BT-Drucksache 17/13167

Mögliche Schädigung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Zuge der Postprivatisierung

Vom 28. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13167
17. Wahlperiode 28. 03. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Michael Schlecht, Harald Koch,
Ulrich Maurer, Richard Pitterle und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Schädigung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Zuge
der Postprivatisierung

Bis zu ihrer Privatisierung war die Deutsche Bundespost zur Eigenwirtschaft-
lichkeit verpflichtet, durfte also keine Zuschüsse aus der Bundeskasse erhalten,
sondern musste ihre Ausgaben durch selbsterwirtschaftete Einnahmen decken.
Auch die Pensionsausgaben für ihre Beamten musste die Deutsche Post bis zur
zweiten Postreform 1995, die zur Gründung der Deutschen Post AG, der Deut-
schen Telekom AG und der Deutschen Postbank AG führte, aus ihren Eigenmit-
teln finanzieren. Im Zuge der Privatisierung 1995 wurde die Pensionsfinanzie-
rung neu geregelt und dabei der Großteil der zu leistenden Pensionszahlungen
auf den Bund abgewälzt. Zwischen 1995 und 2010 zahlte der Bund insgesamt
mehr als 37 Mrd. Euro an Pensionssubventionen. Dabei stiegen die jährlich vom
Steuerzahler zu tragenden Subventionen von 151 Mio. Euro (1995) auf 3,203
Mrd. Euro (2010) an. Dagegen nahmen die Beiträge der Deutschen Post AG
zum Pensionsfonds von 2,045 Mrd. Euro (pro Jahr zwischen 1995 bis 1999) auf
540 Mio. Euro (2010) ab, erreichten zuletzt also nur noch ein Sechstel dessen,
was die Steuerzahler zur Finanzierung der Pensionen beitragen (vgl. Präsident
des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in
der Verwaltung (Hrsg.) 2009: Die Postreform in Deutschland. Eine Rückschau).

Auf Drängen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und ihres Bundes-
ministers der Finanzen, Hans Eichel (SPD), hat der dem Bundesministerium der
Finanzen (BMF) zugehörige Bundes-Pensions-Service für Post und Telekom-
munikation e. V. in den Jahren 2005 und 2006 einen Großteil seiner Forderungen
gegenüber den Postnachfolgeunternehmen für 7,1 Mrd. Euro an ein Bankenkon-
sortium unter Führung der US-amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs
verkauft. Diese Einnahmen wurden zur Sanierung des Bundeshaushalts zweck-
entfremdet und trugen dazu bei, das Haushaltsdefizit im Jahr 2006 wieder unter
die Maastricht-Obergrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu
drücken. Diese kurzfristige Haushaltssanierung wurde jedoch teuer erkauft.
Einer Entlastung des Bundeshaushalts 2005 um rund 4,7 Mrd. Euro und rund
2,4 Mrd. Euro im Jahr 2006 stehen für die Jahre 2007 bis 2021 Mehrausgaben
in Höhe von rund 9,2 Mrd. Euro entgegen. Durch die beiden seinerzeit streng ge-

heim gehaltenen Kapitalmarkttransaktionen wurde der Bundeshaushalt also um
insgesamt 2,1 Mrd. Euro belastet (vgl. Bundesrechnungshof, Bericht an den Haus-
haltsausschuss des Deutschen Bundestages, Ausschussdrucksache 16(8)1525).

Auch die vom BMF geförderte Praxis der Frühpensionierung von Beamten hat
den Bundeshaushalt stark belastet. Zwischen 1995 und 2006 haben die Post-
nachfolgeunternehmen die Anzahl der beamteten Beschäftigten von etwa
255 000 auf ca. 105 000 Personen reduziert. Wie Daten des Statistischen Bun-

Drucksache 17/13167 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

desamtes belegen, wurde ein ungewöhnlich hoher Anteil von Beamtinnen und
Beamten der Deutschen Bundespost wegen angeblicher Dienstunfähigkeit vor-
zeitig pensioniert, was laut Bundesrechnungshof zu einer „höheren Belastung
des Bundes bei den Pensionsverpflichtungen“ geführt hat. Laut Bundesrech-
nungshof wurden zwischen 1995 und 2001 rund 75 000 und seit 2002 etwa
25 000 Beamtinnen und Beamte wegen vermeintlicher Dienstunfähigkeit zu
einem großen Teil 20 Jahre vor Vollendung ihres 65. Lebensjahres frühpen-
sioniert (General-Anzeiger Bonn vom 9. Februar 2011 sowie REPORT MAINZ
vom 29. Juni 2009).

Um die Frühpensionierung von Beamten weiter zu erleichtern, setzte der ehema-
lige Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, im Jahr 2006 eine Vorruhe-
standsregelung durch, die es den Postnachfolgeunternehmen ermöglichte, Be-
amtinnen und Beamte schon mit 55 Jahren in Rente zu schicken. Laut Aussage
des damaligen Bundesministers, Peer Steinbrück, der das „Zweite Gesetz zur
Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bun-
deseisenbahnvermögen und in den Unternehmen der Deutschen Bundespost“ im
Deutschen Bundestag verteidigt hatte, handelt es sich bei dieser 55er-Vorruhe-
standsregelung um eine für den Bund „kostenneutrale“ Regelung, was allerdings
vom Bundesrechnungshof bestritten wurde und wird.

In einem Beihilfeverfahren wurde das BMF von der EU-Wettbewerbskommis-
sion aufgefordert, vom Postnachfolgeunternehmen Deutsche Post AG bis zu
1 Mrd. Euro an illegalen Beihilfen zurückzufordern. Statt sich über diesen
Schiedsspruch zugunsten deutscher Steuerzahler zu freuen, klagten sowohl das
BMF als auch die Deutsche Post AG gegen diese Entscheidung mit dem Ergeb-
nis, dass die Deutsche Post AG nur rund 300 Mio. Euro illegaler Beihilfen an
den Bund zurückzahlen sollte (vgl. General-Anzeiger Bonn vom 30. Mai 2012).
Nach Aussage des BMF besteht allerdings nach wie vor ein Dissens mit der
Europäischen Kommission über die Umsetzung des Beschlusses C36/2007 vom
25. Januar 2012.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viel Milliarden Euro an Pensionssubventionen wird der Bund von 1995
an bis zum Jahr 2020 voraussichtlich an die ehemals Beschäftigten der Deut-
schen Post und ihrer Nachfolgeunternehmen zahlen müssen, und wie viel
Milliarden Euro bis zum Jahr 2030?

Gibt es dazu aktuelle Berechnungen, und falls nein, warum nicht?

Falls ja, wie verhalten sich diese zu den Schätzungen über den Umfang der
Pensionssubventionen, die zum Zeitpunkt der Postprivatisierung im Jahr
1995 angestellt wurden?

2. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Verkauf von Forderungen in
Höhe von 7,1 Mrd. Euro an ein Bankenkonsortium unter Führung von
Goldman Sachs seinerzeit richtig war?

3. Welche Mitglieder der damaligen Bundesregierung wurden im Vorfeld von
dem geplanten Forderungsverkauf des Bundes-Pensions-Service für Post und
Telekommunikation e. V. an Goldman Sachs unterrichtet?

4. Hätte der Deutsche Bundestag in diese Entscheidung zum Forderungsverkauf
nach Ansicht der Bundesregierung einbezogen werden müssen?

Falls nein, warum nicht?

5. Welche Investmentbanken und externen Berater hat die Bundesregierung
zur Vorbereitung/Begleitung und/oder Abwicklung dieser Finanzmarkttrans-

aktionen seinerzeit beauftragt, und wie viel Honorar haben die Auftragneh-
mer dafür vom Bund erhalten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13167

6. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass durch die Praxis der Frühpen-
sionierung in erster Linie die Steuerzahler geschädigt wurden, während die
Postnachfolgeunternehmen in großem Umfang finanziell entlastet wurden?

Falls nein, warum nicht?

7. Warum hat die Bundesregierung das Beihilfeverfahren der Europäischen
Kommission gegen die Deutsche Post AG nicht dazu genutzt, um die Deut-
sche Post AG zu zwingen, wenigstens 1 Mrd. Euro an Beihilfen an den
Bund zurückzuzahlen?

8. Wird die Bundesregierung nach Klärung der Rückzahlung durch die Deut-
sche Post AG auch das Postnachfolgeunternehmen Deutsche Telekom AG
verpflichten, die in ähnlicher Höhe auch an dieses DAX-Unternehmen vom
BMF gezahlten Beihilfen zurückzuzahlen?

Wenn nein, warum nicht?

9. Teilt die Bundesregierung die seinerzeit von Bundesfinanzminister Peer
Steinbrück vertretene Auffassung, dass die sogenannte 55er-Vorruhestands-
regelung, die es den Beamten der Postnachfolgeunternehmen bis zum 31. De-
zember 2012 ermöglichte, ab Vollendung des 55. Lebensjahrs in Vorruhe-
stand zu gehen, den Bundeshaushalt nicht belastet hat, also „kostenneutral“
war?

Falls ja, mit welcher Begründung?

Falls nein, welche Zusatzkosten werden sich aus dieser Regelung für den
Bund ergeben?

10. Wann gedenkt die Bundesregierung, die während der Laufzeit des Geset-
zes entstandene und noch bis zum Jahr 2022 entstehende finanzielle Mehr-
belastung der Postbeamtenversorgungskasse, von der (den) Aktiengesell-
schaft(en) einzufordern, nachdem im Gesetzestext versichert wird: „Die
Aktiengesellschaft trägt die finanziellen Mehrbelastungen der Postbeam-
tenversorgungskasse, die sich aus dem vorzeitigen Beginn des Ruhestan-
des aus diesem Gesetz ergeben.“?

Berlin, den 22. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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