BT-Drucksache 17/12069

Keine überhöhten Säumniszuschläge bei Beitragsschulden

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12069
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Elke Ferner, Bärbel Bas, Petra Ernstberger,
Dr. Edgar Franke, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Ute Kumpf,
Steffen-Claudio Lemme, Hilde Mattheis, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert,
Dr. Carola Reimann, Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter
Steinmeier und der Fraktion der SPD

Keine überhöhten Säumniszuschläge bei Beitragsschulden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bei der Einführung der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherungspflicht
zum 1. April 2007 wurden auf Drängen der Fraktion der CDU/CSU verschärfte
Sanktionsmöglichkeiten für die Kassen geschaffen. So wurden für Beitrags-
schuldner neben dem Ruhen der vollen Leistungsansprüche zusätzlich empfind-
liche Strafzahlungen eingeführt. Damit sollte der Befürchtung Rechnung getra-
gen werden, dass es für freiwillig Versicherte trotz beschränktem Leistungsum-
fang bei Beitragsschulden attraktiv werden könnte, keine Beiträge zu zahlen und
stattdessen weitere Schulden in Kauf zu nehmen. Durch die von der Fraktion der
SPD durchgesetzte Versicherungspflicht für alle Einwohner Deutschlands, ein
großer sozialpolitischer Fortschritt, war die bisherige Sanktionsmöglichkeit
– der gänzliche Verlust des Krankenversicherungsschutzes – zu Recht entfallen.

Im Ergebnis wurden Säumniszuschläge in Höhe von 5 Prozent im Monat für
freiwillig Versicherte und bisher nicht Versicherte eingeführt.

Diese Regelung bedeutet in der Praxis einen beispiellosen und ungerechten Wu-
cher. Aus vergleichsweise kleinen Beitragsschulden werden so in kurzer Zeit
riesige Schuldenberge. Das führt zu explodierenden Belastungen der Betroffe-
nen, verhindert einen Abbau von Beitragsschulden, erschwert die Rückkehr in
eine reguläre Erwerbstätigkeit und schadet damit den betroffenen Beitrags-
schuldnern und auch den Krankenkassen. Diese Regelung muss deshalb aufge-
hoben werden.

Die vorher schon bestehende Regelung in § 24 Absatz 1 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB IV), wonach für Beitragsschulden Säumniszuschläge in
Höhe von 1 Prozent im Monat zu zahlen sind, ist angemessen und ausreichend.
Es besteht kein Bedarf für eine darüber hinausgehende Sonderregelung für be-
stimmte Versichertengruppen. Für Privatversicherte gibt es in § 193 Absatz 6

des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eine entsprechende Regelung. Dort
heißt es: „Darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer für jeden angefangenen
Monat des Rückstandes an Stelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag
von 1 vom Hundert des Beitragsrückstandes zu entrichten.“

Gleichzeitig muss für solche Fälle eine Möglichkeit geschaffen werden, aus der
Schuldenfalle herauszukommen, bei denen über eine längere Zeit entgegen der
gesetzlichen Verpflichtung keine Versicherung bestanden hat. Neben der Ab-

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schaffung der überhöhten Säumniszuschläge ist in solchen Fällen eine Begren-
zung der Rückwirkung sinnvoll. Auch hier soll die in der privaten Krankenver-
sicherung bisher schon geltende Regelung des § 193 Absatz 4 VVG auf die
gesetzliche Krankenversicherung übertragen werden. Danach muss für die ers-
ten sechs Monate, in denen keine Versicherung bestand, rückwirkend jeweils ein
Monatsbeitrag gezahlt werden. Ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung
muss für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechs-
tel eines Monatsbeitrags gezahlt werden. Für die gesetzlichen Krankenkassen ist
diese Begrenzung zumutbar, weil in der Regel bei den Fällen einer längeren
Nichtversicherung während der Säumnisdauer keine Leistungen in Anspruch
genommen worden sind.

Für die vorhandenen Altfälle mit hohen, auf Säumniszuschlägen beruhenden
Beitragsschulden müssen die gesetzlichen Krankenkassen für die Betroffenen
tragfähige Lösungen gemäß § 186 Absatz 11 Satz 4 SGB V finden. Für diese
Fälle soll es ermöglicht werden, dass die nachzuzahlenden Beiträge angemessen
ermäßigt oder gestundet werden bzw. dass gänzlich von der Erhebung abgese-
hen wird.

Um zu verhindern, dass in Einzelfällen neue Beitragsschulden entstehen, weil
jemand bei einer Änderung seiner persönlichen Verhältnisse aus der gesetz-
lichen Versicherungspflicht ausscheidet, ohne dass eine lückenlose Anschluss-
versicherung sichergestellt ist, müssen ggf. bestehende gesetzliche Lücken ge-
schlossen werden.

Es muss für alle der Grundsatz gelten, dass eine bestehende Krankenversiche-
rung nur dann wirksam gekündigt oder beendet werden kann, wenn der Ver-
sicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen Ver-
sicherer ohne Unterbrechung versichert ist. Wird dies nicht nachgewiesen, bleibt
die bisherige Versicherung bestehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf mit folgendem Inhalt vorzulegen:

1. § 24 Absatz 1a SGB IV wird gestrichen. Damit gilt für alle Beitragsschulden
ein einheitlicher Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent pro Monat.

2. Für entgegen der gesetzlichen Versicherungspflicht Nichtversicherte wird die
rückwirkende Beitragspflicht begrenzt. Für die gesetzliche und die private
Krankenversicherung gilt in Zukunft eine einheitliche Regelung, wonach ein
Monatsbeitrag für jeden angefangenen Monat der Nichtversicherung fällig
wird, ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren ange-
fangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags.
Für die Altfälle wird eine sozialpolitisch tragfähige Übergangslösung vorge-
sehen.

3. Bestehende Lücken in der gesetzlichen Versicherungspflicht werden ge-
schlossen, damit keine Bürgerinnen und Bürger aus der gesetzlichen Kran-
kenversicherungspflicht herausfallen können bzw. nicht erfasst werden. Hier
muss für alle der Grundsatz gelten, dass eine bestehende Krankenversiche-
rung nur dann wirksam gekündigt oder die Mitgliedschaft beendet werden
kann, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die versicherte Person
bei einem neuen Versicherer ohne Unterbrechung versichert ist.

Berlin, den 16. Januar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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