicklung von Ausbildungsstandards erweitern.

Allerdings hat die berufliche Ausbildung im Ausland nach wie vor noch zu
wenig Renommee. In den meisten Ländern steht immer noch die akademische
Ausbildung im Vordergrund. Eine duale Ausbildung wird von vielen Jugend-
lichen, Eltern und Unternehmen skeptisch gesehen. Zudem mangelt es häufig
an den Rechtsgrundlagen für eine berufliche Ausbildung nach deutschem Vor-
bild, die von einer Ausbildungsordnung, Ausbildungsrahmenplänen sowie der
staatlichen Anerkennung der Ausbildungsberufe ausgeht. Gute Beispiele einer
dualen Ausbildung können hier neue Perspektiven eröffnen. Imagekampagnen
für berufliche Bildung sind daher auch Bestandteil etlicher Vorhaben der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit. Das Willkommensportal für internatio-
nale Fachkräfte „Make it in Germany“ wirbt im Rahmen der gemeinsamen
Fachkräfte-Offensive des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie,
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie der Bundesagentur für
Arbeit um Fachkräfte aus dem Ausland. Es informiert über das duale Ausbil-
dungssystem in Deutschland und darüber, welche Perspektiven beruflich quali-
fizierte Menschen in Deutschland haben.

In Richtlinien der Europäischen Kommission wird den Besonderheiten der
dualen Ausbildung zu selten Rechnung getragen. Duale Ausbildung muss,
wenn sie europaweit Vorbild sein soll, auch im europäischen Rechtsrahmen ad-
äquat berücksichtigt werden. Derzeitigen Bestrebungen der Vereinheitlichung,
Vergleichbarkeit und gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen fehlte
bisweilen die Sensibilität für die Besonderheiten und den hohen Standard der
dualen Ausbildung, vor allem in den Pflegeberufen und im Handwerk. Eine
konsequente Berücksichtigung der dualen Ausbildung im europäischen Rege-
lungswerk kann jedoch gerade die Akzeptanz des dualen Ausbildungssystems
befördern und sich positiv auf die Adaption in anderen Mitgliedstaaten auswir-
ken.

Deutsche Unternehmen im Ausland könnten auf mehrfache Weise von einer
Zusammenarbeit mit Deutschen Auslandsschulen profitieren. Deutsche Aus-
landsschulen sind für viele Schüler in den Gastländern erste Berührungspunkte
mit Deutschland. Sie wecken das Interesse an deutscher Sprache und deutscher
Kultur. Viele ehemalige Schüler besuchen deutsche Universitäten oder bleiben
Deutschland anderweitig verbunden. Sie sind in Deutschland oft als qualifi-
zierte Fachkräfte tätig und stärken somit den Wirtschafts- und Wissenschafts-
standort Deutschland. Die Möglichkeit, Kinder der Mitarbeiter an deutschen
Schulen in über 71 Staaten der Welt unterrichten zu lassen, erleichtert es den
Unternehmen erheblich, Mitarbeiter mit Familien für einen Einsatz im Ausland
zu gewinnen. Die berufliche Ausbildung einheimischer Jugendlicher nach deut-

schem Vorbild ermöglicht es deutschen Unternehmen, auch auf ausgebildete
Fachkräfte mit deutschen Sprachkenntnissen zurückgreifen zu können.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/13484

Besonderes Merkmal von Absolventen Deutscher Auslandsschulen ist interkul-
turellere Kompetenz. Durch heterogene Schulklassen, mehrsprachigen Unter-
richt und Kontakt zu verschiedenen Kulturkreisen wird den Schülern neben den
Sprachkenntnissen und Sozialkompetenzen eine interkulturelle Kompetenz ver-
mittelt, die eine Ausbildung in Deutschland nicht bieten kann. Der angemessene
Umgang mit Menschen verschiedener Herkunft wird in Zeiten der internatio-
nalisierten und globalisierten Arbeitswelt immer wichtiger. Derzeit absolvieren
beispielsweise nur 4 Prozent der deutschen Auszubildenden einen Auslands-
aufenthalt. Das ist viel zu wenig und muss gesteigert werden, wenn Auslands-
aufenthalte keine Privilegien für Studierende sein sollen. Kooperationen mit
Schulen im Ausland böten deutschen Unternehmen, die im In- und Ausland tätig
sind, die Chance, ihren Auszubildenden einen Aufenthalt an einem ausländi-
schen Unternehmensstandort zu ermöglichen, ohne dass die schulische Ausbil-
dung ausgesetzt werden müsste.

Deutsche Auslandsschulen sind anerkannte Institutionen in den jeweiligen Sitz-
ländern, die eine hochwertige schulische Ausbildung und in Deutschland aner-
kannte Schulabschlüsse anbieten. Mit dieser Positionierung innerhalb des
Bildungs- und Ausbildungssystems der Sitzländer können sie an ausgewählten
Standorten durch die Unterstützung dualer Ausbildungsangebote deutscher
oder lokaler Unternehmen dazu beitragen, die vereinzelten Vorbehalte gegen-
über der dualen Ausbildung zu überwinden. Darüber hinaus kennen die Schul-
träger der Deutschen Auslandsschulen die Bedingungen vor Ort am besten. Sie
sind hervorragend vernetzt mit der lokalen Wirtschaft, weil diese meist direkt
über die Schulvorstände in den Schulen selbst aktiv ist. Deutsche Auslands-
schulen können deshalb bezüglich des berufsschulisch-theoretischen Teils der
dualen Ausbildung erste Ansprechpartner für die Spitzenorganisationen der
Wirtschaft und der Kammern in den jeweiligen Ländern sein. An Standorten,
an denen es bereits rechtlich möglich und von den Beteiligten gewünscht wird,
können auf diesem Wege bestehende Strukturen genutzt werden, um einen
Mehrwert in Form von Bildung und Zukunftschancen für Jugendliche zu gene-
rieren.

Der Aufbau von dualen Bildungsangeboten in Kooperation von Deutschen
Auslandsschulen und der deutschen Wirtschaft, vertreten und organisiert durch
die Auslandshandelskammern, hat darüber hinaus eine Signalwirkung und
könnte die Entwicklung in den jeweiligen Ländern beschleunigen, um der ho-
hen Jugendarbeitslosigkeit zeitnah entgegenzutreten.

Für den Erfolg einer dualen beruflichen Bildung nach deutschem Vorbild sind
die unternehmerischen Bedingungen vor Ort, der Fachkräftebedarf und eine
nachhaltige Kooperation mit Ausbildungsbetrieben und die gegebenen Rechts-
grundlagen entscheidend. Die deutschen AHKs und die in den Partnerländern
ansässigen deutschen oder mit Deutschlandbezug tätigen Unternehmen spielen
deshalb beim Auf- und Ausbau dualer Bildungsangebote die zentrale Rolle. Sie
definieren die Nachfrage vor Ort, müssen langfristig verlässlich als Partner zur
Verfügung stehen und leisten darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag beim
Transfer deutscher Ausbildungsprinzipien und beim Aufbau regionaler Berufs-
bildungsnetzwerke mit den Betrieben, Schulen und Kammern der Partner-
länder. Sie übernehmen die Verantwortung für die Ausbildungsinhalte, schließen
den Ausbildungsvertrag mit den Auszubildenden ab und finanzieren die Aus-
bildungsvergütung.

Ausgangspunkt jeder Initiative einer Kooperation mit Deutschen Auslands-
schulen ist damit der Bedarf der Unternehmen vor Ort und deren Bereitschaft,
sich in diese Kooperation einzubringen. Zudem muss das jeweilige Partnerland
eine Weiterentwicklung des eigenen Berufsbildungssystems in Richtung einer

betriebsnahen und kooperativen Berufsausbildung nachhaltig unterstützen, wenn
solche Ausbildungsnetzwerke auch eine systemische Wirkung erzielen sollen.

Drucksache 17/13484 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

– dass die Bundesregierung das deutsche Auslandsschulwesen konsequent
unterstützt und verstärkt berufliche Bildungsgänge an deutschen schulischen
Einrichtungen im Ausland fördert;

– die Vielzahl der internationalen Kooperationen der Bundesregierung sowie
von Kammern und Sozialpartnern im Bereich der dualen Berufsausbildung;

– das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, von Spanien,
Griechenland, Portugal, Italien, der Slowakei und Lettland unterzeichnete
Memorandum, künftig bei der Reform der Ausbildungssysteme eng mit
Deutschland zusammenzuarbeiten;

– die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Etab-
lierung eines europäischen Peer Learning Forum zum kontinuierlichen Lern-
und Erfahrungsaustausch;

– die Einrichtung einer Zentralstelle für internationale Berufsbildungsko-
operation im Bundesinstitut für Berufsbildung;

– dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung im Rahmen seiner Aktivitäten im Bereich Bildung die Instrumente
der beruflichen Bildung ausgebaut und das duale Ausbildungssystem als
einen Schwerpunktbereich in der Zusammenarbeit mit den Kooperations-
ländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit etabliert hat;

– die bisherigen Initiativen der deutschen Unternehmen und der verfassten
Wirtschaft, insbesondere der Industrie- und Handelskammern in Deutschland
und der Deutschen Auslandshandelskammern und Auslandsvertretungen vor
Ort, zur Stärkung der dualen Ausbildung im In- und Ausland.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung im Rahmen der
verfügbaren Haushaltsmittel auf,

– ausgehend von der deutschen dualen Berufsausbildung im Rahmen von Ko-
operationen mit europäischen Nachbarländern und ausgewählten außereuro-
päischen Ländern Initiativen für den Auf- und Ausbau dualer Bildungsgänge
an weiteren Deutschen Auslandsschulen bzw. dualer Studiengänge zu unter-
stützen;

– die Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation am Bundes-
institut für Berufsbildung stufenweise als Zentralstelle der Bundesregierung
auszubauen und diese aufzufordern, weiter eng mit der Zentralstelle für das
Auslandsschulwesen und der verfassten deutschen Wirtschaft, vor allem den
Auslandshandelskammern, zusammenzuarbeiten und auch als Ansprech-
partner für interessierte Unternehmen und Schulen zur Verfügung zu stehen;

– deutsche Unternehmen zu ermuntern, verstärkt Kooperationen mit Deut-
schen Auslandsschulen und ausländischen Hochschulen hinsichtlich eines
dualen Studiums zu suchen;

– gemäß den Empfehlungen des Berichtes des Integrationsbeirates der Bundes-
regierung „Working and Living in Germany“ die Vernetzung der Akteure des
Auslandsschulwesens mit der deutschen Wirtschaft zu intensivieren und ins-
besondere die Einrichtung eines ständigen Arbeitskreises Auslandsschul-
wesen/Wirtschaft zu unterstützen;

– arbeits- und aufenthaltsrechtliche Regelungen zu überprüfen mit dem Ziel,
den Fachkräftezuzug nach Deutschland auch unterhalb der Universitäts-
absolventen (z. B. für Auszubildende) zu erleichtern;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/13484

– im Ausland die enge Partnerschaft zwischen deutschen Bildungs- und
Wissenschaftsinstitutionen (z. B. Goethe-Institute, Deutscher Akademischer
Austauschdienst e. V.) und der deutschen Wirtschaft mit dem Ziel der Förde-
rung des dualen Studiums und der dualen Berufsausbildung zu vertiefen;

– die Bestrebungen der Europäischen Kommission zur Vereinheitlichung, Ver-
gleichbarkeit und besseren Anerkennung von Ausbildungsgängen zu unter-
stützen und dabei den Besonderheiten und der Bedeutung des dualen
Systems Rechnung zu tragen.

Berlin, den 14. Mai 2013

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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