BT-Drucksache 17/12092

zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Vogler, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/8581 - Opfer des Brustimplantate-Skandals unterstützen - Keine Kostenbeteiligung bei medizinischer Notwendigkeit

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12092
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Vogler, Diana Golze,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/8581 –

Opfer des Brustimplantate-Skandals unterstützen – Keine Kostenbeteiligung
bei medizinischer Notwendigkeit

A. Problem

Notwendige ärztliche Behandlungen als Folge medizinisch nicht indizierter
ästhetischer Operationen, Tätowierungen oder Piercings führen bei gesetzlich
Versicherten aufgrund der bestehenden Selbstverschuldensregelung im Gegen-
satz zu privat Versicherten zu einer Beteiligung an den entstehenden Kosten.
Dem Grundsatz, jede Versicherte und jeden Versicherten unabhängig von der
Schuldfrage bei medizinischer Notwendigkeit zu versorgen, wird daher bei Fol-
gen ästhetischer Eingriffe widersprochen. Diese Ungleichbehandlung wider-
spricht dem Gleichheitsgedanken und hat zur Folge, dass insbesondere Ver-
sicherte mit geringem Einkommen, medizinisch notwendigen Behandlungen
fernbleiben.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern, § 52 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
durch einen Gesetzentwurf rückwirkend abzuschaffen und auf europäischer
Ebene darauf hinzuwirken, dass weder die Betroffenen, noch die gesetzliche
Krankenversicherung aufgrund von medizinisch notwendigen Folgebehandlun-
gen von Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings finanziell belas-
tet werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/12092 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/8581 abzulehnen.

Berlin, den 16. Januar 2013

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Carola Reimann Dr. Marlies Volkmer
Vorsitzende Berichterstatterin

band der privaten Krankenversicherung e. V. (PKV), Sozial- lassungsverfahren für Medizinprodukte der Klassen IIb

verband VdK Deutschland e. V., Sozialverband Deutsch-
land e. V. (SoVD) Bundesverband, Bundesärztekammer
(BÄK), Bundesverband Medizintechnologie e. V. (BV-

und III, mit dem Ziel, nur solchen Produkten den Markt-
zugang zu ermöglichen, bei denen der Patientennutzen im
Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen sei. Die Antrags-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12092

Bericht der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. auf Drucksache 17/8581 in seiner 158. Sitzung am
9. Februar 2012 in erster Lesung beraten und zur Beratung
an den Ausschuss für Gesundheit überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Im Fall notwendiger ärztlicher Behandlungen nach medizi-
nisch nicht indizierten ästhetischen Operationen müssen ge-
setzlich Versicherte im Gegensatz zu privat Versicherten
aufgrund der bestehenden Selbstverschuldensregelung an
den Kosten der Behandlung beteiligt werden. Dies stellt
eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, denn
auch Behandlungen aufgrund anderer Verhaltensweisen, die
mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko einhergehen, werden
nicht mit einer Kostenbeteiligung belegt. Dem Grundsatz,
jede Versicherte und jeden Versicherten unabhängig von der
Schuldfrage bei medizinischer Notwendigkeit zu versorgen,
wird daher bei Schönheitsoperationen, Tätowierungen und
Piercings widersprochen. Angesichts der Kostenbeteili-
gung sehen sich insbesondere Versicherte mit geringem Ein-
kommen gezwungen, einer medizinisch notwendigen Be-
handlung fernzubleiben. Es ist darauf hinzuwirken, dass die
Folgen von ästhetischen Operationen weder zur finanziellen
Belastung für die Versichertengemeinschaft, noch zum
finanziellen Risiko für die Betroffenen werden. So sind
auch Fondslösungen zum Auffangen einzelner Risiken,
oder das Anbieten von Komplettpaketen, die alle vorher-
sehbaren und unvorhersehbaren Risiken decken, denkbar. In
jedem Fall ist umfassend über zu erwartende Folgebehand-
lungen und deren Kosten aufzuklären. Die Antragsteller for-
dern daher, § 52 Absatz 2 SGB V rückwirkend abzuschaffen
und zudem auf europäischer Ebene darauf hinzuarbeiten,
dass weder die Betroffenen noch die gesetzliche Kranken-
versicherung aufgrund von medizinisch notwendigen Folge-
behandlungen von Schönheitsoperationen finanziell belastet
werden.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Beratungen zum An-
trag der Fraktion DIE LINKE. in seiner 64. Sitzung am
29. Februar 2012 aufgenommen und beschlossen, eine öf-
fentliche Anhörung durchzuführen.

Die Öffentliche Anhörung fand in der 73. Sitzung am
25. April 2012 statt. Als Verbände waren eingeladen: Bun-
desarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initia-
tiven (BAGP), Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von
Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE), Ver-

Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC),
Deutsche Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie
(DGÄPC), Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wie-
derherstellungschirurgie e. V. (DGPW), Deutscher Anwalt-
verein (DAV) e. V., Deutscher Bundesjugendring, Deut-
scher Frauenrat e. V. (DF), Deutscher Gewerkschaftsbund
Bundesvorstand, Deutscher Richterbund Bund der Richte-
rinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte
e. V. (DRB), European Association for Professional Pier-
cing (EAPP), Europäischer Berufsverband Professionelles
Piercing e. V., Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie
Deutschland e. V. (GÄCD), GKV-Spitzenverband, Kassen-
ärztliche Bundesvereinigung (KBV), ProTattoo e. V., Ver-
braucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv), Vereinigung
der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).
Als Einzelsachverständige waren eingeladen: Prof. Dr.
Wolfgang Spoerr, Prof. Dr. jur. Ulrich M. Gassner und
Matthias Bernzen.

In seiner 95. Sitzung am 16. Januar 2013 hat der Ausschuss
seine Beratungen fortgesetzt und abgeschlossen.

Als Ergebnis empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP und gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, den Antrag auf Drucksache 17/8581 abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU war der Auffassung, dass im
Bereich der Medizinprodukte die Patientensicherheit obers-
tes Gebot sein müsse. Regelungsbedarf sehe man bei der
Marktüberwachung, besonders seitens der Benannten Stel-
len. Eine Änderung der in § 52 Absatz 2 SGB V geregelten
Kostenübernahme bei fehlerhaften Medizinprodukten lehne
man aber grundsätzlich ab. Es handle sich um meist freiwil-
lige Schönheitsoperationen oder risikohaftes Verhalten. Der
Steuerzahler solle hierfür nicht aufkommen. Der Hersteller
wiederum sei insolvent. Es wurde bedauert, dass der Antrag
nur Kostenfragen des PIP-Skandals, nicht aber Medizinpro-
duktesicherheit allgemein betrachtete.

Die Fraktion der FDP führte aus, dass der Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/
11830 die Verbesserung der Überwachung von Medizin-
produkten und somit die Verbesserung der Produktsicher-
heit zum Ziel habe. Die Veränderung der Kostenübernahme
bei fehlerhaften Produkten sei nicht zielführend. Die
Lösungsansätze müssten vielmehr innerhalb des gegenwär-
tigen Marktzugangs- und Überwachungssystems gesucht
werden. Deshalb werde man den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. ablehnen.

Die Fraktion der SPD war der Meinung, dass die Sicher-
heit von Medizinprodukten ein wesentliches Element der
Patientenrechte darstellt. Erforderlich sei ein angepasstes,
einheitliches und durch klinische Studien begleitetes Zu-
Med), Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen
e. V. (DAG SHG), Deutsche Gesellschaft der Plastischen,

steller zeigten keine Ambitionen den Schutz der Patientin-
nen und Patienten durch Maßnahmen auf nationaler Ebene

Drucksache 17/12092 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

zu verbessern. Aus Sicht der SPD müsse eine lückenlose
stichprobenartige Kontrolle und Überwachung von der Her-
stellung bis hin zum Einsatz der Medizinprodukte durch die
benannten Stellen sichergestellt werden. Ein der Versor-
gungsforschung und Rückverfolgung dienendes Implantat-
register müsse eingeführt werden. Hersteller von Medizin-
produkten sollten zum Abschluss einer Haftpflichtversiche-
rung verpflichtet werden und der Austausch von Implanta-
ten mit Serienfehlern müsste auf Kosten der Hersteller
erfolgen.

Die Fraktion DIE LINKE. merkte an, dass sie immer
schon die Selbstverschuldensregelung und die daraus resul-
tierende Kostenbeteiligung grundsätzlich kritisiert habe, da
eine solche Regelung in einem solidarisch organisierten Ge-
sundheitssystem nichts zu suchen habe. Die Beschränkung
auf Selbstbeteiligung an Folgekosten von Schönheitsopera-
tionen, Piercings und Tätowierungen widerspreche zudem
dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes. Dies habe ein
Einzelsachverständiger auch in der Anhörung sehr eindring-
lich klargestellt. Denn abgesehen von diesen willkürlich

ausgewählten Ausnahmen wird – richtigerweise – Gesund-
heitsversorgung immer ohne entsprechende Kostenbeteili-
gung gewährt, auch wenn der Patient durch sein sonstiges
Verhalten zum Entstehen der Erkrankung oder Verletzung
beigetragen hat. Nach geltendem Recht müssten auch die
Opfer des Brustimplantate-Skandals an den Kosten der Ex-
plantation beteiligt werden; hier werde offenkundig, dass
dieses Gesetz geändert werden muss.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf
hin, dass Medizinprodukte hoher Risikoklassen Arznei-
mitteln hinsichtlich ihrer Wirkungen immer ähnlicher wür-
den. Daraus resultierten erhebliche Risiken. Sicherheit und
Nutzen könnten aber nur durch klinische Studien und ent-
sprechende Zulassungs- und Kontrollmechanismen gewähr-
leistet werden. Es werde daher ein Zulassungsverfahren
vergleichbar mit Arzneimitteln sowie ein Kontroll- und Haf-
tungssystem benötigt. Man werde sich beim vorliegenden
Antrag der Fraktion DIE LINKE. enthalten, weil dieser keine
konkreten Vorschläge mache, damit Kosten fehlerhafter Imp-
lantate nicht der Allgemeinheit übertragen werden.

Berlin, den 16. Januar 2013

Dr. Marlies Volkmer
Berichterstatterin

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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