BT-Drucksache 17/13362

Unbefristete Lagerung von abgereichertem Uran an der URENCO-Urananreicherungsanlage Gronau

Vom 30. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13362
17. Wahlperiode 30. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert,
Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

Unbefristete Lagerung von abgereichertem Uran an der URENCO-
Urananreicherungsanlage Gronau

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundes-
tagsdrucksache 17/12943 mitgeteilt, dass an der Urananreicherungsanlage
Gronau zukünftig abgereichertes Uran in Form von Triuranoctoxid (Uranoxid
(U3O8)) in dem dort im Bau befindlichen Zwischenlager ohne Befristung aufbe-
wahrt werden soll. Das abgereicherte Uran in der Form U3O8 ist demnach laut
Aussage der Bundesregierung von der Betreiberfirma URENCO „für eine zu-
künftige weitere Verwendung“ vorgesehen, jedoch teilt sie weiterhin mit:
„Konkrete Verwendungsvorhaben sind der Bundesregierung nicht bekannt.“
Folglich können zukünftig tausende Tonnen radioaktiven Materials am Stand-
ort Gronau oberirdisch gelagert werden, ohne dass der Verwendungszweck des
Materials, Pläne zur Entsorgung des Materials durch den Betreiber oder allein
die Dauer der Lagerung, die sich nach Genehmigungslage über einen Zeitraum
von 100 Jahren und darüber hinaus erstrecken kann, der Öffentlichkeit bekannt
sind.

In der Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8041 teilt
die Bundesregierung mit, dass die Lagerkapazitäten am Standort Gronau außer-
dem „abhängig vom jeweiligen An- und Abreicherungsgrad im UF6-Tailslager
Tails aus mindestens fünf Produktionsjahren, im U3O8-Tailslager solche aus
mindestens zehn Produktionsjahren gelagert werden können“. Die Genehmi-
gung für den Betrieb der Uranfabrik Gronau ist trotz der Beschlüsse zum Aus-
stieg aus der Nutzung der Atomenergie in Deutschland aus dem Jahr 2011 nach
wie vor unbefristet.

Aufgrund der bereits in Gronau lagernden Menge von 6 700 Tonnen abge-
reichertem Uran in Form von UF6, denen sich zur Dekonversion derzeit noch in
Frankreich befindlichen Mengen abgereicherten Urans und denen durch den
weiteren Betrieb entstehenden neuen Mengen, ist davon auszugehen, dass bei
entsprechendem An- und Abreicherungsgrad in der Urananreicherungsanlage
bereits um das Jahr 2020 herum die Kapazität des noch im Bau befindlichen
U3O8-Lagers mit einem Fassungsvermögen von 60 000 Tonnen ausgeschöpft
sein könnte. Daher ist davon auszugehen, dass am Standort Gronau demnächst

weitere Lagerkapazitäten in ähnlicher Größe geschaffen werden müssen oder
aber die Betreiberfirma URENCO abgereichertes Uran anderweitig verbringen
oder dem Bund zur Endlagerung übergeben muss.

Drucksache 17/13362 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf Grundlage welchen Rechtsaktes erfolgt seitens der Atomaufsichts-
behörden eine Entscheidung, ob ein Betreiber einer nuklearen Anlage oder
ein anderer Besitzer radioaktiver Materialien diese als radioaktive Abfälle
oder anderweitig zu deklarieren hat und dementsprechend damit umgehen
muss?

2. Nach welchen Kriterien sind radioaktive Materialien als Abfälle zu dekla-
rieren?

3. Inwieweit fällt es in den Verantwortungsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Rechtmäßigkeit der-
artiger Deklarationen und der entsprechenden Umgangsgenehmigungen
auszustellen oder zu überprüfen?

4. In welcher Weise und durch welche Behörde erfolgen bei der URENCO
die Ausstellungen der Umgangsgenehmigungen für radioaktives Material?

5. In welcher Weise und durch welche Behörde erfolgt bei derselben Firma
die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Umgangsgenehmigungen für
radioaktive Materialien nach jeweiliger Art und Menge der Materialien?

6. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass während des vergan-
genen Genehmigungsverfahrens für die Erweiterung der Lagerkapazitäten
der URENCO-Anlage in Gronau eine Lagerung des abgereicherten Urans
für einen Zeitraum von 50 bis 100 Jahren, zumindest aber nicht unbefristet
beantragt worden ist?

7. Wenn ja, aus welcher Erwägung heraus wurde die Genehmigung nach
Kenntnis der Bundesregierung für eine unbefristete Zeit ausgestellt?

Wenn nein, auf welcher Grundlage hat nach Kenntnis der Bundesregierung
die Reaktorsicherheitskommission (RSK) in einer Stellungnahme zum Ge-
nehmigungsverfahren (www.rskonline.de/downloads/stngronau.pdf) diesen
Zeitraum genannt?

8. Auf Grundlage welchen Rechtsaktes wurde die Genehmigung der Lage-
rung abgereicherten Urans im U3O8 Tails Lager der URENCO in Gronau
unbefristet ausgestellt?

9. Nach welchen Kriterien, Vorschriften bzw. Rechtsakten werden Umgangs-
genehmigungen für radioaktive Materialien befristet?

10. In welcher Art findet nach Kenntnis der Bundesregierung das Prinzip des
Rechtfertigungsgrundsatzes nach § 4 der Strahlenschutzverordnung in die
Erwägungen und letztlich die Entscheidung für unbefristete Umgangs-
genehmigungen für radioaktives Material Eingang?

11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung weitere unbefristete Genehmi-
gungen für den Umgang mit radioaktiven Materialien in Deutschland?

Wenn ja, wie viele, und um welche Formen des Umgangs mit radioaktiven
Materialien handelt es sich dabei?

12. Hat die zuständige Genehmigungsbehörde oder eine andere Behörde nach
Kenntnis der Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt von dem Betrei-
ber URENCO einen Nachweis verlangt, wie die Verwendung des anfallen-
den abgereicherten Urans konkret erfolgen kann?

13. Wenn ja, wann, und in welcher Weise hat die URENCO nach Kenntnis der
Bundesregierung diesen Nachweis erbracht?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13362

14. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Auflagen oder Anforderungen
gegenüber dem Betreiber der Urananreicherungsanlage Gronau, nach denen
dieser über die Verwendungsmöglichkeiten des anfallenden abgereicherten
Urans berichten muss?

15. Wenn ja, welche Auflagen oder Anforderungen sind dies nach Kenntnis der
Bundesregierung im Einzelnen?

Wenn nein, warum nicht?

16. Wie oft hat der Betreiber seit dem Jahr 2005 nach Kenntnis der Bundes-
regierung derartige Nachweise oder Stellungnahmen bereits erbracht?

17. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Fristen oder Regelungen, zu
denen URENCO rechtlich belastbare Aussagen bzw. Entscheidungen zu
treffen hat, ob eine Verwendung des abgereicherten Urans erfolgen wird
oder eine Beseitigung als radioaktive Abfälle zu erfolgen hat?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

18. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, die Einhaltung der Bedin-
gungen für die unbefristete Lagerung radioaktiver Materialien zu bewerten
und zu überprüfen, und wie führt sie diese aus?

19. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Auslegung des Schachtes
Konrad für die Aufnahme von U3O8 vorgesehen?

20. Wenn nein, wo käme nach Kenntnis der Bundesregierung eine Endlage-
rung von U3O8 infrage?

21. Nach wie vielen Jahren wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Kapa-
zität des im Bau befindlichen Lagers für U3O8 bei regulärem Betrieb der
Urananreicherungsanlage Gronau ausgeschöpft sein?

22. Sind der Bundesregierung Planungen über den Bau weiterer Lagerkapazi-
täten zur Lagerung von U3O8 am Standort Gronau bekannt?

Wenn ja, welche?

23. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung noch ausstehende Genehmi-
gungen bzw. laufende Genehmigungsverfahren, deren Einholung bzw. Ab-
schluss zur Inbetriebnahme des Uranoxid-Lagers in Gronau noch notwen-
dig sind?

24. Ist die Ersteinlagerung von U3O8 im U3O8 Tailslager der URENCO in
Gronau nach Kenntnis der Bundesregierung desweiteren genehmigungs-
pflichtig?

25. Wenn ja, welche Genehmigungen müssen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung hierfür erbracht werden und von welcher Behörde?

26. Welche Genehmigungen müssen nach Kenntnis der Bundesregierung von
der URENCO von welcher Behörde für Uranoxid-Transporte nach Gronau
eingeholt werden?

27. Abgereichertes Uran in Form von Uranhexafluorid (UF6) wird derzeit nach
Frankreich transportiert, um es dort in U3O8 zu konvertieren und an-
schließend nach Gronau zurück zu transportieren und dort zu lagern.

a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die konkreten Anla-
gen, die dazu in Frankreich verwendet werden, deren Eigentümer und
deren Jahreskapazität zur Umwandlung von UF6 zu U3O8?

Drucksache 17/13362 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Welche Mengen abgereicherten Urans in Form von UF6 sind nach
Kenntnis der Bundesregierung seit 2008 von Gronau aus jährlich nach
Frankreich transportiert worden?

c) Welche Mengen dieses UF6 sind nach Kenntnis der Bundesregierung in
Frankreich seit 2008 jeweils jährlich zu U3O8 umgewandelt worden?

d) Welche Mengen dieses zu U3O8 umgewandelten abgereicherten Urans
aus Gronau sind nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils seit 2008
nach Gronau zurücktransportiert worden?

e) Wann erfolgen nach Kenntnis der Bundesregierung die Rücktransporte
des zu U3O8 umgewandelten Urans nach Gronau jeweils jährlich bis
2020?

28. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung in Verträgen zwischen der
URENCO und französischen Anlagenbetreibern oder gegebenenfalls dem
französischen Staat eine Zwischenlagerung für das Eingangs- oder Aus-
gangsprodukt vorgesehen?

29. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Verträge zwischen der
URENCO-Urananreicherungsanlage in Gronau und der URENCO-
Konversionsanlage in Capenhurst (Großbritannien) zur Konversion und
Rücklieferung abgereicherten Urans aus der Urananreicherungsanlage in
Gronau?

Wenn ja, welche Leistungen sind darin geregelt?

30. Welche staatsrechtlichen Regelungen sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bislang für den Fall einer Insolvenz oder eines Konkurses der
URENCO Ltd. getroffen worden?

31. In welcher Höhe kämen nach Kenntnis der Bundesregierung im Falle einer
Firmenpleite der URENCO Ltd. gegebenenfalls Haftungsverpflichtungen
auf die Bundesrepublik Deutschland oder das Land Nordrhein-Westfalen
zu?

32. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung im Falle einer möglichen
Firmenpleite (Insolvenz, Konkurs etc.) der URENCO Ltd. für die sichere
Entsorgung des in Gronau, Frankreich und andernorts lagernden Urans ver-
antwortlich?

Berlin, den 30. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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