BT-Drucksache 17/12094

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/12094 - Friedensdialog in Kolumbien aktiv unterstützen

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12094
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/11839 –

Friedensdialog in Kolumbien aktiv unterstützen

A. Problem

Mit der am 17. Oktober 2012 in Oslo begonnenen zweiten Etappe des Friedens-
dialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und den Fuerzas Armadas
Revolucionarias de Columbia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) verbindet sich
allgemein die Hoffnung auf Beendigung einer fast 50 Jahre dauernden militäri-
schen Auseinandersetzung.

Wie in den vorausgegangenen, gescheiterten Friedensprozessen besteht auch
diesmal die Gefahr, dass die Bemühungen um eine politische Lösung des Kon-
flikts von jenen Kräften zum Scheitern gebracht werden könnten, die kein Inte-
resse am Ende der bewaffneten Auseinandersetzung haben.

Darum brauchen diese Verhandlungen eine breite Teilhabe aller am Konflikt
beteiligten Parteien sowie eine breite internationale Unterstützung.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Erfüllungsaufwand

Der Antrag macht keine Angaben über entstehenden Erfüllungsaufwand.

Drucksache 17/12094 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/11839 abzulehnen.

Berlin, den 16. Januar 2013

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Anette Hübinger
Berichterstatterin

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Thilo Hoppe
Berichterstatter

gelegenheiten der Europäischen Union haben den Antrag werde. Im Hinblick auf die in Kolumbien begangenen Ver-

auf Drucksache 17/11839 in ihrer Sitzung am 16. Januar
2013 beraten.

Der Auswärtige Ausschuss und der Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union empfehlen

brechen weise man darauf hin, dass 40 Prozent der Verbre-
chen von der Guerilla und 60 Prozent von Seiten der Armee
und Paramilitärs begangen worden seien. Bis zu einer Ver-
söhnung in diesem Land sei es noch ein weiter Weg.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12094

Bericht der Abgeordneten Anette Hübinger, Dr. Sascha Raabe, Harald Leibrecht,
Heike Hänsel und Thilo Hoppe

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/11839 in seiner 214. Sitzung am 13. Dezember 2012 be-
raten und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Auswärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die An-
gelegenheiten der Europäischen Union zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert,
sich im Rahmen der Europäischen Union für den Erfolg der
Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen
Regierung und der FARC-EP einzusetzen.

Darüber hinaus soll sie sich dafür einsetzen, dass im Rah-
men dieser Verhandlungen dem Recht der Opfer auf Wahr-
heit, Wiedergutmachung und Gerechtigkeit Geltung ver-
schafft und keine Amnestie für Straftaten gegen die
Menschlichkeit gewährt wird; die in der Zeit des Konflikts
verschwundenen und inhaftierten Personen müssten syste-
matisch erfasst werden.

Ferner fordern die Antragsteller von der Bundesregierung,
dafür einzutreten, dass auch die zweite Guerillagruppe
Kolumbiens, die Ejército de Liberación Nacional (ELN),
am Friedensdialog beteiligt wird.

Innerhalb der EU müsse die „EU-Terrorliste“ mit Blick auf
eine Erleichterung von Verhandlungsreisen dahingehend
überprüft werden, FARC-EP und ELN zu streichen. Zudem
müsse ausgeschlossen werden, dass europäische Konzerne
mit paramilitärischen Strukturen in Kolumbien zusammen-
arbeiteten.

Schließlich weisen die Antragsteller auf die sozialen Ur-
sachen des Konflikts und die ungleiche Verteilung von Land
und Einkommen hin, und fordern von der Bundesregierung,
auf eine Handels- und Entwicklungspolitik zu verzichten,
die zu einem weiteren Ausscheren der sozialen und öko-
nomischen Teilhabe in der Gesellschaft Kolumbiens führen
würde. Darum müsse das aktuelle Freihandelsabkommen
zwischen der EU, Kolumbien und Peru, mit dem die klein-
bäuerliche Nahrungsmittelproduktion gegenüber einer groß-
flächigen Palmölplantagenwirtschaft benachteiligt würde,
auf den Prüfstand gestellt werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Auswärtige Ausschuss, der Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe und der Ausschuss für die An-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag ab-
zulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache 17/11839 in
seiner 71. Sitzung am 16. Januar 2013 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. sieht die Aufgabe der Euro-
päischen Union und der Bundesregierung darin, eine best-
mögliche politische Unterstützung für den Friedensprozess
zu organisieren. Die Bundesregierung habe immerhin sehr
gute Beziehungen zur kolumbianischen Regierung, und für
die sozialen Bewegungen und die Bevölkerung vor Ort sei
es nun wichtig, dass sich in den verschiedenen Konfliktre-
gionen Kolumbiens etwas verändere. Man spüre bislang
nichts von einem Friedensprozess und die Menschen seien
nach wie vor Übergriffen durch Paramilitärs und die Armee
ausgesetzt. Die Guerilla habe einen einseitigen Waffenstill-
stand angekündigt und diesen weitgehend eingehalten. Sie
forderten dieses nun verständlicherweise auch von der
Regierung. Es müsse Druck auf die kolumbianische Regie-
rung ausgeübt werden, damit sie mehr im Hinblick auf das
eigene militärische Agieren anbiete. Vom 17. bis 19. De-
zember habe es ein erstes Treffen mit der Zivilgesellschaft
gegeben. Der Fraktion DIE LINKE. fehlten nach wie vor
wichtige Punkte, die nicht in die Friedensverhandlungen
eingebracht würden, wie soziale Gerechtigkeit. Weite Teile
der Zivilgesellschaft kritisierten das Freihandelsabkommen,
da es kontraproduktiv sei, weil es die soziale Spaltung ver-
schärfe, den Konkurrenzdruck erhöhe, und es auch zu Ver-
treibungen führen könne. Es gebe mehrere Studien, bei-
spielsweise aus dem Europaparlament, wonach die umfas-
senden Liberalisierungsverpflichtungen in dem Handelsab-
kommen Geldwäsche oder auch Steuerhinterziehung
begünstigten. In einem Land wie Kolumbien, wo eine hohe
organisierte Kriminalität existiere, würden solche Abkom-
men eine umfassendere Geldwäsche ermöglichen, auch von
Drogengeldern in Europa. Aus diesen Gründen fordere die
Fraktion DIE LINKE., dass in diesem Punkt neu verhandelt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt den Friedensprozess
in Kolumbien sehr. Man hoffe, dass er erfolgreich geführt

Verhandlungsthema auszuwählen, zeige den Willen der Re-
gierung, die Landreform stringent fortzuführen. Im Übrigen
liege hier der größte Konflikt. Es sei keineswegs so, dass
das Ändern der europäischen Handelspolitik den Frieden in
Kolumbien gewährleisten würde. Natürlich bedeute Frei-
handel mehr Freiraum, aber Freihandel sage keineswegs,
dass keine Gesetze gestaltet werden könnten, um Geldwä-
sche und Steuerhinterziehung Einhalt zu gebieten. Das eine
schließe das andere nicht aus. Möglicherweise sei die Zivil-
gesellschaft zu wenig in den Prozess eingebunden worden.
Die Verhandlungen von 1998 zeigten aber auch, dass eine
breite Beteiligung der Zivilgesellschaft sehr schnell zu ei-
nem Medienspektakel und nicht zu positiven Ergebnissen
führen könnte. Die Fraktion der CDU/CSU vertrete die Auf-
fassung, dass Friedensverhandlungen zwingend Vertrauen
und einen Rahmen des vertrauensvollen Austausches benö-
tigten. Zu bezweifeln sei auch, wenn man die Guerilla-Or-
ganisation ELN einbinden würde, dann sei auch der Kon-
flikt beendet. Der bei den letzten Verhandlungen ausgehan-
delte Waffenstillstand sei von der Regierung eingehalten
worden, aber die FARC habe in dieser Zeit ihre Aufrüstung
und Landnahme vorangetrieben. Man könne also verstehen,
dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Asymmetrie vorherrsche.
Wichtig sei es aber bei der Umsetzung der Lösungen, die
Zivilgesellschaft breit einzubinden. Darum werde man den
Antrag der Fraktion DIE LINKE. ablehnen.

Die Fraktion der SPD stellt heraus, dass in dem vorliegen-
den Antragstext die kolumbianische Regierung für ihre
aktive Rolle bei den Friedensverhandlungen gelobt werde.
Deshalb werde man nicht gegen den Antrag stimmen, son-
dern sich enthalten. Ohne die harte Politik der Vorgängerre-
gierung gegenüber der FARC hätte es zu den jetzigen Ver-
handlungen nicht kommen können. Die FARC und ELN
würden so beschrieben, als hätten sie für die Beseitigung
der sozialen Ursachen des Konflikts gestanden. Natürlich
gebe es große soziale Verwerfungen auf dem Land, und die
erfolgte Landnahme könne man nicht akzeptieren; sie sei

habe eine militärische Befreiung immer abgelehnt, aber das
hätten die Geiseln ganz anders gesehen. Zum Glück würde
die Fraktion DIE LINKE. nicht mehr die Position vertreten,
dass der FARC ein autonomes Staatsterritorium eingeräumt
werden müsse. Man freue sich, das der Friedensdialog jetzt
endlich vorankomme. Hier bestehe erstmals die Chance,
dass Kolumbien einen sehr guten Weg gehe und dauerhaft
Frieden finden könne.

Die Fraktion der FDP macht deutlich, dass man dem An-
trag nicht zustimmen werde, weil er der Bundesregierung
unterstelle, dass sie die soziale Ungleichheit in Kolumbien
unterstütze. Es sei aber das Gegenteil der Fall. Die Projekte,
die dort initiiert worden seien, gingen in die richtige Rich-
tung. Über das Freihandelsabkommen könne man immer
streiten, aber letztendlich werde es die wirtschaftliche Ent-
wicklung von Kolumbien positiv unterstützen, und zwar
nicht im Sinne einer Ausbeutung. Die FARC und der ELN
seien Terrorgruppen; das sei bei der Beschäftigung mit die-
sen Gruppen immer wieder deutlich geworden. Es sei
Furchtbares passiert, wie Massaker, Entführungen und ganz
gezielte Tötungen. Das Land habe über viele Jahre unter
diesem Terror gelitten, und das sei bis heute noch nicht auf-
gearbeitet. Es gebe viele traumatisierte Familien, die jahre-
lang unter großer Angst gelebt hätten. Die Fraktion der FDP
sei der Auffassung, dass man diesen Punkt nicht vergessen
dürfe. Das sei ein Teil der Geschichte des Landes, den man
aufarbeiten müsse.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt der
Einschätzung zu, dass die FARC keine Befreiungsbe-
wegung mit einer sozialen Agenda und mit dem organisier-
ten Verbrechen verknüpft sei. Die im vorliegenden Antrag
gestellten Forderungen dienten jedoch der Unterstützung
des Friedensprozesses, die die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sehr begrüße. Das bewerte die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenso positiv wie entschei-
dend, und darum werde man dem Antrag zustimmen.

Berlin, den 16. Januar 2013

Anette Hübinger
Berichterstatterin

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Thilo Hoppe
Berichterstatter
Drucksache 17/12094 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

würde und die mehr als 50 Jahre andauernden kriegerischen
Auseinandersetzungen endlich beendet würden. Es sei er-
freulich, dass die Bundesregierung und die Europäische
Union diesen Prozess begleiteten, und es sei ein gutes Sig-
nal, wenn Norwegen als Verhandlungsort mit eingebunden
sei. Diese Verhandlungen würden laut einer Studie von zwei
Dritteln der kolumbianischen Bevölkerung als positiv be-
wertet. Es seien fünf Themen aufgesetzt worden: die länd-
liche Entwicklung, die politische Beteiligung, Modalitäten
der Beendigung des Konflikts, illegale Drogen und die Ent-
schädigung der Opfer. Die Land- und Agrarentwicklung als

immerhin ursächlich für die Gründung der FARC vor
30 Jahren. Aber kein ernsthafter Wissenschaftler oder Poli-
tologe würde heute die These vertreten, dass die FARC oder
ELN irgend etwas mit der Beseitigung sozialer Ungleich-
heiten in Kolumbien zu tun habe. Es handele sich um krimi-
nelle Terrorbanden, die sich mit Entführungen und Drogen-
geschäften finanzierten. Es gebe eindringliche Berichte von
Betroffenen hierüber. Die Interessen der Kleinbauern seien
völlig nebensächlich. Die Entführten, so beispielsweise
Ingrid Betancourt, hätten bis zuletzt gehofft, dass sie aus der
Gefangenschaft befreit würden. Die Fraktion DIE LINKE.

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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