BT-Drucksache 17/12006

Qualifikation des Fahrpersonals nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz

Vom 3. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12006
17. Wahlperiode 03. 01. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms,
Harald Ebner, Bettina Herlitzius, Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Qualifikation des Fahrpersonals nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-
Gesetz

Das Gesetz über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer be-
stimmter Kraftfahrzeuge für den Güterkraft- oder Personenverkehr (Berufs-
kraftfahrer-Qualifikations-Gesetz – BKrFQG) hat zum Ziel, die Sicherheit im
Straßenverkehr zu erhöhen und den Umweltschutz durch zusätzliche Quali-
fizierungen zu verbessern. Das BKrFQG aus dem Jahr 2006 ist durch euro-
päische Vorgaben geprägt und dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/59/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003. Es wird durch
die Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung (BKrFQV) präzisiert, die ins-
besondere Einzelheiten in Bezug auf das Ausbildungsverfahren und deren In-
halte regelt.

Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer, die Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässigem
Gesamtgewicht im Güterverkehr oder Fahrerinnen und Fahrer, die mehr als
acht Fahrgastplätze im Personenverkehr gewerblich nutzen, müssen seit Ein-
führung des BKrFQG regelmäßige Weiterbildungen im Umfang von insgesamt
35 Stunden besuchen. Die Schulungen sind im 5-Jahres-Intervall nachzu-
weisen, die Inhalte gliedern sich gemäß Anlage 1 der BKrFQV in drei Kennt-
nisbereiche. Die Umsetzung des BKrFQG erfolgt durch die Bundesländer. Für
die Überwachung der Tätigkeit der Ausbildungsstätten, die die Grundqualifi-
kation und Weiterbildungen gemäß § 7 BKrFQG durchführen, sind je nach An-
erkennungsart die nach Landesrecht zuständigen Behörden oder die Industrie-
und Handelskammern verantwortlich.

Etwa eine Million Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer sind damit ver-
pflichtet, bis zum September 2013 (Fahrerlaubnis der D-Klassen für Bus) bzw.
September 2014 (Fahrerlaubnis der C-Klassen für Lkw) den Nachweis über die
Teilnahme an den entsprechenden Schulungsmaßnahmen vorzulegen, um den
Eintrag der Schlüsselzahl „95“ im Führerschein zu erhalten.

Bereits 2011 wurden im Rahmen des Bund-Länder-Arbeitskreises Berufskraft-
fahrerqualifikation sowie von Fachverbänden massive Probleme bei der Um-

setzung des BKrFQG thematisiert, die bis heute nicht ausgeräumt werden
konnten.

Nach wie vor ist die Ausbildungstätigkeit zum Erwerb der Grundqualifikatio-
nen relativ gering und werden die Weiterbildungsmaßnahmen vor allem von
Fahrerinnen und Fahrern großer und mittelständischer Unternehmen besucht,
die ihrem Fahrpersonal die Kurse meist finanzieren. Viele kleinere Verkehrsbe-
triebe, die rund 75 Prozent der deutschen Branche ausmachen, stehen den Aus-

Drucksache 17/12006 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bildungsmaßnahmen skeptisch gegenüber und sind in der Regel nicht bereit,
die Kosten für eine Obliegenheitspflicht der Fahrer zu übernehmen. In den
nächsten Monaten ist daher mit einem erheblichen Schulungsstau zu rechnen
und damit, dass sich der bereits heute schon existierende Fahrer- und Fahrerin-
nenmangel in Deutschland ab September 2013 wegen Überalterung und des
Fehlens des Eintrages „95“ dramatisch verschlechtern wird.

Ferner fehlen präzise Festlegungen darüber, was im Detail seitens der verant-
wortlichen Landesbehörden zu überwachen ist und über welche Qualifikation
das Überwachungspersonal verfügen muss. Auch eine turnusmäßige Regel-
überwachung gemäß BKrFQG ist nicht vorgeschrieben. Momentan können
daher nur anlassbezogene Kontrollen durchgeführt werden und es fehlt am
Einsatz ausgewählter Sachverständiger.

Im BKrFQG und der BKrFQV wird nicht verpflichtend vorgeschrieben, dass
im Rahmen der Weiterbildung alle drei Schulungsthemen besucht werden müs-
sen. Fahrlehrerverbände befürchten daher, dass insbesondere das kraftstoffspa-
rende Fahren zu kurz kommen könnte.

Besonders brisant ist aber, dass sowohl Vertreterinnen und Vertreter von Bun-
desländern und aus der Aus- und Weiterbildungsbranche seit Längerem den
missbräuchlichen Handel mit Teilnahmebescheinigungen beobachten, die an
Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer verkauft werden, ohne dass eine
Schulung stattgefunden hat. Dies war bereits im November 2011 Anlass dafür,
dass sich der Bund-Länder-Arbeitskreis „Berufskraftfahrerqualifikation“ auf
einer seiner Sitzungen in Erfurt damit beschäftigte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer haben bisher an
Pflichtweiterbildungen gemäß BKrFQG teilgenommen, und wie viele
Pflichtweiterbildungen sind bis September 2013 und September 2014 noch
erforderlich?

2. Geht die Bundesregierung davon aus, dass bis zum Ablauf der Fristen im
September 2013 bzw. im September 2014 alle Berufskraftfahrerinnen und
Berufskraftfahrer über den Eintrag mit der Schlüsselzahl „95“ in der Fahrer-
laubnis verfügen und damit in die Lage versetzt sein werden, ihrem Beruf
weiter nachzugehen, oder rechnet die Bundesregierung mit Engpässen bei
der Umsetzung der Pflichtweiterbildungen?

Falls mit Engpässen gerechnet wird, wie groß schätzt die Bundesregierung
deren Umfang ein?

3. Welche Vorsorgemaßnahmen werden seitens des Bundes und der Bundes-
länder für den möglichen Fall getroffen, dass im Restzeitraum bis zum Ab-
lauf der Fristen nicht mehr alle erforderlichen Weiterbildungen durchgeführt
werden können?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die potenzielle Gefahr eines sich verstär-
kenden Mangels an Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrern nach Ab-
lauf der Fristen (September 2013 bzw. 2014), und welche Auswirkungen auf
das Angebot im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) werden dies-
bezüglich erwartet?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Fälle von missbräuch-
lichem Handel mit Teilnahmebescheinigungen gemäß BKrFGQ und darüber,
welche Maßnahmen auf Länderebene dagegen ergriffen werden?

6. Sieht die Bundesregierung bei der Kontrolle der Weiterbildungen und Schu-

lungen Optimierungsbedarf?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12006

7. Wie bewertet die Bundesregierung Erfahrungen aus anderen EU-Staaten
(z. B. den Niederlanden, Spanien), wo das Absolvieren der Weiterbildung
zentral erfasst bzw. zusammengeführt wird und die Dokumentation dann an
die Behörden weitergeleitet wird?

8. Ist für Deutschland eine zentrale Erfassung beispielsweise durch die Indus-
trie- und Handelskammern bzw. dem Deutschen Industrie- und Handels-
kammertag e. V. analog zur Ausbildung bei der internationalen Beförderung
gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) geplant?

9. Plant die Bundesregierung eine Novelle des BKrFQG bzw. der BKrFQV, um
die Vorgaben für die Umsetzung der Weiterbildungsmaßnahmen zu präzisie-
ren und eine wirksamere Kontrolle zu gewährleisten?

a) Falls ja, welche konkreten Regelungen sind geplant, und in welchem zeit-
lichen Rahmen sollen diese umgesetzt werden?

b) Falls nein, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung stattdessen er-
greifen?

Berlin, den 3. Januar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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