BT-Drucksache 17/1235

Einführung einer Anreizregulierung im Schienenverkehr, Verbesserung von Transparenz und Wettbewerb im nationalen und internationalen Schienenverkehr

Vom 24. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1235
17. Wahlperiode 24. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, Sören Bartol, Iris Gleicke,
Ulrike Gottschalck, Michael Groß, Hans-Joachim Hacker, Gustav Herzog,
Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann, Thomas Oppermann,
Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Einführung einer Anreizregulierung im Schienenverkehr, Verbesserung von
Transparenz und Wettbewerb im nationalen und internationalen Schienenverkehr

Eisenbahnunternehmen verfügen aufgrund ihrer Monopolstellung über eine
starke Marktmacht. Daher ist neben einer Zugangsregulierung für die konkurrie-
renden Eisenbahnverkehrsunternehmen eine Regulierung vor allem hinsichtlich
des intermodalen Wettbewerbs und des Zieles des Mehrverkehres auf die
Schiene unerlässlich.

Ziel einer wirksamen Regulierung der Zugangsentgelte ist es, eine faire und
chancengleiche Behandlung aller Marktteilnehmer sicherzustellen. In Fachkrei-
sen wird seit Jahren über die effizienteste Ausgestaltung einer Anreizregu-
lierung diskutiert. Das derzeitige Regime der Kostenzuschlagsregulierung wird
dabei von vielen als unfair und nicht genügend effizient beurteilt.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass durch die seit Januar 2009 geltende Leis-
tungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) der Bund über ein geeignetes
Mittel verfügt, um die Qualität im Schienenverkehr zu optimieren. Die LuFV,
die in dieser qualitativ hochwertigen Form auf Initiative der SPD in der großen
Koalition zu Stande kam, regelt zwischen dem Eigentümer Bund und der Deut-
schen Bahn AG (DB AG) langfristig den Erhalt und die Finanzierung der Schie-
nenwege in Deutschland. Kerngedanke der Leistungs- und Finanzierungsverein-
barung ist es, bei der Finanzierung von Investitionen in das bestehende Netz die
bisherige „Inputkontrolle“ durch eine „Outputkontrolle“ zu ersetzen.

Statt bei der Antrags- und Verwendungsprüfung lediglich formal den richtigen
Mitteleinsatz zu bewerten, wird durch die LuFV nun die Einhaltung einer vorab
vereinbarten Netzqualität überprüft. Mit der LuFV werden damit die einzuhal-
tenden Qualitätskennziffern zum Netzzustand genau vorgegeben.

Eine Anreizregulierung darf die nun endlich in Kraft getretene LuFV in keinster
Weise konterkarieren und ihre Wirkung aufheben. Daher muss vorher genau un-
tersucht werden, welche Wirkungen eine Anreizregulierung im Schienenver-

kehr mit sich bringt.

Ein weiteres wichtiges Kriterium für einen fairen Wettbewerb ist der Liberali-
sierungsindex des Schienenverkehrs in der EU. Dabei zeigt sich, dass Deutsch-
land zu den Ländern gehört, bei denen die Liberalisierung am weitesten fortge-
schritten ist. Deutschland liegt hinter Großbritannien und Schweden auf Platz
drei.

Drucksache 17/1235 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Problematisch ist vielmehr, dass Nachbarländer wie Italien, Österreich und vor
allem Frankreich mit der Öffnung der Schienennetze noch deutlich im Verzug
sind.

Wichtig ist daher vor allen, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, da-
mit auch im Übrigen europäischen Markt eine faire Marktöffnung des Schienen-
verkehrs stattfindet und auch in anderen EU-Ländern gleichberechtigte Wett-
bewerbsbedingungen entstehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Bundesnetzagentur und des Bei-
rates der Bundesnetzagentur, dass die im Eisenbahnrecht geregelte Kon-
trolle der Entgelte für die Nutzung des Fahrweges und der Serviceeinrich-
tungen nach dem Vollkostenprinzip Defizite aufweist und Anreize zur
Senkung der Kosten und der Zugangsentgelte gesetzt werden sollten?

2. Für wann konkret plant die Bundesregierung die Einführung einer Anreiz-
regulierung für die Stations- und Trassenpreise?

3. Inwieweit wird die Bundesregierung die von der Bundesnetzagentur vorge-
schlagene Variante der Preisobergrenzenregulierung („Price-Cap-System“)
favorisieren?

4. Welche Vorteile ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung durch die
Einführung einer Preisobergrenzenregulierung gegenüber der gegenwär-
tigen Kostenzuschlagsregulierung?

5. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass durch die Einführung
einer Price-Cap-Regulierung der Druck zur Kostenreduzierung zunimmt
und es zu einer Lohnspirale nach unten kommt und zu einem Abbau der Be-
schäftigten im Eisenbahnsektor?

6. Sieht die Bundesregierung eine mögliche Qualitätsbeeinträchtigung im
Schienenverkehr, sofern durch eine Anreizregulierung entsprechend der
von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen Preisobergrenzenregulierung
ein Kostenminimierungsdruck ausgelöst wird?

7. Wie müsste eine Anreizregulierung ausgestaltet werden, so dass die Maß-
nahmen der LuFV sich frei entfalten können und keine negativen Wechsel-
wirkungen zu verzeichnen sind?

8. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Anreizregulierung über die
von der LuFV induzierte Qualitätskontrolle um eine spezielle Qualitäts-
regulierung ergänzt werden?

9. Wird die Bundesregierung bei der Ausgestaltung der Anreizregulierung
Punkt 3 des Beschlusses der 7. Sitzung des Eisenbahninfrastrukturbeirates
vom 10. September 2007 berücksichtigen, dementsprechend eine Anreiz-
regulierung lediglich als flankierende Maßnahme auszugestalten ist, um
auszuschließen, dass die in der LuFV begrenzten Zuwendungen durch eine
überproportionale Erhöhung der Infrastrukturnutzungsentgelte zu Lasten
der Netznutzer kompensiert werden?

Wenn ja, wie will die Bundesregierung dies garantieren?

10. Welche konkreten Auswirkungen erwartet die Bundesregierung mit der
Einführung einer Anreizregulierung auf den Bahnkunden?

11. Welche Auswirkungen hat eine Anreizregulierung auf die Fahrpreise, das
Zugangebot und auf die Vertaktung im Schienenverkehr?

12. Wird die Bundesregierung die Bundesnetzagentur entsprechend des Koali-

tionsvertrages stärken, und wenn ja, wie soll diese Stärkung aussehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1235

13. Kommen für die Bundesregierung neben der Price-Cap-Regulierung noch
andere Regulierungsmodelle (wie z. B. die Revenue-Cap-Regulierung,
Hybride Varianten) in Betracht?

14. Wie werden sich diese anderen Modelle auf die zu den Fragen 4 bis 12 auf-
geworfenen Merkmale – wie Qualität des Schienennetzes, Beschäftigung,
Trassenpreise, Fahrpreise usw. – auswirken?

15. Geht die Bundesregierung davon aus, dass eine Anreizregulierung zu mehr
Transparenz und zu einer Senkung der Zugangsentgelte führt?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Haltung der Monopolkommission,
die in ihrem Sondergutachten „Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichen-
stellung“ zum Schluss kommt, „Da in dem Konzept der Anreizregulierung
bisher keinerlei Informationen über die zu wählenden Trassenpreise oder
den Effizienzfaktor enthalten sind, kann auch nicht davon ausgegangen
werden, dass eine Anreizregulierung zu einer pauschalen Senkung der Zu-
gangsentgelte führt (…)“?

17. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass die
französische Staatsbahn SNCF nach dem jetzigen Stand weiterhin bis 2019
ihre Alleinstellung auf dem französischen Markt behält und die DB AG in
Frankreich weder Intercityverkehre noch Regionalverkehre anbieten kann?

18. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass in
Deutschland das EU-Recht zur Marktöffnung völlig ohne Einschränkung
umgesetzt wurde, Frankreich jedoch die Aufnahme internationaler Ver-
kehre z. B. durch Ausgleichsabgaben zu Gunsten nationaler Verkehre oder
durch drastische Erhöhung der Trassenpreise wirtschaftlich unmöglich
macht?

19. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung über ihre Ant-
wort zu Frage 16 der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD „Wettbewerbs-
bedingungen des Schienenverkehrs in Deutschland“ (Bundestagsdruck-
sache 17/700) hinaus, um eine Öffnung der Eisenbahnmärkte und faire
Wettbewerbsbedingungen in allen Mitgliedstaaten zu erreichen?

20. Wie steht die Bundesregierung zu der im Punkt 5 des Beschlusses der 7. Sit-
zung des Eisenbahninfrastrukturbeirates vom 10. September 2007 erhobe-
nen Forderung, dass die Anreizregulierung zeitgleich mit der geplanten
Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes umgesetzt wird?

Wie soll diese Neuorganisation aussehen?

Berlin, den 24. März 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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