BT-Drucksache 17/12903

zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Diether Dehm, Thomas Nord, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/7484 - Die Europäische Sozialcharta unverzüglich umsetzen

Vom 21. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12903
17. Wahlperiode 21. 03. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Dr. Diether Dehm, Thomas Nord,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/7484 –

Die Europäische Sozialcharta unverzüglich umsetzen

A. Problem

Deutschland hat nach Aussage der antragstellenden Fraktion die revidierte Fas-
sung der Europäischen Sozialcharta, mit der weitergehende soziale Grund-
rechte auf europäischer Ebene festgeschrieben worden seien, zwar unterzeich-
net, nicht aber ratifiziert. Zudem seien wichtige Teile der Charta in Deutschland
noch nicht umgesetzt worden.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag
die revidierte Fassung der Europäischen Sozialcharta umgehend zur Ratifizie-
rung zuleitet. Darüber hinaus müssten zur Umsetzung der Charta Maßnahmen
eingeleitet werden, insbesondere zu Artikel 1 Absatz 2 der Charta, um „das
Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch
eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen“. Ferner solle zur Umsetzung
von Artikel 4 Absatz 1 der Charta ein flächendeckender gesetzlicher Mindest-
lohn in Höhe von 10 Euro brutto pro Stunde eingeführt werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Kostenrechnungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 17/12903 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/7484 abzulehnen.

Berlin, den 20. März 2013

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Sabine Zimmermann
Vorsitzende

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und umgesetzt wor- Aus den Nachbarländern werde bereits der Vorwurf des So-

den. Der Bezugsrahmen sei hier der Europarat. Von dessen
anderen Mitgliedern hätten einige erheblich größere
Schwierigkeiten, die vereinbarten Sozialstandards umzuset-

zialdumpings in Deutschland erhoben. Die Fraktion teile
auch die Forderung nach Einführung eines allgemeinen
Mindestlohns, aber nicht in Höhe von 10 Euro pro Stunde.
Bericht des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/7484 ist in der 139. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 10. November 2011 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung sowie an den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Die antragstellende Fraktion fordert, dass die Bundesregie-
rung dem Deutschen Bundestag die revidierte Fassung der
Europäischen Sozialcharta umgehend zur Ratifizierung zu-
leitet. Deutschland habe die Charta bisher zwar unterzeich-
net, nicht aber ratifiziert. Zudem seien wichtige Teile noch
nicht umgesetzt. Umgesetzt werden müsste insbesondere
Artikel 1 Absatz 2 der Charta, in dem die Unterzeichner
sich verpflichteten, das Recht des Arbeitnehmers wirksam
zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch eine frei über-
nommene Tätigkeit zu verdienen, ferner Artikel 4 Absatz 1,
mit dem die Vertragsparteien sich verpflichteten, das Recht
der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen, wel-
ches ausreicht, um ihnen und ihren Familien einen ange-
messenen Lebensstandard zu sichern. Zur Umsetzung solle
ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von
10 Euro brutto pro Stunde eingeführt werden, der jährlich
mindestens in dem Maße steige wie die Lebenshaltungskos-
ten. Darüber solle u. a. eine gesetzliche Höchstarbeitszeit
von 40 Stunden, statt bisher 48 Stunden, eingeführt werden.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europä-
ischen Union hat den Antrag auf Drucksache 17/7484 in
seiner Sitzung am 20. März 2013 beraten und dem Deut-
schen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung emp-
fohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 17/7484 in seiner 128. Sitzung am 20. März
2013 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag als unbe-
rechtigt ab. Die EU-Sozialcharta sei bereits 1965 von der

zen als Deutschland. Beispielweise beim Mutterschutz und
der kostenfreien Schulbildung gelte die Bundesrepublik
Deutschland eher als Vorbild denn als Nachzügler. Zudem
verknüpfe der Antrag willkürlich Forderungen zur Sozial-
charta mit allgemeinen sozialpolitischen Forderungen, wie
der nach einem allgemeinen Mindestlohn. Dieser sei nicht
Bestandteil der EU-Sozialcharta.

Die Fraktion der SPD stimmte der Forderung nach Ratifi-
zierung der EU-Sozialcharta zu. Etliche Sozialstandards der
Charta seien tatsächlich noch nicht umgesetzt. Auch mache
der Vergleich mit teils schlechteren Verhältnissen in anderen
Staaten Reformen und Verbesserungen in Deutschland nicht
überflüssig. Der Antrag wecke allerdings den Verdacht, zu
sehr auf den Wahlkampf zu schauen; denn wer Wünschens-
wertes vorschlage, müsse auch Vorschläge für dessen Reali-
sierung unterbreiten. Das aber fehle in dem Antrag. Es
müsse dafür gesorgt werden, dass alle Menschen von ihrer
Arbeit auch leben könnten. Durch den Antrag werde das
aber nicht eingelöst.

Die Fraktion der FDP schloss sich der Bewertung durch
die CDU/CSU-Fraktion an. Der Antrag verknüpfe bereits
seit langem bekannte Forderungen, wie die nach dem allge-
meinen Mindestlohn, mit Forderungen zur Sozialcharta. Da-
bei begründeten die Antragsteller nicht einmal, wie sie Re-
gelsätze nach dem SGB II und SGB XII in Höhe von
500 Euro monatlich errechneten. Es sei darüber hinaus eine
beträchtliche Differenz zwischen einem Existenzminimum
von 500 Euro und einem existenzsichernden Mindestlohn
von 10 Euro festzustellen. Welche Summe sei nun nötig, um
die Existenz zu decken? Anders als im Antrag behauptet,
werde der Regelsatz im SGB II und SGB XII durchaus ver-
fassungsgemäß bemessen. Das geltende Gesetz lege diesen
armutsfest fest.

Die Fraktion DIE LINKE. forderte, die EU-Sozialcharta
50 Jahre nach ihrer Unterzeichnung endlich auch zu ratifi-
zieren. Die Bundesregierung solle den Vertrag dazu dem
Deutschen Bundestag unverzüglich zuleiten. Zudem seien
wichtige Teile dieser Übereinkunft in Deutschland noch
nicht umgesetzt. Dazu gehöre das in der Charta verbriefte
Recht jedes Arbeitnehmers, sich seinen Lebensunterhalt auf
angemessenem Niveau selbst verdienen zu können, ebenso
die Festlegung einer Höchstarbeitszeit von 40 Stunden pro
Woche. Die Charta lege darüber hinaus fest, dass Produkti-
vitätssteigerungen sich in einer Reduzierung der Arbeitszeit
der Beschäftigten niederschlagen müssten. Davon sei in der
Bundesrepublik Deutschland nichts zu erkennen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützte
die Forderung nach Ratifizierung der EU-Sozialrechts-
charta. Die Umsetzungsforderungen des Antrags sehe die
Fraktion dagegen teilweise kritisch. Zwar müsse es gesetzli-
che Regelungen etwa zum allgemeinen Mindestlohn geben.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12903

Drucksache 17/12903 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Berlin, den 20. März 2013

Dr. Johann Wadephul
Berichterstatter

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