BT-Drucksache 17/12130

Entwicklung der beruflichen Rehabilitation und Situation der Berufsförderungswerke

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12130
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Mast, Anette Kramme, Hubertus Heil (Peine),
Ingo Egloff, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Gabriele Hiller-Ohm, Josip
Juratovic, Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Gabriele Lösekrug-Möller,
Thomas Oppermann, Anton Schaaf, Silvia Schmidt (Eisleben), Ottmar
Schreiner, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Entwicklung der beruflichen Rehabilitation und Situation der Berufsförderungs-
werke

Das Ziel der beruflichen Rehabilitation ist die (Wieder-)Eingliederung von be-
hinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen ins Erwerbsleben. Mit
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben soll die berufliche Ersteingliederung
sichergestellt werden. Weiter geht es darum, die Arbeitsfähigkeit am jeweiligen
Arbeitsplatz möglichst zu erhalten oder auch neue Berufschancen zu eröffnen.
Voraussetzung hierfür sind unfall- oder krankheitsbedingte Beeinträchtigungen
der Berufs- oder Ausbildungsfähigkeit, die eine besondere Hilfe zur Eingliede-
rung in Beruf oder Arbeit nötig machen.

Während in Berufsbildungswerken körperlich und psychisch beeinträchtigte und
benachteiligte junge Menschen eine Berufsvorbereitung oder Erstausbildung er-
halten, sind die Berufsförderungswerke die „Experten für die Rückkehr in den
Beruf“1 als vom Gesetzgeber explizit benannte Einrichtungen der beruflichen
Rehabilitation. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträch-
tigungen die volle Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Zu ihren Kern-
kompetenzen gehören neben der Prävention, Diagnostik und Beratung auch die
Qualifizierung und Integration. Die Träger der beruflichen Rehabilitation sind
unter anderem die gesetzliche Unfallversicherung, die gesetzliche Rentenver-
sicherung oder die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Die BA ist für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig, soweit
kein anderer Rehabilitationsträger Vorrang hat. Dies gilt insbesondere für junge
behinderte Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf sowie für jene
(behinderten) Erwachsenen, die keine Ansprüche gegenüber der Rentenver-
sicherung haben, weil sie die Versicherungszeit von insgesamt 15 Jahren nicht
nachweisen können. Dies gilt auch für behinderte erwerbsfähige Hilfebedürf-
tige, die Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten
Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Jobcenter oder zugelassene kommunale

Träger erhalten.

Gesundheitlich eingeschränkte und behinderte Menschen sind überdurch-
schnittlich oft arbeitslos. Ihr Anteil ist unter den Arbeitslosengeld-II-Empfänge-
rinnen und -Empfängern besonders hoch. Laut dem Deutschen Gewerkschafts-

1 Vergleiche www.arge-bfw.de.

Drucksache 17/12130 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bund (DGB) schätzt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der
Bundesagentur für Arbeit (IAB), dass fast jede/jeder zweite Arbeitslosengeld-II-
Empfangende gesundheitlich eingeschränkt oder anerkannt schwerbehindert ist.
In einer Studie vom Oktober 2012 konstatiert der DGB, dass der Bestand an
arbeitsmarktpolitisch geförderten Rehabilitanden seit dem Jahr 2005 kontinuier-
lich zurückgegangen ist2. Im Fürsorgesystem, wo der Personenkreis der gesund-
heitlich Eingeschränkten höher ist als im SGB-III-System, sind die Förderungen
seit dem Jahr 2006 um 39 Prozent gesunken, während bei den von der Arbeits-
losenversicherung geförderten Maßnahmen der Rückgang mit 23 Prozent nied-
riger ausfiel.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung eine Reform des sogenannten Reha-Deckels in der
Deutschen Rentenversicherung auf den Weg bringen, um bei der Fortschrei-
bung des Reha-Budgets künftig – anders als bisher – auch die demografische
Entwicklung zu berücksichtigen?

2. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass für den Bereich der beruflichen
Rehabilitation die Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
zwischen den Jahren 2004 und 2010 insgesamt gesunken sind (vgl. DGB,
arbeitsmarkt aktuell, Nr. 7/Oktober 2012)?

3. Wie hat sich die wirtschaftliche Situation der Berufsförderungswerke in den
letzten fünf Jahren entwickelt im Hinblick auf Belegungszahlen, Erlöse und
Personalstand?

4. Liegen der Bundesregierung darüber Erkenntnisse vor, welche Bildungsträ-
ger für Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation in den letzten fünf Jahren
ausgewählt bzw. belegt wurden und wie sich diese Entwicklungen (Anzahl
der belegten Maßnahmen, Belegungszahlen) für die einzelnen Träger darstel-
len?

5. Wie erklärt sich die Bundesregierung den Rückgang arbeitsmarktpolitisch
geförderter Rehabilitanden im Fürsorgesystem (laut oben erwähnter DGB-
Studie 39 Prozent seit dem Jahr 2006) angesichts der Tatsache, dass im SGB-
II-System besonders viele Menschen gesundheitlich eingeschränkt oder an-
erkannt schwerbehindert sind?

6. Plant die Bundesregierung für die gemeinsamen Einrichtungen und die zuge-
lassenen kommunalen Träger des SGB-II-Systems eine gesetzliche Ver-
pflichtung, besondere Reha-Stellen einzurichten?

a) Falls ja, bis wann ist damit zu rechnen?

b) Falls nein, wie gedenkt die Bundesregierung zu gewährleisten, dass Reha-
Bedarfe frühzeitig erkannt und potenziellen Rehabilitanden Angebote
unterbreitet bzw. sie an die zuständige Agentur weitergeleitet werden?

7. Wird die Bundesregierung die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen schaf-
fen und den Trägern des SGB-II-Systems ein eigenes Budget für Rehabilita-
tion einrichten?

a) Wenn ja, bis wann?

b) Wenn nein, wie will die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass kost-
spielige und längerfristige Reha-Maßnahmen vor dem Hintergrund eines
Abschmelzens der zur Verfügung stehenden Mittel auch weiterhin ange-
boten, ausgeweitet und umgesetzt werden?
2 DGB, arbeitsmarkt aktuell Nr. 7/Oktober 2012, S. 3.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12130

8. Bis wann müssen die zugelassenen kommunalen Träger des SGB-II-Sys-
tems vollständige Transparenz zur beruflichen Rehabilitation herstellen, und
wie die BA z. B. Reha-Eintritte und -Maßnahmen erfassen sowie Angaben
über Kundinnen und Kunden und eingesetztes Personal im Reha-Bereich
machen?

9. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die Zahl der Eingangsverfahren
in Werkstätten für behinderte Menschen seit dem Jahr 2005 kontinuierlich
gestiegen sind, obwohl sich die Bundesregierung mit der Ratifikation der
Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (UN-BRK), im Jahr 2009 dem Inklusionsgebot (welches
Sondereinrichtungen für behinderte Menschen widerspricht) verpflichtet
hat?

a) Will die Bundesregierung diesen Trend zu mehr Werkstattbeschäftigung
umkehren?

Wenn ja, mit welchen Mitteln?

b) Wenn nein, warum nicht?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die aktuelle Situation der Ausbildung
junger Menschen mit Behinderung im Lichte der UN-BRK, und wie wird
die Bundesregierung die Situation im Sinne der Inklusion – also der betrieb-
lichen und betriebsnahen Ausbildung – weiter entwickeln?

11. Wie stellt sich die aktuelle Situation des „Budgets für Arbeit“ in Zahlen
bundesweit dar, und wird die Bundesregierung das „Budget für Arbeit“ för-
dern?

Wenn ja, wie wird sie dies tun?

Berlin, den 16. Januar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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