BT-Drucksache 17/12870

a) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/10094 - Rentenzahlungen für Beschäftigungen in einem Ghetto rückwirkend ab 1997 ermöglichen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/7985 - Renten für Leistungsberechtigte des Ghetto-Rentengesetzes ab dem Jahr 1997 nachträglich auszahlen

Vom 20. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12870
17. Wahlperiode 20. 03. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/10094 –

Rentenzahlungen für Beschäftigungen in einem Ghetto rückwirkend
ab 1997 ermöglichen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Matthias W. Birkwald,
Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/7985 –

Renten für Leistungsberechtigte des Ghetto-Rentengesetzes ab dem Jahr 1997
nachträglich auszahlen

A. Problem

Rentenanträge nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäf-
tigungen in einem Ghetto (ZRBG) sind in den ersten Jahren der Gesetzesgeltung
nach Angaben der Antragsteller überwiegend abgelehnt worden. Eine Überprü-
fung durch das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar zur Anerkennung von
rund 90 Prozent der Anträge geführt. Aber die nachträglich anerkannten Renten
konnten statt rückwirkend zum Jahr 1997 erst ab dem Jahr 2005 bewilligt wer-
den – entsprechend der in § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)
vorgesehenen Rückwirkung eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwal-
tungsaktes von maximal vier Jahren. Das widerspreche in diesem Zusammen-
hang dem erklärten Willen des Deutschen Bundestages.

B. Lösung

Zu Buchstabe a
Die antragstellenden Fraktionen fordern einen Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung, wonach für ehemalige Ghetto-Insassen bei fristgerecht gestellten, aber zu-
nächst bestandskräftig abgelehnten und erst nach 2009 bewilligten Rentenanträ-
gen aus dem ZRBG eine rückwirkende Auszahlung der Rente ab dem 1. Juli
1997 ermöglicht werde. Alternativ dazu sei bei Verzicht auf die Verlängerung
der Rückwirkung eine Änderung der „Richtlinie der Bundesregierung über eine
Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine

Drucksache 17/12870 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zwangsarbeit war (Anerkennungsrichtlinie)“ vom 20. Dezember 2011 vorzu-
nehmen, so dass der Betrag, der sich aus der Summe der monatlichen Renten-
zahlungen bei einem Rentenbeginn ab dem Jahr 1997 ergeben hätte, als Kapital-
zahlung zu gewähren sei.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/10094 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion DIE LINKE. fordert einen Gesetzentwurf der Bundesregierung,
der die rechtlichen Grundlagen dafür schaffe, jenen Leistungsberechtigten des
ZRBG, deren Rentenansprüche ursprünglich abgelehnt und erst nach der Ent-
scheidung des BSG im Juni 2009 bewilligt worden seien, die Rentenzahlungen
rückwirkend ab dem 1. Juli 1997 zu gewähren.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/7985 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme eines Antrags.

D. Kosten

Zu Buchstabe a

Kostenberechnungen werden nicht angestellt.

Zu Buchstabe b

Die Antragsteller verweisen auf die Kostenschätzung des ZRBG – für je 1 000 Be-
rechtigte jährliche Mehrausgaben von rund 1,6 Mio. Euro. Das ergebe bei rund
20 000 Leistungsberechtigten und sechseinhalb Jahren Rückzahlung rund
208 Mio. Euro.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12870

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/10094 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 17/7985 abzulehnen.

Berlin, den 20. März 2013

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Sabine Zimmermann
Vorsitzende

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter

die im Ghetto geleistet wurde, prinzipiell die Voraussetzun- furt a. M.,

gen einer freien Beschäftigung erfüllen kann und als Bei-
tragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuerken-
nen sei. Die Auszahlung von Renten sei jedoch zunächst an

– Sachverständiger Prof. Dr. Ulrich Steinwedel, Kassel,

– Sachverständiger Dr. Jan-Robert von Renesse, Essen,
Drucksache 17/12870 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen)

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

1. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Antrag auf Drucksache 17/10094 ist in der 187. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 28. Juni 2012 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
sowie an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Fi-
nanzausschuss und den Haushaltsausschuss zur Mitberatung
überwiesen worden.

Zu Buchstabe b

Der Antrag auf Drucksache 17/7985 ist in der 155. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 26. Januar 2012 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
sowie an den Innenausschuss und den Haushaltsausschuss
zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Rechtsausschuss und der Haushaltsausschuss haben
den Antrag auf Drucksache 17/10094 in ihren Sitzungen am
13. März 2013 beraten und dem Deutschen Bundestag
gleichlautend mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
der Vorlage empfohlen. Der Innenausschuss und der Finanz-
ausschuss haben den Antrag auf Drucksache 17/10094 in
ihren Sitzungen am 20. März 2013 beraten und dem Deut-
schen Bundestag ebenfalls mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung der Vorlage empfohlen.

Zu Buchstabe b

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/7985 in seiner Sitzung am 8. Februar 2012 beraten und
dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die
Ablehnung der Vorlage empfohlen. Der Innenausschuss hat
den Antrag auf Drucksache 17/7985 in seiner Sitzung am
20. März 2013 beraten und dem Deutschen Bundestag mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung der Vorlage
empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Das Bundessozialgericht hat 1997 entschieden, dass Arbeit,

gebiet vorgelegen haben. Der Gesetzgeber sei jedoch ent-
schlossen gewesen, diese Probleme zu überwinden, nicht zu-
letzt, weil es hier auch um eine Form der Wiedergutmachung
des vom NS-System begangenen Unrechts gegangen sei.
Um dies zu gewährleisten, habe er mit dem ZRBG „im Be-
reich der gesetzlichen Rentenversicherung Neuland betre-
ten“. Der Bundestag hat diesem Gesetz am 25. April 2002
einstimmig zugestimmt. Mit dem rückwirkenden Inkraft-
treten zum 1. Juli 1997 habe der Bundestag die Zahlbar-
machung der Rentenansprüche ab 1997 ermöglichen wollen.
Der Anwendungsbereich des Gesetzes erstrecke sich auf Ar-
beiten, die „aus eigenem Willensentschluss“ und „gegen
Entgelt“ ausgeübt wurden. Die Rentenversicherungsträger
hätten die Begriffe der „Freiwilligkeit“ und des „Entgelts“
derart restriktiv ausgelegt, dass sich eine Ablehnungsquote
von nahezu 90 Prozent ergeben habe. Erst die Entscheidung
des Bundessozialgerichts von 2009 habe den Weg frei ge-
macht für eine der damaligen historischen Situation ange-
messene Interpretation der strittigen Begriffe. Die von den
Rentenversicherungsträgern daraufhin vorgenommenen
Neuüberprüfungen der zuvor abgelehnten Anträge habe eine
Anerkennungsquote von über 90 Prozent ergeben. Die Rück-
wirkung gelte nun aber erst ab dem 1. Januar 2005. Die Bun-
desregierung habe dies mit der im allgemeinen Sozialrecht
geltenden Praxis einer maximal vier Jahre möglichen Rück-
wirkung erklärt. Im konkreten Fall sei diese Praxis jedoch
nicht hinnehmbar. Es sei beschämend genug, dass Rentenan-
sprüche der ins Ghetto gezwungenen Menschen erst Ende
der 90er-Jahre bestätigt wurden.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung der
Anträge auf Drucksache 17/10094 und 17/7985 in seiner
114. Sitzung am 24. Oktober 2012 aufgenommen und die
Durchführung einer öffentlichen Anhörung von Sachver-
ständigen beschlossen. Die Anhörung fand in der 118. Sit-
zung am 10. Dezember 2012 statt.

Die Teilnehmer der Anhörung haben schriftliche Stellung-
nahmen abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 17(11)
1022 – neu – zusammengefasst sind.

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
haben an der Anhörung teilgenommen:

– Bund Deutscher Sozialrichter e. V.,

– Deutsche Rentenversicherung Bund,

– Deutscher Gewerkschaftsbund,

– Center of Organizations of Holocaust Survivors in Israel,

– Sachverständiger Prof. Dr. Franz Ruland, München,

– Sachverständiger Prof. Dr. iur. Heinz-Dietrich Steinmeyer,
Münster,

– Sachverständiger Prof. Dr. Hermann Plagemann, Frank-
rechtlichen Problemen gescheitert, insbesondere weil nicht
im erforderlichen Umfang Beitragszeiten aus dem Bundes-

– Sachverständiger Michael Teupen, Köln,

– Sachverständiger Dr. Stephan Lehnstaedt, Warschau.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12870

Der Bund Deutscher Sozialrichter (BDS) sieht ein erheb-
liches allgemeinpolitisches Interesse daran, eine Gleichbe-
handlung der überlebenden Ghettoarbeiter möglichst bald
herbeizuführen – unabhängig davon, ob sie in Ansehung der
bisherigen Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung zur
beitragspflichtigen Beschäftigung in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung ihre Rentenanträge nach dem ZRBG nicht
weiterverfolgt oder Rechtbehelfe und Rechtsmittel zurück-
genommen hätten, oder ob sie die Rentenanträge aufrecht er-
halten hätten. Es sei das erklärte Ziel des Gesetzgebers des
ZRBG gewesen, Ghettorenten unabhängig davon zu bewilli-
gen, in welchem vom Deutschen Reich beherrschten Gebiet
die Beitragszeiten zurückgelegt worden seien und in wel-
chem Staat der Berechtigte sich nunmehr aufhalte. Damit ha-
be der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht,
Ghettorenten nach gleichen Maßstäben und so weit wie
möglich unabhängig von historischen oder anderen Zufällig-
keiten zu bewilligen, die außerhalb des unmittelbaren Ein-
flussbereichs der Betroffenen lägen. Eine Aufstockung der
Anerkennungsleistung nach der Anerkennungsrichtlinie er-
scheint aus Sicht des BDS am besten geeignet, ggf. zeitauf-
wändige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu vermeiden
und so die zügige Auszahlung der Nachzahlungsbeträge zu
gewährleisten. Angesichts des hohen Alters der Betroffenen
sollten die Nachzahlungen zeitnah erfolgen. Dies sei über eine
entschädigungsrechtlichen Grundsätzen folgende Lösung
eher zu erreichen als über eine Nachbewilligung von Rente.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund spricht sich ins-
besondere gegen eine rentenrechtliche Neuregelung aus und
sieht auch in einer entschädigungsrechtlichen Neuregelung,
die an rentenrechtliche Grundsätze anknüpfe, keinen gang-
baren Weg. Die geltende Rechtslage hinsichtlich der Dauer
der Rückzahlung von Rentenleistungen, die im Rahmen einer
Überprüfung festgesetzt würden, sei eindeutig und vom BSG
geklärt. Die vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtslage
von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie DIE LINKE. angeregten gesetzlichen Neuregelungen
mit dem Ziel, eine Rechtsgrundlage für eine zusätzliche Leis-
tung für die Betroffenen zu schaffen, werfe neue Fragen hin-
sichtlich einer Gleichbehandlung aller ZRBG-Berechtigten
auf. Denn es sei nicht begründbar, dass die Überprüfungsbe-
rechtigten insgesamt höhere Leistungen erhielten als diejeni-
gen, deren Rente von Anfang an mit einem Rentenbeginn Juli
1997 festgestellt worden seien. Zudem wäre die Umsetzung
der angedachten gesetzlichen Neuregelung mit einem erheb-
lichen Verwaltungsaufwand verbunden. Würde in den ent-
sprechenden Fällen rückwirkend ab Juli 1997 Rente gezahlt,
müsste der Zugangsfaktor im Rahmen der Rentenneufeststel-
lung entsprechend herabgesetzt werden mit der Folge, dass
die monatliche Rentenzahlung, die dann auch für den Nach-
zahlungszeitraum maßgeblich wäre, geringer ausfallen wür-
de. Die Betroffenen müssten über die unterschiedlichen
Rechtsfolgen zunächst informiert und beraten werden. Ihnen
müsste ein Wahlrecht eingeräumt werden, ob sie ggf. auf die
Anwendung der gesetzlichen Neuregelung in ihrem Einzel-
fall verzichten und stattdessen weiter die bereits festgesetzte
Rente mit dem höheren Zugangsfaktor beziehen möchten.
Sofern sich die Berechtigten für die Neufeststellung entschie-
den, wären in einem weiteren Schritt die in der Vergangenheit
erlassenen rechtmäßigen Bescheide aufzuheben, die Rente

Nachzahlung zu verrechnen. Eine zügige Auszahlung der
Leistungen an die Berechtigten wäre vor diesem Hintergrund
nicht gewährleistet.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äußert Verständ-
nis für das Anliegen der Antragsteller. Die Rentenempfän-
ger, um die es hier gehe, hätten fristgerecht Anträge gestellt
und aufgrund der zu restriktiven Auslegung des Begriffs der
„freiwilligen Beschäftigung gegen Entlohnung in Ghettos“
zu Unrecht keine Leistung erhalten. Ihnen eine Nachzahlung
rückwirkend bis 1997 zu verweigern, sondern nur ab 2005 zu
zahlen, stelle insofern eine Härte dar und widerspreche dem
Ziel des ZRBG. Der DGB spreche sich gegen eine renten-
rechtliche Lösung aus, halte aber eine entschädigungsrecht-
liche Regelung für einen gangbaren und sinnvollen Weg.
Gegen eine rentenrechtliche Regelung spreche u. a. die Tat-
sache, dass seit 1997 das Rentenrecht zahlreichen Änderun-
gen unterworfen worden sei, die bei der Nachzahlung be-
rücksichtigt werden müssten. Das würde die Verwaltung vor
kaum lösbare Probleme stellen und zu viel Zeit kosten. Diese
Probleme könnten in einer entschädigungsrechtlichen Rege-
lung weitgehend umgangen werden. Mit einer Regelung au-
ßerhalb des Sozialrechts würde eine Ausnahmeregelung ver-
mieden, die von den Verfahrensgrundsätzen im Sozialrecht
abweiche. Gleichzeitig würde man eine Nachzahlung er-
möglichen.

Das Center of Organizations of Holocaust Survivors in
Israel kritisiert, dass es den Antragstellern nicht vermittelbar
sei, warum die Rente, wie im ZRBG vorgesehen, nicht ab
1997, sondern erst ab 2005 ausgezahlt werde. Der Verweis
auf das Überprüfungsverfahren und die verschiedenen Vor-
schriften des deutschen Sozialversicherungsrechtes, die eine
Nachzahlung von nur vier Jahren erlaube, vermöge die meis-
ten nicht zu überzeugen, da sie doch noch „rechtzeitig“ im
Jahre 2003 ihren Antrag auf Ghettorente gestellt hätten. Ins-
besondere im Vergleich mit denjenigen israelischen Antrag-
stellern, die erst kürzlich einen Antrag auf Ghettorenten ein-
gereicht hätten und nun aufgrund der Gleichstellung des
israelischen mit dem deutschen Rentenantrages eine Renten-
nachzahlung rückwirkend ab 1997 erhielten, verursache die
jetzige Regelung ein Gefühl des Unverständnisses und der
Ungleichbehandlung. Für jeden Ghettoüberlebenden bedeu-
te die Anerkennung der Arbeitsleistung im Ghetto, dass end-
lich auch dieser Teil der Geschichte zur Kenntnis genommen
und entschädigungsrechtlich bzw. sozialrechtlich berücksich-
tigt werde. Die Umsetzung des ZRBG sei ein wesentlicher
Schritt in Richtung Aufarbeitung der Naziverbrechen. Die
Ghettoarbeit habe keineswegs ein marginales Kapitel in der
Geschichte des zweiten Weltkrieges dargestellt. Und den-
noch lasse der sozialversicherungsrechtliche Aspekt der
Aufarbeitung 60 Jahre auf sich warten. Erst durch eine Ren-
tennachzahlung ab 1997 für alle überlebenden ehemaligen
Ghettoarbeiter wäre die ursprüngliche und klare Intention
des Gesetzgebers letztlich verwirklicht. Die Kürzung der
Nachzahlung aus formalrechtlichen Gründen sei den Ghetto-
Überlebenden, die seit 2003 für ihre Rechte kämpften und
deren Anträge jahrelang zu Unrecht abgelehnt worden seien,
nicht zu vermitteln.

Der Sachverständige Prof. Dr. Franz Ruland sieht zwar
Anknüpfungspunkte für eine Ausnahmeregelung zu § 44
mit dem früheren Rentenbeginn sowie dem geringeren Zu-
gangsfaktor neu festzustellen und die Überzahlung mit der

SGB X, doch warnt er davor, da eine solche Lösung nur mit
erheblichem Verwaltungsaufwand umzusetzen wäre. Dieser

Drucksache 17/12870 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

würde sehr viel Zeit kosten, so dass eine im Interesse der Be-
troffenen rasche Lösung nicht gewährleistet wäre. Es werde
daher eine Lösung im Rahmen der deswegen zu ändernden
Anerkennungsrichtlinie vorgeschlagen, die allerdings – um
Ungleichbehandlungen zu vermeiden – nur eingeschränkt
pauschal ausgestaltet werden könne.

Der Sachverständige Prof. Dr. iur. Heinz-Dietrich
Steinmeyer schlägt vor, im Interesse der Betroffenen eine
Lösung zu finden, die möglichst einfach umzusetzen und zu-
gleich nicht streitträchtig sei. Es handele sich um eine ver-
gleichsweise geringe Zahl hochbetagter Personen, denen er-
neuter bürokratischer und ggf. gerichtlicher Aufwand nicht
mehr zugemutet werden könne. Eine rechtssichere, nicht
streitanfällige Lösung lasse sich deshalb dahin denken, dass
allen Personen, die bis zum 30. Juni 2003 einen Antrag nach
dem ZRBG gestellt hätten und die infolge der Entscheidun-
gen des Bundessozialgerichts von 2009 und 2012 von Amts
wegen neu beschieden worden seien, ein einmaliger Abfin-
dungsbetrag gezahlt werde, der der Differenz zwischen der
Gesamtleistung Versichertenrente bei Rentenbeginn 1. Juli
1997 und der bei Rentenbeginn 1. Januar 2005 bezogen auf
einen aktuellen Stichtag – etwa den 31. Dezember 2012 –
entspreche. Dieser Betrag möge von Fall zu Fall unterschied-
lich sein, dürfte sich aber jeweils in vergleichbarer Größen-
ordnung bewegen. Um eine erneute Neuaufnahme der Fälle
zu vermeiden, sollte der höchste in Betracht kommende Be-
trag an alle gezahlt werden. Es sei eine sekundäre Frage, ob
man dies durch eine Änderung der Anerkennungsrichtlinie
oder durch eine Änderung des ZRBG umsetze. Der Sachver-
ständige hält dabei das ZRBG für den dafür geeigneteren
Ort.

Der Sachverständige Prof. Dr. Hermann Plagemann ar-
gumentiert u. a. mit der „materiell-rechtlichen Anspruchsbe-
schränkung“ des § 44 Absatz 4 SGB X. Diese Anspruchsbe-
schränkung, d. h. die Nachzahlung von Leistungen maximal
für einen Zeitraum von 4 Jahren rückwirkend, spiele in der
sozialrechtlichen Praxis eine erhebliche Rolle. Andere Be-
troffene hätten für eine Ausnahme für Ghetto-Beschäftigte
wenig Verständnis. Ferner seien die als „Ghetto“-Renten be-
zeichneten Leistungen Altersrenten gemäß dem Sechsten
Buch Sozialgesetzbuch, denen die Anerkennung bestimmter
spezieller rentenrechtlicher Zeiten, die im Ghetto zurückge-
legt worden seien, zugrunde lägen. Ein Außerkraftsetzen des
§ 44 Absatz 4 SGB X für solche Altersrenten lasse sich
weder mit der vom Gesetzgeber geschaffenen Systematik
noch mit dem Gleichheitssatz vereinbaren. Weiter sei der
Vorschlag, das ZRBG dahingehend zu ergänzen, den Leis-
tungsberechtigten, deren bis zum 30. Juni 2003 gestellte
Rentenanträge ursprünglich abgelehnt und im Wege der
Neufeststellung nach der Entscheidung des BSG vom Juni
2009 bewilligt worden seien, die Rentenzahlungen rückwir-
kend ab dem 1. Juli 1997 zu gewähren, systemwidrig und
lasse sich mit rechtsstaatlichen Erwägungen nicht sachge-
recht begründen.

Der Sachverständige Prof. Dr. Ulrich Steinwedel fordert
für den Fall einer neuen Regelung im Sinne der Anträge,
dass für die Rentenberechnung u. a. der Zugangsfaktor maß-
gebend sei. Dieser erhöhe sich bei späterem Rentenbeginn.
Auf die ZRBG-Fälle wirke er sich unterschiedlich aus; in

kompensieren. Eine echte Gleichstellung mit den von An-
fang an gezahlten Ghettorenten könne erreicht werden, wenn
eine umfassende Rückwirkung ab Juli 1997 geregelt werde,
verbunden mit dem Wahlrecht für einen hinausgeschobenen
Rentenbeginn, jedoch hieran angepasster Rentenhöhe. Wolle
man möglichst alle Ghetto-Beschäftigten gleichbehandeln,
solle man auch über die Art und Weise der Einbeziehung
folgender Gruppen in die Rentenberechtigung nachdenken:
(a) Personen mit erstmaliger Antragstellung nach dem
30. Juni 2003; (b) in Polen wohnende Personen. Zur flexib-
leren Ausgestaltung und endgültigen Befriedung biete sich
insgesamt eine Lösung über die Anerkennungsrichtlinie an.

Der Sachverständige Dr. Jan-Robert von Renesse plädiert
für eine Änderung des Ghettorentengesetzes. Diese sei not-
wendig, weil die Rechtslage durch die Rechtsprechung noch
immer nicht abschließend geklärt sei und die gegenwärtige
Rechtspraxis der Rentenversicherungsträger zu uneinheit-
lichen und willkürlichen Ergebnissen führe. Handele der Ge-
setzgeber jetzt nicht, bestünden erhebliche rechtliche Risi-
ken in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, vor
den deutschen Zivilgerichten und/oder der US-amerikani-
schen Justiz. Eine Änderung des Ghettorentengesetzes sei
rechtlich auch möglich. Zu Verwerfungen im Sozialrecht
komme es dabei nicht. Das Rentenrecht sei der richtige Ort
für diese Leistungen. Es sei jedoch systemgerecht, die Kos-
ten der Ghettorenten als Kriegsfolgelasten im Rahmen des
Bundeszuschusses an die Rentenversicherung zu berück-
sichtigen. Für eine rechtssichere und praktikable Lösung des
Problems sei § 3 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von
Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20. Juni
2002 dahingehend klarzustellen, dass die Rückwirkung bis
zum 1. Juli 1997 auch für Überprüfungsanträge gelte, wenn
der Erstantrag bis zum 30. Juni 2003 gestellt worden sei.
Hier sei ein Antragsverfahren zu schaffen, bei dem die
ZRBG-Renten-Empfängerinnen wählen könnten, ob sie sich
für die Nachzahlung ab 1997 mit künftig geringeren Monats-
renten oder die geltende Regelung entscheiden. Dies sei mit
geringem Verwaltungsaufwand möglich, da die Träger der
Rentenversicherung die zentralen Angaben bereits alle er-
fasst hätten.

Der Sachverständige Michael Teupen macht gesetzgeberi-
schen Handlungsbedarf geltend, um Klarheit und Gerechtig-
keit in diesem Regelungsbereich zu schaffen. Politiker aller
Parteien hätten erst im vergangenen Jahr eine „großzügige
Regelung“ angemahnt. Beide von SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN vorgeschlagenen Änderungen würden dazu
führen, dass den Ghetto-Insassen ab 1997 eine Nachzahlung
ermöglicht würde. Dabei würde der Alternativvorschlag von
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein weiteres Han-
deln des Gesetzgebers nicht fordern. Dieser Weg sei jedoch
nicht unproblematisch, da in diesem Fall Rentenrecht und
Entschädigungsrecht erneut kollidieren würden, ähnlich der
Anerkennungsleistung und der Gewährung einer Ghetto-
Rente. Im Grunde genommen bedürfe es auch keiner Geset-
zesänderung des ZRBG, der in § 3 eindeutig festlege, dass
bei einem rechtzeitig gestellten Antrag die Rente ab 1997 zu
gewähren sei. Der Gesetzgeber müsse lediglich beschließen,
dass § 3 ZRBG gegenüber § 44 BSHG als lex specialis zu
gelten habe.
Einzelfällen könne eine Einmalzahlung die Begrenzung der
Rückwirkung auf vier Jahre (§ 44 Absatz 4 SGB X) über-

Der Sachverständige Dr. Stephan Lehnstaedt verweist
darauf, dass die Juden, die während des Zweiten Weltkriegs

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12870

in den deutschen Ghettos gearbeitet hätten, dies in der weit
überwiegenden Mehrzahl aus eigenem Willensentschluss
und gegen Entlohnung getan hätten – allerdings unter allge-
meinen äußeren Bedingungen von Zwang, Verfolgung und
Holocaust. In vielen Fällen seien sogar Rentenbeiträge abge-
führt worden. Rentenversicherer und Sozialgerichtsbarkeit
hätten diese historischen Gegebenheiten bis 2009 weit-
gehend ignoriert. Mit dieser Einstellung gegenüber fach-
wissenschaftlichen Erkenntnissen hätten sie auf laienhafter
Basis ein verzerrtes Bild der historischen Wirklichkeit kon-
struiert. Im so entstandenen Schema hätten die Erfahrungen
von zehntausenden Antragstellern keinen Platz. Die Kläger
seien dadurch systematisch benachteiligt worden. Eine zu-
sätzliche Ungleichbehandlung sei dadurch entstanden, dass
Überlebende aus Israel bei der DRV Rheinland weniger Er-
folg erreicht hätten als die aus den USA bei der DRV Nord.
Bundesregierung und Ministerialverwaltung hätten diese
Praxis auch gegen starke nationale wie internationale Kritik
verteidigt, weil sie keine Schieflage eingestehen wollten und
vor allem nicht bereit gewesen seien, die höheren Kosten
einer nicht systematisch benachteiligenden ZRBG-Ausle-
gung zu tragen. Paradoxerweise argumentieren alle in die
Umsetzung des ZRBG involvierten Seiten mit dem Willen
des Bundestags: Ministerium und Rentenversicherer vertei-
digten damit die harte Auslegung, Opfervertreter und die
parlamentarische Opposition ihre Forderungen nach kulan-
teren Regelungen. Nach sieben Jahren Ghettorenten habe
2009 das Bundessozialgericht eine eindeutige Interpretation
vorgenommen, die eine klare Abkehr von der bisherigen An-
wendung des ZRBG darstellte. Damit habe es einmal mehr
festgelegt, was der Bundestag 2002 gewollt haben könnte.
Die restriktive Praxis von Rentenversicherern und Sozialge-
richten sei dabei eindeutig verworfen und als falsch gekenn-
zeichnet worden. Nach § 44 SGB X sei eine Korrektur dieser
rechtswidrigen Praxis zum Nachteil der jüdischen Ghettoar-
beiter aber nur für die zurückliegenden vier Jahre möglich.
Deshalb würden den Überlebenden, denen bis 2002 jegliche
Renten für Ghettoarbeit verwehrt worden seien, seit 2009 die
vollständigen Renten verwehrt. Die Antragsteller hätten er-
wartet, im Rahmen des ZRBG für tatsächlich geleistete Ar-
beit eine Rente zu erhalten wie andere Beschäftigte auch,
und nicht bloß eine Entschädigung oder Wiedergutmachung,
deren einziger Grund darin bestanden habe, dass sie Opfer
gewesen seien. Doch die erhoffte Gleichstellung von jüdi-
schen und deutschen Arbeitern sei ausgeblieben.

Weitere Einzelheiten können den Stellungnahmen auf
Drucksache 17(11)1022 – neu – sowie dem Protokoll der
Anhörung entnommen werden.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 17/10094 in seiner 128. Sitzung am 20. März
2013 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 17/7985 in seiner 128. Sitzung am 20. März

gen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

In dieser Sitzung hat der Ausschuss darüber hinaus einen
Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. zu ihrem Antrag
17/7985 abgelehnt. Der Änderungsantrag wird im Folgen-
den dokumentiert:

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Antrag wird wie folgt geändert:

1. Im Abschnitt I wird vor dem letzten Absatz folgender Ab-
satz eingefügt:

„Nachdem das Bundessozialgericht in zwei Entscheidun-
gen vom 7. und 8. Februar 2012 die Rück-wirkungsfrist
von maximal vier Jahren bestätigt und eine Auszahlung
der Renten ab 1997 für jene Leistungsberechtigten, deren
Anträge erst im Zuge der Nachüberprüfung nach 2009
anerkannt worden sind, ausgeschlossen hat, besteht drin-
gender gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“

2. Abschnitt II (Forderungsteil) wird wie folgt gefasst:

„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung
auf,

umgehend, spätestens aber bis zum 30. Mai 2012, einen
Gesetzentwurf vorzulegen, der die rechtlichen Grund-
lagen dafür schafft, jenen Leistungsberechtigten des
Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäf-
tigungen in einem Ghetto, deren Rentenanträge ur-
sprünglich abgelehnt und erst nach der Entscheidung des
Bundessozialgerichts vom Juni 2009 bewilligt worden
sind, die Rentenzahlungen rückwirkend ab dem 1. Juli
1997 zu gewähren.“

3. Dem viertletzten Absatz der Begründung werden die fol-
genden Wörter angefügt:

„Das Bundessozialgericht hat diese Praxis in Entschei-
dungen vom 7. und 8. Februar 2012 bestätigt.“

Die Fraktion der CDU/CSU verwies darauf, dass es hier
um eine rentenrechtliche Frage für Arbeitsleistungen in
einem Ghetto und nicht um Entschädigung gehe. Das ZRBG
sei zunächst von der Rentenversicherung zu eng ausgelegt
worden, so dass zu wenige Anträge bewilligt worden seien.
Die Vierjahresfrist des Sozialgesetzbuches habe dann zur
Begrenzung der rückwirkenden Zahlungen geführt. Das be-
deute aber nicht, dass die davon betroffenen Rentner finan-
ziell benachteiligt würden. Die Rentenzahlungen an sie seien
in diesem Zusammenhang für die Jahre 1997 bis 2005 um
45 Prozent aufgewertet worden. Die höhere Rente gleiche
den späteren Rentenbeginn aus. Pro Monat des späteren
Renteneintritts werde die Rente um 0,5 Prozent erhöht, also
6 Prozent pro Jahr. Je nach Lebensalter betrage der Zuschlag
am Ende gegebenenfalls sogar 100 Prozent. Somit würden
also die Betroffenen durch das jetzt geltende Recht nicht
schlechter gestellt. Bei einer Neuregelung müsste zudem all
das wieder zurückgerechnet werden, mit teils nicht überseh-
baren Konsequenzen. Die laufende Rente müsste entspre-
chend gekürzt werden, die Nachzahlung mit einer Überzah-
lung verrechnet werden. Das sei keinem zuzumuten, aber
ansonsten würden neue Ungerechtigkeiten entstehen, etwa
im Vergleich zu denjenigen, deren Rente von Anfang an be-
2013 abschließend beraten und dem Deutschen Bundestag
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-

willigt worden sei. Die Koalition stelle sich ihrer Verantwor-
tung. Es müsse aber Gerechtigkeit für alle Berechtigten so-

Anfang eine Gratwanderung bedeutet habe. Dabei gehe es ja
ausdrücklich nicht um Zwangsarbeit, für die Entschädi-
gungsleistungen aus dem Fonds der Bundesregierung geleis-
tet würden. Hier gehe es um Arbeit, die – nach der Definition
des Gesetzes – auf der Basis eines eigenen Willensentschlus-
ses und entgeltlich geleistet worden sei. Die Kriterien dafür
seien von der Rentenversicherung am Anfang zu eng gefasst
worden. Von 70 000 Anträgen seien zunächst nur 10 Prozent
bewilligt worden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts

tigung in einem Ghetto zu finden. Man trage Verantwortung
für diese Menschen. Die Behauptung, es gebe keine finan-
zielle Benachteiligung für die Betroffenen, sei schlicht
falsch. Entsprechend hätten die Sachverständigen ganz über-
wiegend Handlungsbedarf angemeldet. Die Betroffenenver-
treter hätten sich zudem klar für eine rentenrechtliche Lösung,
statt einer Entschädigung, ausgesprochen. Man appelliere
angesichts des hohen Alters der Betroffenen an die Koali-
tion, sich doch noch für eine Regelung einzusetzen.

Berlin, den 20. März 2013

Peter Weiß (Emmendingen)
Berichterstatter
Drucksache 17/12870 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

wohl innerhalb des Regelbereichs des ZRBG und innerhalb
des Rentenrechts geben, als auch eine einheitliche Lösung
für alle Versicherten. Da dies nicht einzulösen sei, habe die
Koalition letztlich nach genauer Prüfung auf eine Neurege-
lung verzichtet.

Die Fraktion der SPD kritisierte, dass alle Verhandlungs-
versuche der Oppositionsfraktionen und alle Kompromiss-
bereitschaft letztlich nicht zu einer Einigung mit der Regie-
rungskoalition über dieses sensible Thema geführt hätten. Im
Jahr 2002 habe der Gesetzgeber, das Parlament, ausdrück-
lich und einstimmig seinen Willen für eine großzügige Rege-
lung zugunsten der Betroffenen dokumentiert und auch für
Zeiten vor 1997 eine rückwirkende Leistung eindeutig ge-
wollt. In diesem Sinne habe der Deutsche Bundestag eine re-
lativ offene Regelung verabschiedet. Dieser Spielraum habe
sich aber als hinderlich erwiesen. Die große Mehrheit der
Sachverständigen habe einen entsprechenden Handlungsbe-
darf auch bestätigt. Daher müsse das Parlament jetzt eine Re-
gelung beschließen, die dies klarstelle. Über diesen Willen
des Parlaments setze sich die Koalition jetzt hinweg. Das sei
beschämend. Gerade mit Blick auf die hochbetagten Betrof-
fenen wäre eine schnelle Neuregelung wichtig gewesen.

Die Fraktion der FDP gibt zu bedenken, dass die Verhand-
lung über eine Neuregelung des Ghettorentengesetzes von

im Jahr 2009 seien 50 000 bestandskräftig abgelehnte Fälle
erneut aufgegriffen worden, von denen rund die Hälfte dann
anerkannt worden seien. Ob individuell finanzielle Nachteile
entstanden seien, hänge sehr stark von den individuellen
Verhältnissen ab, wie etwa der Lebenserwartung oder den
Wirkungen auf eine Hinterbliebenenversorgung. Durch den
Zugangsfaktor und die damit verbundenen hohen Renten-
zuschläge gebe es insgesamt keine Benachteiligung. Daher
habe die Bundesregierung aus letztlich nachvollziehbaren
Gründen keine Initiative vorgelegt.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass die Bundes-
regierung für die hochbetagte Betroffenengruppe mit schwe-
rem Schicksal keine Initiative zustande gebracht habe. Das
sei beschämend, zumal fast alle Sachverständigen bei der
Anhörung ebenfalls Handlungsbedarf gesehen hätten. Be-
sonders die Vertreter der Verfolgtenorganisationen hätten
dabei eine rentenrechtliche Lösung gefordert, keine pau-
schalierte Entschädigungszahlung. Die Fraktion wäre aber
angesichts des Alters der Betroffenen kompromissbereit, so-
lange es überhaupt eine Regelung gebe.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweist auf
den einhelligen Willen des Gesetzgebers, also des Deutschen
Bundestages, eine Lösung für Rentenzahlungen für Beschäf-

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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