BT-Drucksache 17/13197

Europäische Zusammenarbeit in der Police Working Group on Terrorism

Vom 17. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13197
17. Wahlperiode 17. 04. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Ulla Jelpke, Niema Movassat,
Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Europäische Zusammenarbeit in der Police Working Group on Terrorism

Seit über 30 Jahren kooperieren europäische Polizeien in der „Police Working
Group on Terrorism“ (PWGT), deren Gründung offensichtlich 1979 erfolgte
(Statewatch bulletin, Mai/Juni 1996). Mitglieder sind die EU-Mitgliedstaaten
sowie Finnland, Norwegen und die Schweiz. Die Gruppe ist keinem übergeord-
neten Gremium rechenschaftspflichtig und agiert mithin informell. Als Ziel galt
die Zusammenarbeit von „Praktikern“, um die „Anti-Terrorismus“-Strukturen
der Mitglieder miteinander zu verzahnen. Die Gruppe hat sich in einem
„Memorandum of Understanding“ gemeinsame Prinzipien zur Zusammenar-
beit gegeben. Mittlerweile existieren mit der EU-Polizeiagentur EUROPOL,
der European Police Chiefs Task Force (EPCTF) und der „Ratsarbeitsgruppe
Terrorismus“ weitere ähnliche Strukturen, deren Verantwortlichkeiten immer-
hin klarer geregelt sind. Dennoch wird die PWGT aufrechterhalten.

Obschon der Name der PWGT einen Fokus auf „Terrorismus“ nahelegt, schei-
nen deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch Informationen zu „Extremis-
mus“ oder allgemeiner Kriminalität auszutauschen. Neben der quasi geheim-
dienstlichen Aufklärung gilt die Zusammenarbeit aber auch der Erleichterung
von operativen Maßnahmen. Hierfür arbeitet die PWGT mit Verbindungsbeam-
tinnen und -beamten der Mitgliedstaaten zusammen. Zu den Kooperationspart-
nern gehört auch EUROPOL. Alle sechs Monate werden Treffen abgehalten,
der Vorsitz rotiert. Die Mitglieder sind untereinander über ein abgesichertes In-
formationssystem vernetzt.

Die Zusammenarbeit in der PWGT ist schwer zu kontrollieren. Durch ihren
intergovernmentalen Charakter ist zu vermuten, dass sich einzelne Mitglied-
staaten in bestimmten Belangen besser durchsetzen können, als andere.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann existiert die PWGT, und aus welchem Anlass wurde sie gegrün-
det?

2. Welche Ziele verfolgt die Gruppe, und wo sind diese festgelegt (bitte hierfür
das „Memorandum of Understanding“ als Anlage beifügen)?
a) Inwiefern haben sich diese Ziele seit der Gründung verändert?

b) Inwiefern wurden die etwaigen veränderten Ziele auch im „Memoran-
dum of Understanding“ bzw. an anderer Stelle verbindlich festgelegt?

3. Welche Behörden welcher Regierungen sind seit wann (soweit für die Bun-
desregierung zu rekonstruieren) Mitglieder der PWGT?

Drucksache 17/13197 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Mit welchen Abteilungen welcher Polizeien beteiligen sich nach Kennt-
nis der Bundesregierung die Mitglieder an der PWGT?

b) Über welche jeweiligen nationalen Kontaktstellen wird der Austausch
von Informationen sowie die weitere Zusammenarbeit organsiert?

4. Inwiefern trifft es zu, dass die PWGT keinem übergeordneten Gremium re-
chenschaftspflichtig ist und mithin informell agiert?

5. Welche Treffen der PWGT haben seit ihrer Gründung stattgefunden, wer
hat diese vorbereitet, und welche Themen sowie Inhalte wurden jeweils be-
handelt (sofern die Bundesregierung hierzu keine Aufzeichnungen führt,
bitte für die letzten zehn Jahre darstellen)?

6. Welche Kosten übernimmt die Bundesregierung in Zusammenhang mit der
Arbeit der PWGT (bitte nach wichtigsten Ausgaben darstellen), aus wel-
chem Budget werden diese entnommen, und wie hoch waren diese in den
vergangenen zehn Jahren jeweils?

7. Wie werden die Treffen der PWGT vorbereitet und durchgeführt?

a) Wie und wo wird bestimmt, in welchem Land ein Treffen abgehalten
wird?

b) Wer bereitet die Treffen dann vor?

c) Auf welche Weise können die Mitglieder die vorgesehene Tagesord-
nung mitbestimmen?

d) Inwiefern und auf welchen Wegen wird die Bundesregierung über die
Treffen sowie die besprochenen Inhalte und ggf. getroffenen Absprachen
informiert?

8. Auf welche Art und Weise und in welchen Fällen arbeitet die PWGT mit
der EU-Polizeiagentur EUROPOL zusammen?

9. Auf welche Art und Weise und in welchen Fällen arbeitet die PWGT auch
mit dem Club de Bérne, der Counter Terrorism Group (CGT) oder der Eu-
ropean Police Chiefs Task Force (EPCTF) zusammen?

10. Inwiefern und seit wann sind die Mitglieder der PWGT über ein eigenes
Informationssystem vernetzt?

a) Wer hat dieses Informationssystem errichtet?

b) Wer darf darauf zugreifen?

c) Welche Kosten fielen dafür an, und wie wurden diese getragen?

11. Inwieweit übernahm die PWGT zur Zeit ihrer Gründung Aufgaben, die
mittlerweile auch von der EUROPOL, der EPCTF und der „Ratsarbeits-
gruppe Terrorismus“ abgedeckt werden?

a) Welche weiteren Überschneidungen von Zuständigkeiten oder Kompe-
tenzen haben sich aus Sicht der Bundesregierung durch den Umbau der
EU-Sicherheitsarchitektur und den Vertrag von Lissabon hinsichtlich
der PWGT ergeben?

b) Welche Gründe hält die Bundesregierung für maßgeblich, trotz zahl-
reicher weiterer, ähnlicher Strukturen an der PWGT festzuhalten?

c) Inwieweit hat die Bundesregierung etwaige Bedenken hinsichtlich einer
Überschneidung von Zuständigkeiten oder Kompetenzen in der PWGT
vorgetragen, und welches Ergebnis kann sie hierzu mitteilen?

12. Inwieweit trifft es zu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch In-

formationen zu „Extremismus“ oder allgemeiner Kriminalität austauschen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13197

Inwieweit hat sich diese Praxis erst im Laufe der Arbeit der PWGT erge-
ben, und welche weiteren Details kann die Bundesregierung hierzu mittei-
len?

13. Inwieweit trifft es zu, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer operative
Maßnahmen insofern in die PWGT einbringen, als dass deren Vorbereitun-
gen, Auswertungen oder Schlussfolgerungen Gegenstand von Beiträgen
sind?

14. Inwieweit stützt sich die Arbeit der PWGT auf europäische Netzwerke von
Verbindungsbeamtinnen und -beamten?

a) Mit welchen derartigen Netzwerken oder anderweitig organisierten Ver-
bindungsbeamtinnen und -beamten arbeitet die PWGT in der Regel oder
im Einzelfall zusammen?

b) Worin besteht die Aufgabe der Verbindungsbeamtinnen und -beamten
im Falle einer Zusammenarbeit?

15. Inwieweit und in welchen Fällen werden über die PWGT empfangene In-
formationen vom Bundeskriminalamt (BKA) in eigenen Datenbanken ge-
speichert?

a) Welche Informationssysteme kommen hierfür infrage?

b) Inwiefern sind die Daten dann auch über europäische Fahndungssys-
teme, darunter das SIS II, abrufbar?

c) Wer trifft die Entscheidung zur weiteren Speicherung in den eigenen
Datenbanken?

d) Wer trifft die Entscheidung zur Löschung aus den eigenen Datenban-
ken?

e) Inwiefern trifft es zu, dass beim BKA geführte Kriminalakten im nach-
hinein (etwa wegen fehlerhafter Informationen) nicht gesperrt werden
können?

16. Wie wird beim BKA oder anderen in der PWGT aktiven deutschen Behör-
den der Wahrheitsgehalt von über den Kanal der PWGT eingegangenen In-
formationen überprüft?

17. Inwiefern und in welchen Fällen hat sich die PWGT auch mit dem soge-
nannten „Euro-Anarchismus“, Tierrechtsgruppen, „No Border-Aktivis-
mus“ oder anderem linken Aktivismus beschäftigt (Bundestagsdrucksache
17/9756)?

18. Inwiefern ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in der PWGT ein-
zelne Mitgliedstaaten in bestimmten Belangen über mehr Durchsetzungs-
kraft verfügen, als andere?

Wie sieht die Bundesregierung sichergestellt, dass einzelne Mitgliedstaaten
die PWGT nicht zur Verfolgung von im eigenen Land missliebigen Grup-
pen missbrauchen?

19. In welchen Fällen hat das BKA bzw. haben andere Behörden der Bundesre-
gierung in den letzten fünf Jahren über das Netzwerk bzw. die Kontakt-
stelle der PWGT mit Belgien nicht nur Informationen zu „Terrorismus“,
sondern auch zu „Kriminalität“ oder „Extremismus“ ausgetauscht (sofern
hierüber keine Statistiken geführt werden, bitte, soweit bei den zuständigen
Stellen erinnerlich, angeben)?

20. Inwieweit trifft es nach Kenntnis des Bundesministeriums des Innern zu,
dass – wie den Fragestellern zugetragen wurde – die belgische PWGT-

Kontaktstelle im Jahr 2010 falsche Informationen über 380 vermeintliche
internationale Aktivistinnen und Aktivisten eines „No Border Camps“ auch

Drucksache 17/13197 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
an das BKA weitergab, wonach diese angeblich nach einem Angriff auf
eine Brüsseler Polizeiwache vorsorglich festgenommen wurden, obwohl
Beschädigungen einiger Scheiben an besagter Polizeiwache durch eine
Handvoll Demonstrantinnen und Demonstranten erst als Reaktion auf die
Massenfestnahmen erfolgten, die 380 Betroffenen mithin mit einem fal-
schen, kriminalisierenden Tatsachenhergang beim BKA gespeichert sind?

a) Inwiefern trifft es zu, dass die falsche Interpretation der Übermittlung
aus Belgien erst durch das BKA erfolgte?

b) Inwiefern nimmt das Bundesministerium des Innern dies zum Anlass,
die besagte Speicherung in ihren eigenen Informationssystemen zu
überprüfen?

c) Inwieweit wird sie das Ergebnis, soweit sich die Annahme der Frage-
stellerinnen und Fragesteller bestätigt, gegenüber der belgischen Kon-
taktstelle der PWGT zur Sprache bringen?

21. Welchen Zweck erfüllt das System „LISA“ bzw. „LISA-Ausland“ bei der
Abteilung „ST“, und wann wurde es eingerichtet (bitte hierfür die entspre-
chende Errichtungsanordnung beilegen)?

a) Inwiefern werden Informationen aus „LISA“ auch über die PWGT ver-
teilt bzw. über die PWGT empfangene Informationen in „LISA“ einge-
speist?

b) Welche Software kommt für „LISA“ zum Einsatz?

Berlin, den 17. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.