BT-Drucksache 17/13290

Attraktivität der deutschen Flagge stärken

Vom 24. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13290
17. Wahlperiode 24. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol, Martin
Burkert, Ingo Egloff, Karin Evers-Meyer, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael
Groß, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Gustav Herzog, Gabriele
Hiller-Ohm, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann,
Holger Ortel, Florian Pronold, Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten
Sieling, Sonja Steffen, Franz Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Attraktivität der deutschen Flagge stärken

Nach dem überarbeiteten Flaggenrechtsgesetz ist die Ausflaggung von Han-
delsschiffen deutscher Eigner in ein kostengünstigeres ausländisches Schiffs-
register nur noch dann möglich, wenn dafür ein Ausgleich durch die Reederei
geleistet wird. Dieser soll dazu beitragen, die seefahrtbezogene Ausbildung an
Bord deutschflaggiger Schiffe zu finanzieren und den Wegfall von Ausbil-
dungsplätzen am Standort Deutschland zu verhindern. Mit dieser Gesetzes-
änderung will die Bundesregierung die fortgesetzte Ausflaggung deutscher
Schiffe stoppen. Doch diese Maßnahme wird nicht ausreichen, um die Zahl
deutschflaggiger Schiffe zu erhöhen und so die im „Maritimen Bündnis für
Ausbildung und Beschäftigung“ zwischen den Sozialpartnern getroffenen Ver-
abredungen zu erfüllen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist der Anteil der
Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, im Jahr 2012 geschrumpft.

Der Trend zur Umflaggung dürfte angesichts der krisenhaften Situation auf den
Schifffahrtsmärkten weiter anhalten. Verstärkt wird diese Entwicklung durch
die Einrichtung neuer ausländischer Schiffsregister, wie des Schiffsregisters
„Romanian International Flag Administration“ (Rifa), die sich als attraktive
Alternative zum deutschen Schiffsregister präsentieren und mit einer verein-
fachten, schnelleren Registrierung sowie dem Vorteil einer europäischen
Flagge werben, die Voraussetzung für die Optierung zur pauschalen Gewinn-
ermittlung für Seeschiffe – der sog. Tonnagesteuer – ist.

Vor dem Hintergrund der aggressiven Konkurrenz ausländischer Billigregister
wird die von der Bundesregierung bereits im Jahr 2011 angekündigte Moderni-
sierung der Flaggenstaatverwaltung in Deutschland umso dringlicher. Derzeit
sind die Zuständigkeiten auf eine Vielzahl von Stellen verteilt, und neben dem
Bund sind auch die Länder und Kommunen an dem Verwaltungsverfahren zur

Eintragung von Schiffen in das deutsche Schiffsregister beteiligt. Die Bundes-
regierung muss die Frage beantworten, welche Maßnahmen aus ihrer Sicht ge-
eignet sind, um verstärkte Anreize für eine Registrierung unter deutscher Flagge
zu geben, und welche Schritte sie dazu plant.

Drucksache 17/13290 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Handels-
schiffe deutscher Eigner unter deutscher Flagge seit dem Jahr 2010 ent-
wickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Handels-
schiffe deutscher Eigner unter fremder Flagge im gleichen Zeitraum ent-
wickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

3. Wie hat sich das Zahlenverhältnis ausgeflaggter Schiffe zu Schiffen unter
deutscher Flagge nach Kenntnis der Bundesregierung seither entwickelt
(bitte nach Jahren aufschlüsseln), und wie viele Schiffe deutscher Eigner
fahren unter der Flagge eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (bitte
in absoluten Zahlen und Prozent aufschlüsseln)?

4. Wie viele Anträge auf Ausflaggung von Schiffen deutscher Eigner nach dem
Flaggenrechtsgesetz wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem
Jahr 2000 gestellt, und wie viele davon wurden positiv beschieden (bitte
nach Jahren aufschlüsseln)?

5. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Schiffsflotte deutscher
Eigner seit dem Jahr 2000 nach der Flaggenzugehörigkeit entwickelt?

6. Welche Eingangsvoraussetzungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bei den ausländischen Schiffsregistern, unter denen ausgeflaggte deut-
sche Handelsschiffe eingetragen sind, hinsichtlich der Anforderungen an
Schiffssicherheit, Klassifikation, Besetzung und Umweltschutz, insbeson-
dere im Hinblick

a) auf Nationalitätsanforderungen bei Eignern,

b) auf die Besteuerung des aus dem Betrieb von Schiffen erzielten Einkom-
mens im Registerland,

c) auf Nationalitätsanforderungen und erforderliche Qualifikationsnach-
weise für Schiffsbesatzungen?

7. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu den Kosten vor, die
bei diesen ausländischen Schiffsregistern für die deutschen Reedereien
anfallen

a) für Gebühren, die bei der Eintragung in das Register anfallen,

b) für jährliche Steuern?

8. Wie stellen sich diese im Verhältnis zu den Gebühren und Steuern bei einer
Eintragung in das deutsche Schiffsregister dar?

9. Welche Informationen hat die Bundesregierung

a) zum Anteil von sog. sub-standard ships unter den ausgeflaggten Schiffen
deutscher Eigner, die bei der Flaggenstaatskontrolle der entsprechenden
Flaggenstaaten aufgefallen sind, und welche Mängel bzw. Verstöße wur-
den dabei festgestellt (bitte nach Häufigkeit in den Hauptkategorien auf-
schlüsseln),

b) zur Umsetzung der internationalen Vorgaben zur Flaggenstaatskontrolle
durch die Verwaltungen der entsprechenden Flaggenstaaten (Häufigkeit
der Kontrollen, Kontrollintensität), und wie schneiden diese nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den regelmäßigen Leistungsvergleichen der
Hafenstaatkontrollregime ab?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13290

10. Hat die Bundesregierung Informationen darüber, wie viele Schiffe deut-
scher Eigner seit Dezember 2012 in das neu eingerichtete rumänische
Schiffsregister „Romanian International Flag Administration“ (Rifa) ge-
wechselt sind?

a) Wurde die von der Bundesregierung für 2011 angekündigte Unter-
suchung zu den Ursachen der Ausflaggung deutscher Handelsschiffe
inzwischen beauftragt, und wenn ja, liegen die Ergebnisse vor?

b) Welche wesentlichen Gründe nennen die Schiffseigner demnach für die
Entscheidung zur Ausflaggung?

11. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus den Untersu-
chungsergebnissen gezogen, und welche Maßnahmen plant sie in diesem
Zusammenhang, um den fortgesetzten Trend zur Ausflaggung deutscher
Handelsschiffe zu stoppen?

12. Wie hat sich die Zahl der Aus- und Arbeitsplätze auf Handelsschiffen deut-
scher Eigner unter deutscher Flagge seit dem Jahr 2010 entwickelt?

13. Wie hat sich die Zahl der Aus- und Arbeitsplätze auf Handelsschiffen deut-
scher Eigner unter fremder Flagge im gleichen Zeitraum entwickelt?

14. Wie hat sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen deutschen Seeleuten
und Beschäftigten aus EU-Mitgliedstaaten und aus Drittstaaten entwickelt,
die auf Schiffen deutscher Eigner ihren Dienst versehen (bitte nach
deutsch- und fremdflaggigen Schiffen aufschlüsseln)?

15. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der offenen Stel-
len für Kapitäne und Schiffsoffiziere, die deutsche Reedereien anbieten,
seit dem Jahr 2000 entwickelt, und lässt sich aus ihrer Sicht derzeit von
einem Fachkräftemangel sprechen?

16. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung bei einem fortgesetzten
Trend zur Ausflaggung deutscher Handelsschiffe auf europäischer Ebene
vor dem Hintergrund, dass „der Rückgang des Anteils heimischer Flaggen
zunehmend im Widerspruch zu den in den EU-Beihilfeleitlinien festgeleg-
ten Bedingungen für die Tonnagesteuer gerät“ (vgl. Zweiter Bericht der
Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der
maritimen Wirtschaft in Deutschland, Bundestagsdrucksache 17/5572)?

17. Welche Bereiche umfassen die 88 speziellen nationalen Regelungen, die zu
berücksichtigen sind, wenn deutsche Reeder ihre Schiffe wiedereinflaggen
wollen (vgl. die Rede vom Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, Dr. Peter Ramsauer, auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz
2011 in Wilhelmshaven), und sieht die Bundesregierung hier Änderungs-
bedarf, um das Ziel eines Bürokratieabbaus beim deutschen Flaggenrecht
zu erreichen?

18. Welche Schritte hat die Bundesregierung seit 2011 unternommen, um die
auf der 7. Nationalen Maritimen Konferenz angekündigte Modernisierung
der Flaggenstaatverwaltung voranzubringen?

a) In welchem Rahmen wurden dazu Gespräche geführt, und wer war
daran beteiligt?

b) Welche Maßnahmen wurden vereinbart, und wie ist der Umsetzungs-
stand?

19. Plant die Bundesregierung, die bisherige Kompetenzverteilung zwischen
Bund, Ländern und Kommunen bei der Flaggenstaatsverwaltung zu über-
prüfen, und wenn ja, welche Maßnahmen hat sie dazu bisher eingeleitet?

Drucksache 17/13290 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

20. Erwägt die Bundesregierung weiterhin, die Struktur der Flaggenstaatsver-
waltung, die bisher auf verschiedene Stellen – darunter die Dienststelle
Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrs-
wirtschaft sowie die Bundesnetzagentur – verteilt ist, zu überprüfen, und
wenn ja, welche Maßnahmen hat sie dazu bisher eingeleitet?

21. Ist die von der Bundesregierung angekündigte Analyse der Prozesse zwi-
schen dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und der Dienst-
stelle Schiffssicherheit inzwischen abgeschlossen, die zu einer besseren
Kundenorientierung der deutschen Flaggenstaatsverwaltung beitragen soll
(vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 17/7208), und
wenn ja, welche Ergebnisse hatte diese?

a) In welchen Bereichen sieht die Bundesregierung hier Optimierungs-
bedarf?

b) Welche Maßnahmen hat sie bislang eingeleitet?

c) Welche Maßnahmen sind bereits abgeschlossen?

22. Hat die Bundesregierung die für 2011 angekündigte Untersuchung zur
Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Handelsschifffahrt unter deut-
scher Flagge inzwischen beauftragt?

a) Wenn ja, liegen die Ergebnisse bereits vor, bzw. wann wird dies der Fall
sein?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?

23. Plant die Bundesregierung eine Umstellung der Schiffssicherheitszeug-
nisse auf elektronische Dokumente (vgl. die Handlungsempfehlungen der
8. Nationalen Maritimen Konferenz)?

a) Wenn ja, bis wann soll diese erfolgen?

b) Wenn nein, wie begründet sie dies?

24. Welche weiteren Entbürokratisierungsmöglichkeiten und Verbesserungen
im Service für die Schifffahrt bestehen aus Sicht der Bundesregierung, und
zu welchen Ergebnissen haben die diesbezüglichen Gespräche mit den
norddeutschen Küstenländern geführt (vgl. ebd.)?

a) Zu welchem Zeitpunkt soll nach Kenntnis der Bundesregierung die an-
gekündigte Modernisierung der Schiffsregister durch die norddeutschen
Länder erfolgen?

b) In welchen Bereichen ist die Bundesregierung tätig geworden, um das
Ziel einer Entbürokratisierung und eines besseren Service in den Zu-
ständigkeitsbereichen des Bundes zu erreichen?

25. Welche Vor- und Nachteile hat aus Sicht der Bundesregierung ein fakultati-
ves europäisches Flaggenregister, und welche Bedingungen müssten dafür
nach ihrer Einschätzung erfüllt sein?

26. Wird der im Grünbuch der Europäischen Kommission „Die künftige
Meerespolitik der EU“ aus dem Jahr 2007 vorgelegten Vorschlag für ein
EU-Register nach Kenntnis der Bundesregierung auf europäischer Ebene
aktuell weiterverfolgt, und unterstützt die Bundesregierung entsprechende
Überlegungen?

27. Hält die Bundesregierung es für ein geeignetes Instrument, die Einhaltung
der Verabredungen im Maritimen Bündnis künftig an Sanktionen zu knüp-
fen und so die Bündnisziele verbindlicher zu gestalten, und wie begründet
sie ihre Haltung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13290

28. Plant die Bundesregierung eine Evaluierung der „Stiftung Schifffahrts-
standort Deutschland“, um zu prüfen, inwieweit das Modell eines privaten
Fonds das politische Ziel einer verlässlichen Förderung der seefahrtbezo-
genen Ausbildung erfüllt, und wenn ja, in welchem Rhythmus?

29. Welche Gründe gibt es dafür, dass die Bundesregierung auf die ursprüng-
lich geplante Befristung der Regelung zur Ausgleichszahlung bei Ausflag-
gung im „Gesetz zur Änderung des Flaggenrechtsgesetzes und der Schiffs-
registerordnung“ bis zum Jahr 2018 verzichtet hat?

30. Welche Ansatzpunkte bieten sich aus Sicht der Bundesregierung im Rah-
men einer Novelle der Schiffsbesetzungsverordnung, um das Ziel einer
Stärkung der deutschen Flagge zu erreichen?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, die Schifffahrtsförde-
rung des Bundes künftig an die Bedingung zu knüpfen, dass die Eigner
einen Mindestanteil von deutschen (europäischen) Besatzungsmitglie-
dern an Bord ihrer Schiffe garantieren müssen?

b) Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung in diesem Zusam-
menhang von der für den Frühsommer 2013 geplanten Abschaffung der
Visapflicht für die Beschäftigung von Nicht-EU-Seeleuten an Bord von
Schiffen unter deutscher Flagge?

31. Wird die Bundesregierung der Handlungsempfehlung der 8. Nationalen
Maritimen Konferenz nachkommen, für eine längerfristige Verstetigung
der Finanzbeiträge an die Seeschifffahrt im Bundeshaushalt auf der Höhe
des Niveaus von 2010 zu sorgen, und wie begründet sie ihre Haltung?

32. Welche weiteren Maßnahmen sind aus Sicht der Bundesregierung geeignet,
um Anreize für eine Rückflaggung von Schiffen deutscher Eigner unter
deutscher Flagge zu geben und dem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen
am Standort Deutschland entgegenzuwirken, und welche Schritte plant sie
dazu?

Berlin, den 24. April 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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