BT-Drucksache 17/12508

Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme Ost und West im Rahmen der Städtebauförderung

Vom 27. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12508
17. Wahlperiode 27. 02. 2013

Antrag
der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Stephan Kühn, Dr. Anton
Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Harald Ebner, Hans-Josef Fell, Bärbel
Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole
Maisch, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus
Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme Ost und West im Rahmen der
Städtebauförderung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Stadtumbau Ost und West stellen zwei der wichtigsten Programmlinien der
Bund-Länder-Städtebauförderung dar. Das Programm „Stadtumbau Ost – für
lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“ startete 2002 in Reaktion auf den
starken demografischen Wandel und die flächendeckenden Leerstände in den
ostdeutschen Kommunen. Das Programm konzentriert sich auf die Wieder-
herstellung intakter Stadtstrukturen, indem Stadtquartiere durch bauliche Maß-
nahmen aufgewertet und Wohnungsleerstände abgebaut werden. Das Programm
„Stadtumbau West – Stadtentwicklung ohne Wachstum“ wurde 2004 aufgelegt.
Es soll den regionalen Strukturwandel stärken und die Entwicklung „neuer“
innerstädtischer Brachen wie industrielle und militärische Konversionsflächen
stärken.

Beide Programmlinien sind als „lernende“ Programme angelegt. Die Effektivität
und Zielgenauigkeit müssen regelmäßig durch Evaluationen überprüft werden.
Nachdem beide Programme evaluiert wurden, 2008 (Ost) und 2011(West), gilt es
nun, die Erkenntnisse umzusetzen.

Auch wenn in den bisherigen Förderperioden wichtige Programmziele erreicht
wurden und der Erfolg der Programme sichtbar ist, gibt es eine Reihe von not-
wendigen inhaltlichen und strukturellen Anpassungen. Fundamentales Problem
ist die zunehmend in Frage gestellte finanzielle Substanz der Städtebauförde-
rung. Die Mittelkürzung der Städtebauförderung muss zurückgenommen und
auf den Stand von 2009 in Höhe von 610 Mio. Euro jährlich erhöht werden. Die
beiden Programme müssen weiterhin aus diesem Förderansatz die finanzielle
Ausstattung von jeweils mindestens jährlich 110 Mio. Euro bekommen, um an-
gesichts der vielfältigen Herausforderungen in den Kommunen handlungsfähig

zu bleiben. Durch die Orientierung auf rein investive Maßnahmen entfernt sich
die Bundesregierung vom erfolgreichen Ansatz der beteiligenden und integra-
tiven Stadtentwicklung, die in der Leipzig-Charta verankert ist. Dabei werden
die Herausforderungen des Stadtumbaus in Zukunft komplexer werden. Gerade
deshalb sollten investitionsbegleitende Maßnahmen, die zu einer integrierten
Stadtentwicklungsplanung befähigen, Transparenz und breite Bürgerbeteiligung
ermöglichen, verstärkt gefördert werden. Die vorliegenden, von der Bundes-

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regierung beauftragten Evaluationen empfehlen neben der Aufstockung der Pro-
gramme eine Verbesserung der Beteiligung von Kommunen mit Haushalts-
notlagen an der Förderung. Auch die Möglichkeit der Bündelung von Förder-
mitteln muss verbessert werden. Insbesondere infrastrukturelle Anpassungen
müssen verstärkt ressortübergreifend gefördert und abgestimmt werden. Privates
Engagement setzt wichtige Impulse beim Stadtumbau. Stadtumbau kann nur dort
erfolgreich gelingen, wo er von einer breiten Basis in Politik und Bürgerschaft
getragen wird. Verfügungsfonds und kleinere, aktivierende Fördermaßnahmen
sind besonders geeignet, dieses bürgerschaftliche Engagement zu wecken. In
beiden Stadtumbauprogrammen werden die Herausforderungen von Klima-
schutz und Klimaanpassung, die verstärkte soziale Segregation und die schwie-
rige Haushaltslage vieler Kommunen den Förderbedarf noch verschärfen.

Ausgehend von den Programmevaluationen stellt sich die Frage, ob beide
Programme in ihrer jetzigen Form weiter bestehen bleiben sollen. Beide Pro-
grammlinien haben bisher bemerkenswerte und transferfähige Expertisen an-
gesammelt, die in Zukunft auch bundesweit in den betroffenen Regionen
Anwendung finden sollen. Mehr als zwei Jahrzehnten nach der Wiedervereini-
gung ist es aus fachlicher Sicht nicht mehr zielführend, die Begriffe Ost und
West programmatisch einfach so weiterlaufen zu lassen. Eine Zusammen-
führung der beiden Programme ist jedoch auf Grund der verschiedenen inhalt-
lichen Schwerpunktsetzung und Zielorientierung nicht sinnvoll. Beide Pro-
grammlinien sollen in ihrer strategischen Ausrichtung weiterentwickelt und für
alle betroffenen Regionen in Deutschland zugänglich gemacht werden.

Das Programm „Stadtumbau Ost“ ist nach seinem Auslaufen als „Stadtumbau
Transformation“, unter Beibehaltung des Schwerpunkts Reduzierung von Leer-
ständen und Aufwertung der Quartiere, zu einem bundesweiten Programm aus-
zubauen. Die Stabilisierung und Neuausrichtung der Wohnungsmärkte sowie
die Stärkung erhaltenswerter Quartiere sind dabei die Hauptaufgaben. Als
neues Handlungsfeld wird der altersgerechte Umbau zunehmend an Bedeutung
gewinnen. Dabei muss ein problemorientierter Verteilungsschlüssel der Förder-
mittel sicherstellen, dass unabhängig von ihrer Lage in der Bundesrepublik
Deutschland die Kommunen gefördert werden, die am stärksten von Schrump-
fung betroffen sind.

Der Stadtumbau West ist dann bundesweit als „Stadtumbau Konversion“ weiter
zu fördern. Mit den Schwerpunkten Regionaler Strukturwandel und Revitalisie-
rung sollen mindergenutzte Flächen in zentralen Lagen entwickelt werden.
Neben den klassischen Fällen industrieller und militärischer Konversion werden
vermehrt Leerstände von innerstädtischem Gewerbe (z. B. der Einzelhandel) zu
einer Herausforderung für die Stadtentwicklung.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

in Abstimmung mit den Ländern

Weiterentwicklung der Stadtumbauprogramme

1. die Mittelkürzung der Städtebauförderung zurücknehmen und perspektivisch
jedes der beiden Programme auf mindestens 110 Mio. Euro jährlich zu
erhöhen und zu verstetigen;

2. verstärkt investitionsbegleitende Maßnahmen in der Programmausgestaltung
zu berücksichtigen;

3. den Herausforderungen Klimaschutz, Klimafolgenanpassung, Anpassung
sozialer und technischer Infrastrukturen, Senkung des Flächenverbrauchs
sowie altersgerechter und barrierefreier Stadtumbau und Innenentwicklung

mit entsprechenden Förderkriterien in den Verwaltungsvereinbarungen mit
den Ländern in beiden Programmen zu begegnen;

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4. die Möglichkeit der Zwischennutzungen in die Verwaltungsvereinbarungen
aufzunehmen;

5. Konzepte zu entwickeln, wie Kommunen mit Haushaltssicherungskonzep-
ten am Stadtumbau wieder stärker beteiligt werden können;

6. Kommunen besser zu beraten und vom hohem Verwaltungsaufwand bei der
Fördermittelbeantragung und -abrechnung zu entlasten;

7. integrierte Stadtentwicklungskonzepte und qualifizierte Bürgerbeteiligung
als förderfähige Voraussetzungen festzulegen, die dann die verbindliche
Grundlage für Abriss-, Umbau- und Aufwertungsmaßnahmen bilden;

8. die Aufwertung der Innenstädte stärker in den Fokus der Förderung vom
„Stadtumbau Transformation“ zu nehmen und mindestens die Hälfte der
Mittel für Aufwertungsmaßnahmen festzuschreiben;

9. die Aktivierung Privater in beiden Programmlinien zu unterstützen sowie
neue Kooperationsmodelle, Akteurs-, Eigentümer- und Trägerstrukturen
im Stadtumbau zu etablieren, an die auch Fördermittel vergeben werden
können (z. B. Eigentümerstandortgemeinschaften, Selbstnutzerinitiativen
durch Einsatz von Verfügungsfonds);

10. eine Anschlussregelung für die 2013 auslaufende Altschuldenhilfe zu ent-
wickeln, bei der alle mit Altschulden belasteten Wohnungsunternehmen
und -eigentümer antragsberechtigt sind;

11. die verkehrlichen Auswirkungen von Stadtumbauprojekten stärker zu
beachten und Rückbauflächen konsequent zu entsiegeln und zur Zwischen-
nutzung freizugeben;

12. Konzepte vorzulegen, um Maßnahmen der Städtebauförderung mit
Programmen anderer Ressorts zu verknüpfen, um so deren Nachhaltigkeit
zu erhöhen;

13. Mittelbündelungen in Fördergebieten sowie zwischen den einzelnen
Programmen der Städtebauförderung zu erleichtern;

bundesweite Perspektive für beide Programmlinien

14. das bisherige Programm Stadtumbau Ost nach dem Auslaufen im Jahr 2016
zu einem bundesweiten Programm „Stadtumbau Transformation“, unter
Beibehaltung der Schwerpunkte Reduzierung von Leerständen, Stabili-
sierung der Wohnungsmärkte und Aufwertung der Innenstädte, weiterzu-
entwickeln;

15. das bisherige Programm Stadtumbau West zu einem bundesweiten Pro-
gramm „Stadtumbau Konversion“, unter Beibehaltung der Schwerpunkte
Umbau industrieller und militärischer Flächen in zentralen Lagen, weiter-
zuentwickeln;

16. in den Verwaltungsvereinbarungen verstärkt problemorientierte Förder-
kriterien zu definieren.

Berlin, den 26. Februar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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