BT-Drucksache 17/12323

Konkrete Umsetzung des Vorschlags "Energiewende sichern - Kosten begrenzen"

Vom 11. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12323
17. Wahlperiode 11. 02. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Harald Ebner,
Sylvia Kotting-Uhl, Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel,
Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konkrete Umsetzung des Vorschlags „Energiewende sichern – Kosten begrenzen“

Am 28. Januar 2013 hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit, Peter Altmaier, auf einem siebenseitigen Papier Vorschläge zur
Begrenzung des Ausbaus der erneuerbaren Energien durch eine Einführung ei-
ner sogenannten Strompreis-Sicherung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
vorgestellt.

Demnach sollen vier Maßnahmen noch vor der Sommerpause im parlamenta-
rischen Verfahren umgesetzt werden. Zu diesen Maßnahmen zählt eine Flexibi-
lisierung des Zahlungsbeginns der Einspeisevergütung für Neuanlagen, eine
Begrenzung und Reduzierung der Ausnahmeregelung für die energieintensive
Industrie, eine Beteiligung an der EEG-Umlage der Eigenproduzenten bzw.
Eigenverbraucher sowie die Einführung eines einmaligen EEG-Soli von Betrei-
bern von Bestandsanlagen. Zudem soll die EEG-Umlage für zwei Jahre einge-
froren werden.

Für Investoren und die gesamte Erneuerbare-Energien-Branche mit über
400 000 Arbeitsplätzen bedeuten die Vorschläge von Bundesumweltminister
Peter Altmaier vor allem Verunsicherung. Sogar innerhalb der eigenen Bundes-
regierung gibt es heftige Kritik und Widerstände. Experten und Wissenschaftler
kritisieren die Vorschläge als „unüberlegt“, da sie das Grundproblem des Er-
folgs der erneuerbaren Energien nicht angehen. Denn die Erneuerbare-Ener-
gien-Anlagen senken den Börsenpreis, wodurch ihre eigene Umlage jedoch
steigt. Damit werden sie Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich Fragen zu den Auswirkungen auf die
Ausbauziele der Bundesregierung und der Ausgestaltung der einzelnen Maß-
nahmen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gelten die von der Bundesregierung gesetzten Ziele zum Ausbau der erneuer-
baren Energien auch weiterhin, und welche Auswirkungen auf die Ausbau-

ziele hat das von Bundesumweltminister Peter Altmaier vorgestellte Papier
„Energiewende sichern – Kosten begrenzen“ (u. a. mit der Einführung einer
Deckelung der EEG-Umlage)?

2. Welche Ausbauziele für die Jahre 2020, 2030, 2040 und 2050 sind bei den
erneuerbaren Energien im Stromsektor mit den von Bundesumweltminister
Peter Altmaier genannten Vorschlägen nach Berechnung der Bundesregie-
rung erreichbar?

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3. Wieso wird die Umlage auf den aktuellen Stand gedeckelt, selbst im Falle
weiterer Senkungen des Börsenpreises?

4. Sind die nach EU-Recht verpflichtenden Ausbauziele Deutschlands bezüg-
lich erneuerbarer Energien durch die mögliche Deckelung des Ausbaus im
Stromsektor noch erreichbar?

5. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie (BMWi), wonach die Vorschläge von Bun-
desumweltminister Peter Altmaier einen faktischen Neubaustopp von Er-
neuerbare-Energien-Anlagen bedeuten?

6. Mit welchem jährlichen Neubau von Erneuerbare-Energien-Anlagen in den
Jahren 2014 und 2015 rechnete die Bundesregierung, aufgeschlüsselt nach
Einzelbranche, falls die von Bundesumweltminister Peter Altmaier vorge-
schlagene Deckelung der EEG-Umlage wie vorgesehen ab August 2013 in
Kraft tritt?

7. Mit welchem Zubau rechnet die Bundesregierung bis zum Jahr 2020, wenn
die EEG-Umlage auf eine Steigerung von 2,5 Prozent pro Jahr begrenzt
wird?

Wird die Bundesregierung ihr Ausbauziel von mindestens 35 Prozent er-
neuerbare Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 mit diesem
Deckel erreichen?

8. Mit welchen Bundesministerien war das von Bundesumweltminister Peter
Altmaier vorgestellte Papier abgestimmt, bzw. wie sieht der derzeitige Ab-
stimmungsprozess aus?

9. Welche Positionen (bitte einzeln aufschlüsseln) vertreten die involvierten
Bundesministerien und teilt das Bundesministerium für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit (BMU), diese Position und Bedenken?

10. Wie bewertet das BMU die Aussagen des BMWi, wonach die Vorschläge
von Bundesumweltminister Peter Altmaier „zum Scheitern verurteilt sind“
und lediglich „Scheinlösungen“ darstellen, über die „DER SPIEGEL“ (Heft
6/2013) berichtet, und welche Konsequenzen zieht das BMU daraus?

11. Welche Kostensenkungen (bitte in Cent pro Kilowattstunde und unterteilt
nach Endverbraucher und Industrie) werden die von Bundesminister Peter
Altmaier vorgeschlagenen Reformen nach vollständiger Umsetzung erbrin-
gen?

12. Wie will der Bundesminister Peter Altmaier erreichen, dass die Börsen-
strompreise nicht weiter absinken, und wie will er die EEG-Umlage ein-
frieren, wenn ein weiteres Absinken der Börsenstrompreise die genannten
Einsparbemühungen übersteigen?

13. Hat die Bundesregierung wissenschaftliche Expertisen für die von Bun-
desumweltminister Peter Altmaier gemachten Vorschläge verwendet, und
falls ja, welche wissenschaftlichen Expertisen waren die Grundlage für die
einzelnen Vorschläge?

14. Mit welchen Kostensenkungen bei welchen Maßnahmen rechnen die ein-
zelnen Expertisen bei der EEG-Umlage (bitte einzeln aufschlüsseln)?

15. Wie lautet der konkrete Zeitplan zur Umsetzung der im Papier des Bun-
desumweltministers Peter Altmaier gemachten Vorschläge, und welche ge-
setzliche Initiativen (Novelle des EEG, EnWG,…) müssen dafür ergriffen
werden?

16. Welche Vorschläge von Bundesminister Peter Altmaier bedürfen im Ge-

setzgebungsverfahren der Zustimmung des Bundesrates?

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17. Welche der im Papier genannten Maßnahmen werden konkret als „Einzel-
maßnahmen“ und welche als dauernde „automatische Stabilisatoren“ vor-
gesehen, und an welcher Stelle sollen sie wann greifen?

18. Wann – und auf welcher Berechnungsbasis – rechnet die Bundesregierung
damit, dass das EEG-Konto sich wieder im positiven Bereich bewegen
wird?

19. Wie will die Bundesregierung die von Bundesminister Peter Altmaier vor-
geschlagenen Abgaben auf Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEG-Soli) ge-
setzlich verankern, und in welcher Höhe soll dieser „EEG-Soli“ geleistet
werden?

20. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass der EEG-Soli für einzelne Be-
standsanlagen, vor allem solche, mit hohen Krediten und schwacher Eigen-
kapitalausstattung, eine existenzielle Bedrohung darstellt?

21. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine nachträgliche Ver-
ringerung der für 20 Jahre gesetzlich garantierten Einspeisevergütung
einem grundgesetzwidrigen Eingriff in das Eigentum gleichkommt?

22. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass mit dem EEG-Soli private
wie unternehmerische Insolvenzen möglich sind?

23. Wie lange soll die zeitlich „befristete Erhebung eines ‚EEG-Soli‘“ dauern,
und ist in diesem Zeitraum eine mehrfache Belastung möglich?

24. Wie wird sichergestellt, dass die Bundesregierung nicht mehrfach zu die-
sem Mittel greift und damit das Vertrauen der Anlagenbesitzer und Investo-
ren möglicherweise beeinträchtigt?

25. Soll zwischen einzelnen Anlagen differenziert werden (etwa Anlagen, die
Gewinne einfahren, und Anlagen, die bislang Verluste gemacht haben),
und falls ja, ab welchem Anlagengewinn soll der EEG-Soli greifen?

26. Ist eine übergreifende Kürzung für sämtliche Anlagentypen vorgesehen,
oder soll zwischen Sparten, Jahrgängen, Anlagengrößen etc. bei der Erhe-
bung des EEG-Soli unterschieden werden?

27. Unter welchen Bedingungen soll der Zahlungsbeginn der Einspeisevergü-
tung für Neuanlagen verschoben werden?

28. Was ist mit „bestimmter Anzahl von Monaten“ gemeint, die Anlagenbesit-
zer nach Inbetriebnahme auf ihre erste Vergütung zahlen müssen?

Wird es eine bestimmte Maximalzahl von Monaten geben oder ist die Zeit
befristet?

29. Welche Boni sollen konkret abgeschafft werden, um „eine Kostenersparnis
von bis zu 500 Millionen Euro“ zu erreichen?

30. Wird es eine Priorisierung der Anlagen entsprechend ihrer Kosten geben,
wonach Windoffshoreanlagen und Biomasseanlagen stärker von der
Flexibilisierung des Zahlungsbeginns betroffen würden?

31. Wann sind konkrete Vorschläge zur Abschaffung bzw. Begrenzung der Be-
sonderen Ausnahmeregelungen bei der EEG-Umlage zu erwarten, und wie
ergibt sich die von Bundesminister Peter Altmaier genannte Höhe eines
möglichen Einsparvolumens von 500 Mio. Euro (bitte konkret aufschlüs-
seln)?

32. Auf welcher Berechnungsgrundlage kommt die Zahl von 0,7 Cent pro
Kilowattstunde zustande, mit der Bundesminister Peter Altmaier, wie auf
der Pressekonferenz angekündigt, die teilbefreiten Unternehmen belasten

will?

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33. Nach welchen Kriterien sollen Unternehmen in Zukunft von einer vermin-
derten EEG-Umlage im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung pro-
fitieren?

34. Kann die Bundesregierung sicherstellen, dass zukünftig die in der Öffent-
lichkeit in die Kritik geratenen Unternehmen wie Hähnchenmastanlagen,
Rechenzentren u. a. von den Befreiungen ausgeschlossen sind?

35. Auf welche Höhe soll die begünstigte Gesamtstrommenge gedeckelt wer-
den, und was geschieht, wenn der Deckel erreicht ist?

36. In welcher Höhe soll der Eigenverbrauch belastet werden?

37. Wie soll die Unterscheidung zwischen Altanlagen und Neuanlagen geregelt
werden?

38. Soll zwischen Anlagen mit „fossiler“ Stromerzeugung auf der einen Seite
und Anlagen mit „erneuerbarer“ Stromerzeugung auf der anderen Seite
unterschieden werden?

39. Was ist mit Übergangslösungen bei „Altfällen“ gemeint?

40. Sollen auch Altanlagenbesitzer, die einen Eigenverbrauchsbonus erhalten,
der den Eigenverbrauch anreizen sollte, belastet werden, und handelt es
sich hier um einen zweiten Eingriff in den Anlagenbestand neben dem sog.
EEG-Soli (Stichwort: doppelte Belastung von Bestandsanlagen)?

41. Hat die Bundesregierung diese rückwirkenden Eingriffe verfassungsrecht-
lich geprüft, und wenn ja, welche Gutachten gibt es dazu, und wo sind
diese zugänglich?

42. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass es zu einer umlage-
erhöhenden Wirkung kommt, wenn die Besitzer von Photovoltaikanlagen
infolge der Eigenstrombelastung den Strom einspeisen (und damit eine
Einspeisungsvergütung erhalten), anstatt ihn selbst zu verbrauchen?

43. Wird es beim Eigenverbrauch in der Industrie eine Differenzierung zwi-
schen der energieintensiven Industrie und der übrigen Industrie geben?

44. Welche verfassungsrechtlichen Prüfungen liegen der Bundesregierung vor,
die diesen Eingriff in den Vertrauensschutz der Anlagenbetreiber als be-
rechtigt einordnen?

45. Mit welcher Begründung soll die Liquiditätsreserve künftig mindestens
3 Prozent betragen?

46. Bis zu welcher Höhe soll die Liquiditätsreserve künftig erhöht werden kön-
nen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Erhöhung der Liquidi-
tätsreserve kurzfristig auch eine Erhöhung der EEG-Umlage nach sich
zieht?

Berlin, den 11. Februar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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