BT-Drucksache 17/1258

Rolle des Bundesinnenministeriums und der Innenministerien der Länder in Einbürgerungsverfahren

Vom 25. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1258
17. Wahlperiode 26. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Raju Sharma,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Rolle des Bundesinnenministeriums und der Innenministerien der Länder
in Einbürgerungsverfahren

Eine junge Frau aus Hannover wartet seit zwei Jahren auf ihren deutschen
Pass, da ihr Einbürgerungsverfahren nach Auffassung der Region Hannover als
Einbürgerungsbehörde, durch Interventionen des niedersächsischen Innen-
ministeriums in die Länge gezogen wurde. In einem Schreiben des Innen-
ministeriums an die Region Hannover hieß es unter anderem: „Aus diesem
Grund kann kein Interesse daran bestehen, mit Frau […] eine Person einzu-
bürgern, die Mitglied einer Partei ist, die sich die Überwindung der bestehen-
den Ordnung zum Ziel gesetzt hat.“ Der alleinige Grund für den Einwand des
Innenministeriums ist demnach offenbar die Mitgliedschaft der Antragstellerin
in der Partei DIE LINKE. Im Rahmen der Berichterstattung der Medien über
diesen Fall kamen noch andere Fälle zum Vorschein, in denen Einbürgerungs-
willigen die deutsche Staatsangehörigkeit verwehrt wurde, weil sie Mitglied in
einer Partei oder Organisation seien.

Aufgrund dieser Faktenlage stellt sich die Frage nach der Basis solcher Ent-
scheidungen. Auf eine Anfrage des Abgeordneten Jan Korte vom 3. März 2010
teilte die Bundesregierung mit, dass das Bundesministerium des Innern (BMI)
im Jahr 2005 eine „Liste extremistischer Ausländervereine“ an die Länder über-
sandt habe, die der „Sensibilisierung für das Erkennen eines extremistischen
Hintergrundes von Antragstellern“ dienen sollte. In dieser sei auch die PDS auf-
geführt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Vereine und Verbände waren in der „Liste extremistischer Ausländer-
vereine“ aufgeführt, die vom BMI 2005 an die Länder verschickt wurde und
das Erkennen eines extremistischen Hintergrunds von Antragstellern auf Ein-
bürgerung erleichtern sollte?

2. Waren in dem Dokument Vorschläge für Maßnahmen der Länder enthalten,
die diese bei positiver Überprüfung ergreifen sollten?

3. Aus welchem Grund ist die PDS in diese Liste aufgenommen worden?
4. Wie begründet die Bundesregierung, dass die PDS in der besagten Liste als
„extremistischer Ausländerverein“ geführt wurde?

5. Welche Länder haben den Bedarf an einer solchen Liste 2005 verneint, und
welche Gründe wurden dafür angeführt?

Drucksache 17/1258 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
6. Teilte die damalige Bundesregierung diese Gründe, und wenn nein, warum
nicht?

7. Stellt eine Mitgliedschaft in der PDS, der WASG und ihrer Folgepartei
DIE LINKE. aus Sicht der Bundesregierung einen Grund dar, aus dem
Einbürgerungswilligen die deutsche Staatsangehörigkeit verwehrt werden
kann (bitte erläutern)?

8. Teilt die heutige Bundesregierung die Auffassung, die in o. g. Liste auf-
geführten Vereine und Organisationen seien „extremistisch“, und wie
schätzt sie die Auswirkungen einer Mitgliedschaft in einem der genannten
Vereine und Verbände auf den Erfolg eines Einbürgerungsantrags ein?

9. Seit wann erstellt das Bundesministerium des Innern Listen mit als
extremistisch angesehenen Organisationen, Vereinen oder Parteien, die den
Ländern in Einbürgerungsfragen zur Verfügung gestellt werden, und was
war der Anlass für die Erstellung derartiger Listen?

10. In welcher Form kooperiert die Bundesregierung mit den Ländern bei Ein-
bürgerungsersuchen?

11. Hat die Bundesregierung den Ländern nach 2005 mit weiteren Listen oder
anderen Dokumenten zugearbeitet, die zur Sensibilisierung bei Entschei-
dungen über Einbürgerungsanträge beitragen sollen?

a) Wenn ja, in welcher Form, und zu welchem Zeitpunkt?

b) Wenn nein, aus welchen Gründen?

c) Wie oft wurden Folgelisten aktualisiert oder zurückgezogen und aus
welchen Gründen (bitte Daten aufführen)?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über Absprachen oder Übereinkünfte
zwischen den Innenministerien der Länder zur Zusammenarbeit bei der
Beurteilung von Einbürgerungsersuchen in Bezug auf die Beurteilung des
Bekenntnisses zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder hier-
gegen gerichtete Bestrebungen?

Wenn ja, welche?

13. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen seit 2005 Antrag-
stellenden die deutsche Staatsbürgerschaft verwehrt wurde, weil sie Mitglied
in einer Partei, Gewerkschaft oder eines Vereins waren (bitte auflisten)?

14. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Innenministerien
der Länder den zuständigen Einbürgerungsbehörden in Einbürgerungsfra-
gen in Bezug auf die Beurteilung des Bekenntnisses zur freiheitlich-demo-
kratischen Grundordnung oder hiergegen gerichtete Bestrebungen Weisun-
gen erteilt hat (bitte auflisten)?

15. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen aufgrund von
Weisungen des Landesinnenministeriums Einbürgerungen abgelehnt wur-
den oder Einbürgerungsverfahren über die übliche Verfahrensdauer hinaus
verzögert wurden?

16. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Einbürgerungsverfahren, in
denen ein Negativbescheid der Landesämter für Verfassungsschutz oder
dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorliegen, in den parlamentarischen
Kontrollgremien thematisiert?

Berlin, den 22. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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