BT-Drucksache 17/12723

Umsteuern in der Krise - Maritime Wirtschaft unterstützen

Vom 13. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12723
17. Wahlperiode 13. 03. 2013

Antrag
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Martin Burkert,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Michael Groß,
Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf,
Kirsten Lühmann, Florian Pronold, Dr. Hans-Peter Bartels, Ingo Egloff,
Karin Evers-Meyer, Bettina Hagedorn, Gabriele Hiller-Ohm, Thomas Oppermann,
Holger Ortel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Carsten Sieling, Sonja Steffen,
Franz Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Umsteuern in der Krise – Maritime Wirtschaft unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Maritime Wirtschaft in Deutschland steht vor großen Herausforderungen.
In der Vergangenheit hat sie sich auf Bereiche konzentriert, die im Branchen-
vergleich am stärksten im internationalen Wettbewerb standen, und sie hat ge-
rade von dieser Spezialisierung profitiert. Mit der wachsenden globalen Stand-
ortkonkurrenz ist dieses Erfolgsmodell unter Druck geraten. Die notwendige
Anpassung eröffnet aber auch neue Chancen und Entwicklungspotenziale für
die Maritime Wirtschaft, ob es nun um die Offshore-Windenergie oder den
Klima- und Umweltschutz geht.

Entscheidend wird es sein, den Prozess der Neuausrichtung der Maritimen
Wirtschaft aktiv zu steuern. Doch die Bundesregierung setzt in wichtigen
Handlungsfeldern der maritimen Politik auf eine Liberalisierung von Märkten
und den Rückzug des Staates – eine Haltung, die dem Maritimen Standort ins-
gesamt schadet. Denn eine strategische Industriepolitik für die Maritime Wirt-
schaft ist ein wichtiger Standortfaktor; sie kann dazu beitragen, Arbeitsplätze,
Knowhow und Wertschöpfung im Inland zu sichern, und den Rahmen für eine
nachhaltige Zukunft setzen. Wer sich dem verweigert, gefährdet die Zukunfts-
perspektiven der Branche in Deutschland.

Die Bundesregierung muss die 8. Nationale Maritime Konferenz in Kiel nutzen,
um hier umzusteuern. Erforderlich ist eine konsequente Innovationsstrategie, um
die Maritime Wirtschaft in ihrem Modernisierungsprozess zu unterstützen. Dabei
sind vier wesentliche Themenfelder zu benennen: Finanzierung von Entwick-
lung, zukunftsfähige Arbeit, Innovationsförderung/Umweltschutz und Stärkung
der Infrastruktur. Ziel muss es sein, durch eine Kombination branchenspezifi-

scher Maßnahmen ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen, vorhandene
Wachstumspotenziale zu nutzen und in dauerhafte Wertschöpfung umzusetzen.

Die SPD steht für eine solche zukunftsorientierte Industriepolitik in Deutsch-
land. Wir setzen uns für eine Strukturanpassung der Maritimen Wirtschaft ein,
die den traditionellen Industrien zukunftsträchtige Produktionsbereiche er-
schließt und zugleich neue Industrien fördert und damit Arbeitsplätze sichert

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und neu schafft – im Interesse der maritimen Industrien im Norden und der ge-
samten deutschen Volkswirtschaft.

I. Instrument 1: Finanzierung maritimer Investitionen

Die Zukunftsfähigkeit der maritimen Branche hängt wesentlich vom technolo-
gischen Fortschritt und marktfähigen Innovationen ab. Die Entwicklung der
Offshore-Windenergie, neue Systeme im Bereich der Meerestechnik oder die
Umrüstung der Schiffsflotte in Deutschland auf moderne, umweltfreundliche
Modelle sind Bestandteil eines solchen Zukunftskonzeptes. Dies erfordert je-
doch hohe Investitionssummen. Angesichts der weiterhin angespannten Lage
auf den internationalen Kapitalmärkten und der wachsenden globalen Standort-
konkurrenz ist die Finanzierung daher eine der wesentlichen Herausforderun-
gen für den Erfolg maritimer Projekte und eine zentrale Säule der Innovations-
strategie. Doch die Bundesregierung lehnt es bisher ab, ihren Beitrag dazu zu
leisten, um einen stabilen Finanzierungsrahmen für die maritime Branche zu
schaffen.

Für viele Reedereien gestaltet es sich seit Ausbruch der Finanzmarktkrise zu-
nehmend schwierig, in ausreichendem Umfang Eigen- und Fremdkapital für
die Finanzierung neuer Schiffe aufzubringen. Als Auslöser der Krise und zu-
gleich krisenverschärfend wirken neben sinkenden Frachtraten und dem harten
Preiskampf zwischen den Schifffahrtsunternehmen insbesondere die hohen
Überkapazitäten an Laderaum, die in den vorangegangenen Boomjahren durch
exzessive und zum Teil spekulative Bestelltätigkeit im Containerschiffsbereich
hervorgerufen wurden. Hinzu kommen veränderte Rahmenbedingungen auf
dem Bankenmarkt, die sich aus der laufenden Restrukturierung wichtiger Insti-
tute und strengeren Eigenkapitalvorschriften für die Banken ergeben. In der
Folge hat sich für die Schifffahrtsbranche in Deutschland, die mit mehr als
400 Unternehmen mittelständisch geprägt ist, eine massive Finanzlücke auf-
getan, und die traditionellen Finanzierungsmodelle in der Schifffahrt stehen in-
frage. Die Bundesregierung ist aufgefordert, bestehende Förderinstrumente auf
die Möglichkeit der Unterstützung der Bestandsflotte zu überprüfen.

Von dieser Krisenentwicklung sind auch viele deutsche Werften betroffen. Die
Krise der Schiffsfinanzierung, verbunden mit einem massiven Rückgang der
globalen Nachfrage, hat zu einer wachsenden Unterauslastung der Schiffbau-
betriebe in Deutschland geführt, die auch Folgen für die wirtschaftliche Lage
der Branche hat. Da aufgrund der Krise Schiffskapazitäten auch auf dem asia-
tischen Markt nicht ausgelastet sind, droht den deutschen Werften zudem auch
ein neuer internationaler Niedrigpreis-Wettbewerb. Die Stärke der Schiffbau-
industrie in Deutschland liegt im Bau technisch anspruchsvoller Schiffe wie
Kreuzfahrtschiffe, Fähren, aber auch Kabelleger, Schwimmbagger oder Off-
shore-Spezialschiffe; doch bisher liegt z. B. der Offshore-Anteil an der Werf-
tenauslastung in Deutschland bei unter 10 Prozent. Eine besondere Herausfor-
derung stellt zudem die Neustrukturierung der Bundeswehr dar, die auch im
Bereich Marineschiffbau einen Anpassungsprozess erforderlich macht. Spezielle
Förderprogramme und eine bevorzugte Kreditbereitstellung können dazu bei-
tragen, die Potenziale maritimer Zukunftstechnologien verstärkt zu nutzen, um
den Strukturwandel der Schiffbaubranche zu unterstützen. Doch die Bundes-
regierung lehnt dies ab. Der Bund will sich bei der Absicherung von Schiffsauf-
trägen aus dem Ausland über Hermes-Bürgschaften sogar stärker zurückhalten.
Darüber hinaus fehlen bisher Finanzierungsinstrumente für Inlandsbestellungen,
wie sie für Auslandsgeschäfte angeboten werden.

Der Verzicht auf staatliche Lenkung durch die Bundesregierung hemmt nicht
nur die Neuausrichtung der Werften, sondern gefährdet das Zukunftsfeld Off-

shore-Windenergie insgesamt. Die komplexe Struktur der Offshore-Windenergie-
anlagen erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit möglichen Risiken.

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Insbesondere die Netzanbindung der Offshore-Windparks stellt derzeit eine
wesentliche Hürde bei der Projektfinanzierung dar. Die aktuelle Diskussion um
Haftungsfragen und Mehrkosten aufgrund der Verzögerungen beim seeseitigen
Netzanschluss bleiben nicht ohne Folgen für die Investitionsbereitschaft von
Windparkbetreibern, Banken und privaten Kapitalgebern. Zahlreiche Offshore-
Projekte sind in den vergangenen Monaten gestoppt worden. Die Bundesregie-
rung ist aufgefordert, die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Realisier-
barkeit der Offshore-Projekte zu verbessern. Es sollte ein Konzept gesucht wer-
den, das die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zusätzlich belastet.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• sich gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht für eine
Prüfung des sog. Long Term Asset Value (LTAV) als alternatives Schiffs-
bewertungsverfahren einzusetzen;

• gemeinsam mit den schiffsfinanzierenden Banken Modelle zu entwickeln,
um die deutschen Reedereien beim Abbau von Schiffskapazitäten zu unter-
stützen, z. B. durch sog. Aufliegerprogramme oder durch Herausnahme von
Schiffen, die nicht energieeffizient und älter als 15 Jahre alt sind;

• die bestehenden Finanzierungsinstrumente für die mittelständische Wirt-
schaft zu überprüfen und im Rahmen von Förderzielen neue Perspektiven
für die Schiffbaubranche zu eröffnen;

• in einen Dialog mit Banken und maritimen Verbänden einzutreten, um
gemeinsam Lösungen zur Überwindung der aktuellen Krise zu entwickeln
und dabei insbesondere das Problem der hohen Kosten für die Bauzeitfinan-
zierung von Schiffsneubauten auf deutschen Werften im zukunftsträchtigen
Spezialschiffbau in den Blick zu nehmen;

• die Einführung von Finanzierungsinstrumenten für Inlandsbestellungen zu
prüfen;

• den Marineschiffbausektor bei seinen Exportanstrengungen durch die För-
derung von Referenzprojekten zu unterstützen und bei Exportaufträgen ins-
besondere das Instrument von Government-to-Government-Verträgen zur
Unterstützung von Exportvorhaben zu prüfen;

• gemeinsam mit den Küstenländern eine koordinierte Strategie zur Entwick-
lung der Offshore-Windenergie zu erarbeiten und den Offshore-Ausbau im
Rahmen eines Monitoringprozesses zu begleiten;

• mit den anschlussverpflichteten Netzbetreibern eine gemeinsame Netz-
gesellschaft zu bilden, um den bedarfsgerechten Ausbau der Stromnetze und
die Bereitstellung der notwendigen seeseitigen Netzanschlüsse sicherzustellen;

• die derzeitigen Regelungen zur Haftung bei verspäteter Anbindung der Off-
shore-Windparkanlagen grundlegend zu überarbeiten und insbesondere
durch eine formale Risikominimierungsvorgabe Schadensersatzansprüche
weitgehend auszuschließen, die Haftungsregelung auf grobe Fahrlässigkeit
zu beschränken und auf eine Rückwirkung zu verzichten, so dass eine sach-
gerechte Risikoverteilung unter Berücksichtigung aller Akteure beim Bau
von Offshore-Windanlagen erfolgt;

• die Förderung im Rahmen des bestehenden Sonderprogramms „Offshore-
Windenergie“ der KfW Bankengruppe für den Bereich der Hafen- und
Schiffskapazitäten zu öffnen und die verfügbaren Mittel bis zu einer Höhe
von 10 Prozent des Gesamtvolumens vorrangig für Kreditvergaben in die-
sem Bereich zu verwenden. Darüber hinaus ist ein gesondertes Kreditpro-
gramm der KfW Bankengruppe zur Finanzierung von Spezialschiffen und

Offshore-Strukturen zu prüfen, um den Offshore-Ausbau zu flankieren;

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• im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel die Förderung von Forschung,
Entwicklung und Innovation im Offshore-Bereich auszubauen und dabei
einen Schwerpunkt der Förderaktivitäten auf die Forschungsthemen Netz-
integration der Windenergie und Sicherheit der Offshore-Systeme zu legen.

II. Instrument 2: Zukunftsfähige Arbeit fördern

Der maritime Arbeitsmarkt ist in den vergangenen Jahren stark in Bewegung ge-
raten. Die Entwicklung ist geprägt von dem Wandel maritimer Strukturen, der
u. a. in der Neuausrichtung der Werftenbranche und dem Ausbau der Offshore-
Windenergie zum Ausdruck kommt. Mit dem Modernisierungsdruck in der
Maritimen Wirtschaft nimmt auch die Bedeutung wissensintensiver Arbeits-
prozesse zu. Vor diesem Hintergrund sind die Frage der Verfügbarkeit und Qua-
lifizierung von Fachkräften sowie der Stellenwert und die Perspektiven tradi-
tioneller Industriearbeit neu zu diskutieren. Die Politik der Bundesregierung, die
Sozialpartner in dem notwendigen Anpassungsprozess weitgehend sich selbst zu
überlassen, greift zu kurz. Wesentlicher Baustein einer Innovationsstrategie für
den maritimen Sektor ist ein neuer Sozialvertrag für Modernisierung, um den
industriellen Wandlungsprozess in der maritimen Branche aktiv zu begleiten und
durch die Gewährleistung wachstums- und beschäftigungsfördernder Rahmen-
bedingungen zu unterstützen.

Die Schiffbaubranche steht derzeit unter besonderem Anpassungsdruck. Seit
2008 mussten sieben Seeschiffswerften in Deutschland Insolvenz anmelden;
betroffen waren rund 6 000 Beschäftigte. Damit setzt sich der Abwärtstrend auf
dem Werften-Arbeitsmarkt fort: Die Beschäftigtenzahl im deutschen Schiffbau
ist seit 2008 um mehr als 20 Prozent gesunken, auch die Ausbildungsquote ist
auf 6,9 Prozent zurückgegangen. Zugleich führt die Neuausrichtung der Werft-
unternehmen auf den Bau und die Ausrüstung von Spezialschiffen zu einem
Mehrbedarf an Ingenieuren aller schiffbaulichen Fachrichtungen, der derzeit
nicht vollständig gedeckt werden kann, sowie zu einem erhöhten Bedarf an
qualifizierten Facharbeitern. Gleichzeitig verfügen einige Werftbetriebe seit
Jahren über einen hohen Anteil an Leiharbeitskräften und ersetzen offenbar
systematisch Teile ihrer Stammbelegschaft. Die Leiharbeitsquote betrug im
deutschen Schiffbau 2012 nach Angaben der Bundesregierung 13,9 Prozent.
Aufgabe der Bundesregierung wäre es, hier klare Regeln zu setzen und den
Umstrukturierungsprozess in der Werftindustrie mit seinen Veränderungen des
Arbeitsbedarfes und der Arbeitsinhalte so zu begleiten, dass die Interessen der
Betriebe und der Beschäftigten gleichermaßen Berücksichtigung finden.

Der Verzicht der Bundesregierung auf eine aktive staatliche Steuerung ist auch
im Bereich der Offshore-Windenergie erkennbar. Im Gegensatz zur Werftindus-
trie wird die dynamische Entwicklung der Offshore-Windenergie nach Exper-
tenmeinung künftig zu deutlichen Beschäftigungseffekten führen. Innerhalb der
kommenden zehn Jahre sind bis zu 18 000 neue Arbeitsplätze zu erwarten. Der
junge Technologiebereich, der sich insbesondere in Deutschland noch in einer
relativ frühen Phase der Marktentwicklung befindet, bietet eine Vielzahl neuer
Betätigungsfelder. Zugleich zeichnet sich die Branche durch außerordentliche
technische Anforderungen aus. Ein hohes Qualifikationsniveau der Beschäftig-
ten kann dazu beitragen, die Gefahren insbesondere bei den Arbeiten auf See
deutlich zu verringern. Doch die Branche steht hier ganz am Anfang. Noch exis-
tieren keine Mindestanforderungen oder Ausbildungsstandards; zudem bilden
viele Unternehmen der Offshore-Windenergiebranche bisher nicht aus – eine
Problematik, die durch das Fehlen von Tarifverträgen und eine Interessenvertre-
tung der Beschäftigten verschärft wird. Die Bundesregierung verweist auf die
Zuständigkeit der Sozialpartner. Doch gerade die Herausbildung neuer, innova-
tiver Wirtschaftsbereiche wie die Offshore-Windbranche erfordert eine arbeits-

marktpolitische Steuerung. Nur so wird es möglich sein, rasch auf die neuen An-

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forderungen der Arbeitsplatzgestaltung zu reagieren und für die Beschäftigten
ein Höchstmaß an Sicherheit und Arbeitsschutz zu garantieren.

Eine Kontinuität des Politikverzichts der schwarz-gelben Bundesregierung zeigt
sich im Bereich der Seeschifffahrt. Die Regierungskoalition hat massive Kür-
zungen bei der Schifffahrtsförderung vorgenommen und damit einen Rückzug
des Staates beim „Maritimen Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der
Seeschifffahrt“ eingeleitet. Die Mindereinnahmen sollen künftig von den Schiff-
fahrtsunternehmen ausgeglichen werden. Dies bedeutet eine Abkehr von dem
bisherigen verlässlichen Modell einer Solidargemeinschaft von Bund, Ländern,
Sozialpartnern und Maritimer Wirtschaft. Die Neustrukturierung der Schifffahrts-
förderung droht zu Lasten von Ausbildung und Beschäftigung qualifizierter See-
leute in Deutschland zu gehen. Denn die Absprachen im Maritimen Bündnis soll-
ten dazu dienen, auf den demographischen Wandel zu reagieren, eine weitere
Abwanderung von Fachkräften ins Ausland zu verhindern und so seemännisches
Know-how für den maritimen Standort Deutschland zu sichern. Die Bundes-
regierung ist aufgefordert, das Maritime Bündnis zu erneuern und im Dialog mit
den Ländern und den Sozialpartnern zur Beschäftigungssicherung und zur Er-
höhung der Ausbildungskapazitäten am maritimen Standort Deutschland beizu-
tragen. Wenn es um sichere Arbeitsbedingungen für die Seeleute an Bord deut-
scher Handelsschiffe geht, gilt es auch, die Bedrohung auf See durch moderne
Piraterie in den Blick zu nehmen. Die Politik der Bundesregierung, den Kampf
gegen Piraterie an private Sicherheitskräfte „auszulagern“, kann auf Dauer keine
Lösung sein. Für die SPD steht außer Frage, dass sich eine Lösung im Kampf
gegen die Piratenangriffe nicht auf die militärische Komponente beschränken
darf.

Neben Werften und Reedereien, der Offshore-Windindustrie und den Zuliefer-
firmen sichern vor allem die deutschen Seehäfen die Beschäftigung in der Ma-
ritimen Wirtschaft. Zugleich hängen die Wertschöpfung durch die Häfen und
ihr Ausbau zu Drehscheiben des Güterverkehrs für die gesamte deutsche Wirt-
schaft wesentlich von der Ausbildung und Qualifizierung dieser Arbeitskräfte
und attraktiven Arbeitsbedingungen in der Hafenwirtschaft ab. Sollten die
hafenpolitischen Pläne der Europäischen Kommission umgesetzt werden, den
Marktzugang für die Hafenarbeit sowie für Lots- und Schlepperdienste neu zu
regeln, ist eine verstärkte Konkurrenz von Dienstleistern aus Nicht-EU-Ländern
zu befürchten. Dumpinglöhne und schlechtere Arbeitsbedingungen hätten
negative Folgen für die Leistungsfähigkeit der Hafenwirtschaft – zum Schaden
der deutschen Seehäfen und des Wirtschaftswachstums in Deutschland.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Maritimen Wirtschaft eine neue
länderübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten, die konkrete Maßnahmen
zur Sicherung des Nachwuchses in der Schiffbauindustrie entwickelt, und
dabei die Themen Hochschulausbildung, Duales Studium, Sicherung der
Facharbeiterausbildung sowie die Frage der Übernahme von Auszubilden-
den in den Fokus zu rücken;

• sich gegenüber der deutschen Werftindustrie für eine Erhöhung der Ausbil-
dungsquote einzusetzen, die zwischen 2009 und 2012 von 8,8 Prozent auf
6,9 Prozent gesunken ist;

• eine öffentliche Förderung für die Bereiche Schiffbau, Seeschifffahrt und
Offshore-Windenergie stärker als bisher an quantitative und qualitative Ziele
hinsichtlich Ausbildung, Übernahme und der Ausgestaltung von Tarifverträ-
gen zu knüpfen;

• sich für Schulungen der Vermittler in den Arbeitsagenturen einzusetzen, um

vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden veränderten Fachkräftebedarfs

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im Schiffbau und der Offshore-Windenergiebranche entsprechende Beratung
und Orientierung bieten zu können und Arbeitssuchende bedarfsgerecht zu
qualifizieren;

• zusammen mit den Bundesländern und den beteiligten Ressorts der Bundes-
regierung umgehend die Zuständigkeit für die staatliche Daseinsvorsorge im
Bereich des Rettungswesens auf Offshore-Windenergieanlagen zu klären
und das „Sicherheitskonzept Deutsche Küste“ entsprechend weiterzuent-
wickeln; dabei ist zu prüfen, ob die Koordination der Offshore-Rettung
künftig an das Havariekommando als gemeinsame Einrichtung des Bundes
und der Küstenländer übertragen werden sollte;

• eine koordinierte Strategie für den Offshore-Bereich vorzulegen, die Bund,
Länder, Windparkbetreiber und die weiteren an der Rettung auf See beteilig-
ten Institutionen in Form einer maritimen Sicherheitspartnerschaft einbezieht,
und dem Deutschen Bundestag die Prüfergebnisse hinsichtlich des Aufbaus
einer Aus- und Fortbildungseinrichtung für das Notfallmanagement und das
Rettungswesen für Offshore-Windparks vorzulegen;

• umgehend die angekündigten Standards für die von den Betreiberfirmen der
Offshore-Windparkanlagen einzureichenden Schutz- und Sicherheitskonzepte
– insbesondere zur Arbeits- und Betriebssicherheit sowie zur Kennzeichnung
für Schiff- und Luftfahrt – vorzulegen und dafür zu sorgen, dass diese mit dem
Havariekommando und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchi-
ger abgestimmt werden;

• dafür Sorge zu tragen, dass die Offshore-Windparkbetreiber die vorhande-
nen Schutz- und Sicherheitskonzepte im engen Austausch mit Herstellern
und Zulieferern der Offshore-Branche laufend fortschreiben und auf dieser
Basis für eine regelmäßige Schulung ihres Personals sorgen; dabei sind auch
die besonderen Bedingungen der Zeitarbeitsbeschäftigten in den Blick zu
nehmen. Zudem ist sicherzustellen, dass die für den Arbeitsschutz zuständigen
Berufsgenossenschaften im Rahmen der Selbstverwaltung ausreichend Per-
sonal für die zusätzlichen Anforderungen im Offshore-Bereich bereitstellen;

• Mindestanforderungen für die Aus- und Fortbildung im Offshore-Bereich
festzulegen, und zwar insbesondere in Bezug auf Fachqualifikation und
Sicherheitsgrundfertigkeiten, Offshore-Tauglichkeit und Sprachkenntnisse;

• zusammen mit der Maritimen Wirtschaft und den Agenturen für Arbeit Pro-
gramme für den Aufbau von Aus- und Fortbildungsangeboten für den Off-
shore-Bereich aufzulegen;

• die Schifffahrtsförderung bedarfsgerecht auszustatten und zu prüfen, inwie-
weit die „Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland“ zu einer neuen Verläss-
lichkeit bei der Förderung der seefahrtbezogenen Ausbildung in Deutsch-
land beitragen wird. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass es durch
die Neuaufteilung der Lasten zwischen Bund und Wirtschaft nicht zu einer
Absenkung des Gesamtfördervolumens und damit zu Nachteilen für Auszu-
bildende und Beschäftigte in der Seeschifffahrt kommt;

• an den Instrumenten Tonnagesteuer und Lohnsteuereinbehalt nur dann fest-
zuhalten, wenn die deutschen Reedereien ihre Zusage einhalten, einer weite-
ren Ausflaggung deutscher Handelsschiffe entgegenzuwirken und ihre Aus-
bildungsanstrengungen zu verstärken; die bestehenden Vereinbarungen im
Maritimen Bündnis sind weiterzuentwickeln. Ziel muss es sein, den Anteil
von Handelsschiffen unter deutscher Flagge gegenüber Nicht-EU-Flaggen
deutlich zu erhöhen und eine weitere Ausflaggung deutscher Handelsschiffe
und damit den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland zu verhindern;
• sich international dafür einzusetzen, dass die Ursachen der Piraterie politisch
gelöst werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12723

• dem Deutschen Bundestag einen jährlichen Bericht vorzulegen, um eine
kontinuierliche Kontrolle des Einsatzes zertifizierter privater Sicherheits-
kräfte an Bord von Handelsschiffen unter deutscher Flagge sicherzustellen;
insbesondere ist zu gewährleisten, dass die Kommandokette an Bord beim
Einsatz privater Sicherheitskräfte auf der Grundlage der im Seemannsgesetz
geregelten Stellung des Kapitäns gewahrt bleibt, und dabei insbesondere den
Fall zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit von Maßnahmen durch die
Schiffsführung und die eingesetzten Sicherheitskräfte unterschiedlich beur-
teilt wird. Ziel muss die größtmögliche Sicherheit für die Seeleute an Bord
sein;

• sich auf EU-Ebene gegen Regelungen auszusprechen, die einen Abbau von
Arbeitnehmerrechten und Arbeitsschutznormen, schlechtere Arbeitsbedin-
gungen und Lohndumping durch die Hintertür bedeuten und Arbeitsplätze in
der Hafenwirtschaft gefährden; ein neues „Port Package III“ darf es nicht
geben;

• sich im Interesse der maritimen Sicherheit dafür einzusetzen, dass auf eine
Ausschreibungspflicht für Lotsendienste verzichtet wird und die nationalen
Lotsorganisationen bestehen bleiben.

III. Instrument 3: Innovationen fördern, Umwelt schützen

Die Maritime Wirtschaft steht vor der Herausforderung anspruchsvoller Um-
weltauflagen auf nationaler und internationaler Ebene. Zugleich bietet die Ent-
wicklung von innovativen umweltfreundlichen Produkten und Prozessen aber
auch eine Chance für den maritimen Standort Deutschland. Denn die schnelle
Markteinführung von innovativen Technologien ist der Motor für wirtschaft-
lichen Zuwachs und ein wichtiger Standortvorteil im globalen Wettbewerb um
Know-how, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit. Neue Schiffstechnologien kön-
nen zudem dazu beitragen, Produktions- und Betriebsprozesse kostengünstiger
zu gestalten. Umwelt- und Klimaschutz und die Steigerung der Energieeffizienz
durch eine gezielte Technologiepolitik sind insofern ein wesentlicher Bestand-
teil einer Innovationsstrategie für die maritime Branche.

Die Globalisierung und die zunehmende Arbeitsteilung eröffnen der Seeschiff-
fahrt Wachstumsperspektiven. Sie bedeuten aber auch mehr Verkehr und eine
zusätzliche Belastung der (Meeres-)Umwelt. Der Seeverkehr ist daher in der
Diskussion über den Beitrag des Verkehrssektors zum Klima- und Umwelt-
schutz zunehmend in den Blickpunkt gerückt. Strengere Grenzwerte für
Schwefel im Schiffstreibstoff ab dem Jahr 2015 stellen die Reedereien vor die
Herausforderung, den Schiffsbestand zu modernisieren bzw. umzurüsten. Es ist
jedoch festzustellen, dass die Anpassung der Bestandsflotte an den neuesten
Stand der Technik nur zögerlich erfolgt und stattdessen eine Erfüllung der Um-
weltauflagen allein durch die Umstellung von Schweröl auf Schiffsdiesel ange-
strebt wird. Die Förderung des flächendeckenden Einsatzes energieeffizienter
Schiffsbetriebskonzepte kann somit einen wichtigen Beitrag für eine beschleu-
nigte Flottenmodernisierung in Deutschland darstellen und verbindet sich vor
dem Hintergrund steigender Energiepreise auch für die Reedereien mit Chancen.
Die Bundesregierung verzichtet jedoch bislang darauf, den ressourcenschonen-
den Umbau der maritimen Industrie durch passgenaue Förderprogramme und
Anreizsysteme aktiv zu begleiten.

Durch eine technologische Vorreiterrolle bei der Entwicklung umweltfreund-
licher Schiffsbetriebskonzepte könnte sich auch für die deutschen Werften ein
wichtiger Vorsprung auf dem internationalen Markt ergeben. Für die Schiffbau-
industrie bestehen große Potenziale in neuen Zukunftsmärkten, etwa bei der An-
passung der nationalen Schiffsflotte an neue Umweltschutzanforderungen oder

der Fertigung von Offshore-Infrastruktur; Marktchancen eröffnet der Bau von

Drucksache 17/12723 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Offshore-Windparkanlagen zudem im Hinblick auf Service und Wartung. Zu-
gleich gefährdet die fehlende Verfügbarkeit von geeigneten Spezialschiffen die
politischen Ausbaupläne für die Energiewende. Die Politik kann die Neuausrich-
tung der Schiffbaubranche durch bessere Rahmenbedingungen für Finanzierung
und für Forschung, Entwicklung und Innovation unterstützen. Ziel muss es sein,
eine maritime Forschungs- und Förderstrategie zu entwickeln, die auch die
Potenziale der deutschen Meerestechnik einbezieht und ihre Spitzenposition am
Weltmarkt sichern hilft.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• sich im EU-Rahmen dafür einzusetzen, dass in den europäischen Meeres-
gebieten weitere Schwefelemissions-Überwachungsgebiete für die Schiff-
fahrt (SECA) eingerichtet werden;

• die gemeinsam mit den maritimen Verbänden identifizierten Pilotprojekte
zur Ausrüstung von Schiffen mit Abgasentschwefelungsanlagen umgehend
umzusetzen, um die beschleunigte Modernisierung der Schiffsflotte zu be-
fördern und damit einen Beitrag zur verstärkten Emissionsminderung und
Energieeffizienz zu leisten;

• durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es durch die Einrichtung
der SECA in der deutschen Nord- und Ostsee nicht zu weiteren Verkehrsver-
lagerungen vom See- auf den Landweg und damit zu einer Schwächung der
Wettbewerbsposition der Kurzstreckenseeverkehre (Short Sea Shipping)
kommt;

• eine systematische Untersuchung zu den Vor- und Nachteilen von Flüssig-
gas (LPG) und Flüssigerdgas (LNG) als Kraftstoffalternative sowie der Ver-
sorgungssicherheit beim Einsatz von gasförmigen Kraftstoffen vorzuneh-
men und die Frage der Lagerung und Bebunkerung zu untersuchen. Dabei
sind die ersten Erfahrungen in deutschen Seehäfen bei der Planung und dem
Ausbau der Hafeninfrastruktur sowie die Ergebnisse der Studie der Euro-
pean Maritime Safety Agency zu berücksichtigen;

• die Nutzung von LNG im Rahmen eines Pilotprojektes, etwa im Bereich der
Kurzstreckenseeverkehre, zu prüfen und dabei insbesondere die unterschied-
lichen Voraussetzungen in Bezug auf technische Lösungen, mengenmäßige
Verfügbarkeit und infrastrukturelle Bedingungen für einen Einsatz in der
regionalen Schifffahrt und der internationalen Seeschifffahrt zu klären;

• eine Exzellenzstrategie zu entwickeln, um eine stärkere Positionierung der
deutschen Werftindustrie im Hightech-Segment zu ermöglichen und dabei
v. a. die Chancen im Bereich der Offshore-Windenergie zu nutzen. Der ange-
kündigte „Fortschrittsbericht Offshore-Windenergie – Chancen und Poten-
ziale für Häfen und Schiffe“ ist zeitnah vorzulegen;

• sich auf europäischer Ebene für eine bevorzugte Kreditbereitstellung zum
Bau technologisch hochwertiger, umweltfreundlicher Schiffe durch die
Europäische Investitionsbank einzusetzen und dabei insbesondere für kürzere
Fristen für eine Entscheidung einzutreten;

• ihre Bemühungen zu intensivieren, gemeinsam mit der Wirtschaft zeitnah
konkrete Pilotprojekte zum Einsatz alternativer Antriebe, Hilfsantriebe und
Brennstoffe in der Seeschifffahrt zu identifizieren, um die Emissionsminde-
rungsziele schneller zu erreichen;

• die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation in der Schiffs-
technologie stärker als bisher zu einem Schwerpunkt der Forschungs- und
Förderpolitik des Bundes zu machen und insbesondere die anwendungsbe-

zogene Forschung zu unterstützen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/12723

• die Haushaltstitel „Maritime Technologien der nächsten Generation“ sowie
„Innovationsbeihilfen zugunsten der deutschen Werftindustrie“ des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie in den kommenden vier Jahren
um jeweils 10 Mio. Euro und den Haushaltstitel „Steigerung der Wettbe-
werbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft“ im gleichen Zeitraum um jeweils
1 Mio. Euro pro Jahr anzuheben; die maritimen Betriebe sollten das Instru-
ment der Innovationsförderung nutzen, um Produktions- und Prozessmetho-
den ständig zu verbessern und damit ihre Fähigkeit zu erhöhen, dem Kosten-
druck des Marktes zu begegnen.

IV. Instrument 4: Stärkung der Infrastruktur

Eine allein auf die Stärkung zukunftsfähiger Produktionsprozesse setzende
Politik reicht nicht aus, um den Anpassungsprozess der Maritimen Wirtschaft
in Deutschland erfolgreich zu begleiten. Wesentlicher Bestandteil einer Innova-
tionsstrategie für die Maritime Wirtschaft muss vielmehr eine gezielte staatliche
Infrastrukturpolitik sein, wird doch die logistische Anbindung in den kommen-
den Jahren zu einem kritischen Wettbewerbsfaktor für die deutschen Seehafen-
standorte werden. Nur eine Politik der zwei Säulen – industrielle Entwicklung
und Ausbau der Infrastruktur – wird dazu beitragen, die Wachstumsbasis der
maritimen Branche in Deutschland nachhaltig zu sichern.

Der Seegüterumschlag in den deutschen Seehäfen wird in den kommenden
Jahren deutlich wachsen. Bereits heute bestehen in den großen deutschen Con-
tainerhäfen sowie im Hinterland der Häfen Kapazitätsengpässe, die eine zuver-
lässige Abwicklung des Hinterlandverkehrs behindern. Das für die kommenden
Jahre prognostizierte Wachstum wird sich nur durch den Ausbau und die opti-
mierte Vernetzung aller Verkehrsträger bewältigen lassen. Es gilt daher, das
politische Ziel der verstärkten Verkehrsverlagerung auf Schienen- und geeig-
nete Wasserwege zu erneuern und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen See-
häfen durch besondere Schwerpunkte bei der seehafenbezogenen Verkehrs-
infrastruktur zu fördern. Dazu gehört auch, sich gemeinsam mit den Küsten-
ländern für den Ausbau einer an den spezifischen Erfordernissen der Offshore-
Windindustrie angepassten Hafeninfrastruktur einzusetzen. Doch die Bundes-
regierung beschränkt sich auf eine Politik der Lippenbekenntnisse und gefährdet
damit den maritimen Standort Deutschland.

Die Pläne der Bundesregierung für eine Neuordnung des Bundeswasserstraßen-
netzes widersprechen dem von ihr selbst postulierten Ziel einer prioritären
Realisierung seehafenbezogener Infrastruktur diametral. In dem Bestreben, den
Einsatz von Haushaltsmitteln für Investitionen und Personal künftig auf wenige
Hauptwasserwege im Land zu beschränken, ignoriert sie nicht nur die volks-
wirtschaftliche Bedeutung und die Entwicklungspotenziale der Bundeswasser-
straßen. Die neue Netzstruktur für die Bundeswasserstraßen auf der Basis des
Tonnagevolumens führt auch dazu, dass wichtige zu- und abführende Wasser-
straßen der deutschen Seehäfen künftig nachgeordneten Kategorien zugeordnet
werden sollen. Eine Beschränkung auf wenige Hauptwasserwege würde aber
nicht nur die Effizienz und Wertschöpfung des Gesamtnetzes empfindlich tref-
fen; sie hätte auch eine massive Verlagerung von Gütern auf die Verkehrsträger
Straße und Schiene zur Folge. Da beide bereits heute unter erheblichem Ent-
wicklungsdruck stehen, hätte eine solche Politik gegen die Wasserstraßen weit-
reichende Folgen für die Maritime Wirtschaft.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• die Hinterlandanbindungen und seewärtigen Zufahrten der Seehäfen be-
darfsgerecht auszubauen und dabei insbesondere das außerordentliche

Wachstum im Hinterlandverkehr gegenüber früheren Prognosen zu berück-
sichtigen;

Drucksache 17/12723 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

• das Bundesverwaltungsgericht personell so auszustatten, dass das Ziel einer
kürzeren Verfahrensdauer auch tatsächlich erreicht werden kann;

• an der bewährten Verteilung der Finanzmittel aus der Lkw-Maut festzuhalten
und das Prinzip der verkehrsträgerbezogenen Finanzierungskreisläufe aufzu-
geben, um eine solide und planbare Finanzierungsgrundlage insbesondere für
die Bundeswasserstraßen zu schaffen;

• für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Bundeswasserstraßen zu
sorgen, insbesondere für verkehrliche Investitionen sowie zur Verbesserung
der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen;

• von den Plänen zur Neuordnung der Bundeswasserstraßen Abstand zu
nehmen, die mit der vorgesehenen Einstufung der Seewasserstraßen und
wichtigen Hinterlandanbindungen der Seehäfen die Realität der Hafen- und
Logistikwirtschaft nur unzureichend abbilden;

• einen umfassenden Netzzustandsbericht vorzulegen, der Auskunft über den
Unterhaltungszustand und die Leistungsfähigkeit der Bundeswasserstraßen
gibt und die Basis für alle weitergehenden Entscheidungen über das Wasser-
straßennetz in Deutschland darstellt; der Netzzustandsbericht soll darüber
hinaus Bezüge zu den nationalen Berichten zur Umsetzung der Euro-
päischen Wasserrahmenrichtlinie und den Flussgebietseinheiten herstellen;

• den Zusagen aus dem Nationalen Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen
und dem Aktionsplan Güterverkehr und Logistik – Logistikinitiative für
Deutschland sowie den Verabredungen bei den Nationalen Maritimen Kon-
ferenzen nachzukommen, um den Anteil der hafenbezogenen Ausbaumaß-
nahmen inklusive des Nord-Ostsee-Kanals zur Verbesserung der Hinter-
landanbindungen zu erhöhen;

• angesichts der heutigen Streckenauslastung einen besonderen Schwerpunkt
auf die Beseitigung von Engpässen im Schienenhinterlandverkehr zu legen
und bei der Verlängerung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwi-
schen Bund und Deutscher Bahn AG länderspezifische Qualitätskennziffern
aufzunehmen, um Aussagen zur Kapazität der Schienenstrecken und insbe-
sondere zu bestehenden Langsamfahrstellen zu erhalten;

• angesichts der aktuellen und für die Zukunft prognostizierten Zuwachsraten
des Güterverkehrs aus den Seehäfen ein zusätzliches Lärmschutzprogramm
für Schienenwege im Hinterlandverkehr aufzulegen;

• durch den Ausbau des Kombinierten Verkehrs und eine Aufstockung der
finanziellen Mittel die Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die umwelt-
freundlichen Verkehrsträger Schienenweg und Wasserstraße zu unterstützen;

• sich für eine einheitliche Strategie zur Entwicklung der Offshore-Infrastruk-
tur in Deutschland einzusetzen und in diesem Zusammenhang zu prüfen, in-
wieweit eine Weiterentwicklung des „Nationalen Hafenkonzeptes für die
See- und Binnenhäfen“ erforderlich ist;

• beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Hinterland die besonderen Anfor-
derungen beim Transport von großen Offshore-Komponenten zu berück-
sichtigen und insbesondere schwerlastfähige Verlade- und Umschlagmög-
lichkeiten zu prüfen, um den schnellen und problemlosen Transport von
großen Offshore-Anlagenteilen an Land und zu Wasser zu gewährleisten.

Berlin, den 13. März 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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