BT-Drucksache 17/11960

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/11665 - Aktionsplan Soziale Sicherung - Ein Beitrag zur weltweiten sozialen Wende

Vom 20. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11960
17. Wahlperiode 20. 12. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/11665 –

Aktionsplan Soziale Sicherung – Ein Beitrag zur weltweiten sozialen Wende

A. Problem

Obwohl fast alle Entwicklungs- und Schwellenländer ein beachtliches Wirt-
schaftswachstum verzeichnen, profitiert der Großteil der Menschen davon
nicht. Immer noch haben etwa 80 Prozent der Weltbevölkerung keine angemes-
sene soziale Absicherung, mit der Folge, dass laut der Weltgesundheitsorgani-
sation (WHO) jährlich ca. 100 Millionen Menschen dauerhaft in Armut fallen.

Abhilfe könnte durch den weltweiten Aufbau von solidarisch finanzierten sozi-
alen Sicherungssystemen geschaffen werden. Damit wären auch die im Sozial-
pakt der Vereinten Nationen (VN) von 1966 völkerrechtlich festgeschriebenen
Grundsätze umgesetzt.

Die Absicherung gerade der durch Armut und Vulnerabilität gekennzeichneten
Gruppen sowie der nur informell Beschäftigten wäre über den sozialen Aspekt
hinaus ein essentieller Beitrag zur Konfliktprävention und damit zur gesell-
schaftlichen und politischen wie aber auch zur wirtschaftlichen Stabilität.

Der systemische Ansatz eines weltweit etablierten sozialen Basisschutzes
könnte ein wichtiger Baustein in der Diskussion um die Fortsetzung der Millen-
nium Development Goals (MDGs) durch ein noch zu entwickelndes neues
Konzept von Sustainable Development Goals (SDGs) sein.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

Drucksache 17/11960 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Erfüllungsaufwand

Der Antrag macht keine Angaben über entstehenden Erfüllungsaufwand.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11960

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/11665 abzulehnen.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

Über eine verbesserte Koordinierung der EZ-Maßnahmen
im Sinne einer stärkeren Arbeitsteilung hinaus (vgl. Fast-

im Einzelnen anschaue, müsse man feststellen, dass der
Antrag den Anschein erwecke, auf diesem Politikfeld sei
Track-Initiative (FTI) on Division of Labour (DoL) – FTI-
DoL) gelte es mit Blick auf mehr Kohärenz, eine abge-
stimmte eigene EU-Strategie beim Aufbau von sozialen
Sicherungssystemen zu entwickeln und auszugestalten.

bisher nichts unternommen worden. In Wahrheit seien die
meisten Forderungen der Antragsteller bereits reales Regie-
rungshandeln. Zu den Hauptzielgruppen deutscher Entwick-
lungspolitik zählten Kinder, Frauen, alte Menschen, Men-
Drucksache 17/11960 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Sabine Weiss (Wesel I), Karin Roth (Esslingen),
Helga Daub, Niema Movassat und Uwe Kekeritz

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/11665 in seiner 211. Sitzung am 29. November 2012 be-
raten und an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung zur federführenden Beratung und an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales und den Ausschuss
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert,
sich grundsätzlich für den weltweiten Aufbau menschen-
rechtsbasierter, solidarischer, universeller, öffentlich organi-
sierter sozialer Sicherungssysteme einzusetzen, mit denen
insbesondere vulnerable und außerhalb des formellen Sek-
tors beschäftigte Menschen erreicht werden.

Orientierungsmodell soll dabei das von der International
Labor Organization (ILO) vorgeschlagene Konzept des
„Social Protection Floor“ mit folgenden Standards sein:
Basisgesundheitsvorsorge, Mindesteinkommensgarantien
für Kinder, Unterstützung für Arme und Arbeitslose, Min-
desteinkommensgarantien im Alter und für Menschen mit
Behinderung.

Dabei sollen auch private Initiativen zum Zuge kommen,
sofern sie staatlich reguliert und gemeinnützig orientiert
sind und keine gegenüber den öffentlichen Systemen iso-
lierte Parallelsysteme etablieren. Darüber hinaus sollen Mo-
dellprojekte zu unkonditionierten Sozialtransfers erprobt
werden.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Thema Soziale
Sicherung mit jährlich mindestens 100 Mio. Euro Förder-
mitteln für bilaterale und multilaterale Entwicklungszusam-
menarbeit (EZ) zu einem Schwerpunkt zu machen. Ferner
soll die Zahl der im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Fragen der
Sozialen Sicherung befassten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter durch stellenneutrale Umsetzungen erhöht werden.
Mit der Einführung von einheitlichen Standards für die Ab-
sicherung von lokalen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
der EZ könnte sie weltweit ein nachahmenswertes Beispiel
geben.

Auf europäischer Ebene habe sich die Bundesregierung
schließlich dafür stark zu machen, dass das Thema Soziale
Sicherung sowohl als eigenständiger Sektoransatz als auch
als Querschnittsthema etabliert wird (twin track approach).

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales und der Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe haben
den Antrag auf Drucksache 17/11665 in ihrer Sitzung am
12. Dezember 2012 beraten.

Die Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache 17/11665 in
seiner 70. Sitzung am 12. Dezember 2012 beraten und emp-
fiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, dass
die geforderte deutsche Hilfestellung bei der weltweiten
Einführung von sozialen Sicherungssystemen letztlich auf
die in der Erklärung der Menschenrechte von 1948 ver-
briefte sozialen Sicherheit und die sozialen Grundrechte im
Sozialpakt der Vereinten Nationen von 1966 zurückgingen.
Das sei aber offensichtlich über klassische Entwicklungs-
hilfe bzw. Entwicklungszusammenarbeit nicht zu leisten.
Heute würden immer noch 80 Prozent der Menschen keinen
Zugang zur sozialen Sicherheit haben; 100 Millionen Men-
schen würden jährlich durch Krankheit in absolute Armut
fallen. Aus diesen und weiteren guten Gründen müsse man
sich vom Projektansatz verabschieden und einen anderen,
strukturorientierten Ansatz verfolgen. Umgekehrt wären
Menschen, die sozial abgesichert seien, eher bereit, das
Risiko eines wirtschaftlichen Engagements einzugehen. Da-
mit komme der sozialen Absicherung auch eine volkswirt-
schaftliche Bedeutung zu. Darüber hinaus leiste sie einen
Beitrag zur Stabilisierung von Staaten. Im vorliegenden
Antrag würden 100 Mio. Euro jährlich (nicht verteilt über
mehrere Jahre) gefordert. Bereits vor der Übernahme der
Verantwortung im BMZ durch Bundesminister Dirk Niebel
habe die Zielgröße bei 80 Mio. Euro jährlich gelegen. Inso-
fern bleibe der Antrag in seinen Forderungen in einem maß-
vollen wie realistischen Rahmen.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstreicht, dass Soziale
Sicherheit eines der zentralen Themen der Entwicklungs-
politik sei. Von daher könne man das Grundanliegen des
Antrages unterstützen. Wenn man sich aber die Forderungen
Langfristig solle eine Vergemeinschaftung der EZ aller EU-
Mitglieder angestrebt werden.

schen mit Behinderungen und Kranke. Soziale Sicherheit
werde im BMZ als Querschnittsthema bearbeitet und sei

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11960

wesentlicher Bestandteil der Armutsbekämpfung. Hierfür
würden insgesamt 150 Mio. Euro aufgewendet. Man unter-
stütze auch die Arbeit der Social-Protection-Floor-Initiative
und die Arbeit der ILO bei der Förderung des sozialen
Basisschutzes. Wenn von den Antragstellern aber ganz all-
gemein Budgethilfe gefordert werde, dann halte man das für
ein falsches Instrument und müsse den Antrag darum ab-
lehnen.

Die Fraktion der SPD verweist darauf, dass sie selbst be-
reits 2011 einen eigenen Antrag eingebracht habe. Sie warne
davor, dass man sich bei den Forderungen unnötig verzet-
tele. So habe man sich bei der Frage, wie Soziale Sicherung
organisiert werden solle, international bereits darauf ver-
ständigt, dies auf ILO-Ebene und gemeinsam mit der WHO
zu tun. Handlungsbedarf sehe man freilich bei der finanziel-
len Unterstützung. Was die von den Regierungsfraktionen
kritisierte Forderung nach Budgethilfe angehe, verweise
man nur auf die Entschließung des Europäischen Parla-
ments, der auch die Europaabgeordneten der CDU/CSU und
der FDP zugestimmt hätten. Man selbst teile die Auffas-
sung, Budgethilfe differenziert zu bewerten. Im vorliegen-
den Fall sei sie durchaus eine richtige Maßnahme, da sie
eine strukturelle Wirkung entfalte. Da der Antrag im Grund-
ansatz richtig sei und die meisten Forderungen der Antrag-
steller mit den eigenen kompatibel seien, werde man dem
Antrag zustimmen.

Die Fraktion der FDP räumt ein, es gebe viele Forderun-

einer Querschnittsaufgabe, die als solche im BMZ professi-
onell wahrgenommen werde, keinen Sinn, zusätzliche Stel-
len mit zusätzlichem Personal zu fordern. Mit der geforder-
ten Plattform für globale Partnerschaften auf EU-Ebene
schaffe man nur Doppelstrukturen und nicht mehr Effizienz.
Ziel müsse es sein, die bereits bestehenden Plattformen bes-
ser zu integrieren. Im Kontext der Forderung, in der multila-
teralen Zusammenarbeit die Ergebnisse des Social Protec-
tion Floor in der internationalen Debatte stärker zu platzie-
ren, werde verstärkt Budgethilfe gefordert. Gerade weil man
Budgethilfe differenziert bewerten müsse, müsse man an
dieser Stelle Budgethilfe als ein ungeeignetes Mittel ableh-
nen. Die langfristige Finanzierung von Transferzahlungen
müsse nicht zuletzt auch aus Gründen der Nachhaltigkeit
originäre Aufgabe der Nationalstaaten bleiben. Insofern
müssten die Nationalstaaten mit eingebunden werden. Da
die Bedenken insgesamt überwiegen würden, werde man
den Antrag ablehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, sie unterstütze den vor-
liegenden Antrag, weil mit ihm ein systemischer Ansatz
verfolgt werde. Was die Antragsteller allerdings unterschla-
gen hätten, das sei der Aspekt, dass soziale Sicherungs-
systeme nicht als Ersatz für eine notwendige Umverteilung
gesehen werden könnten. 90 Prozent des Reichtums seien
auf wenige Länder verteilt und die Schere zwischen Arm
und Reich öffne sich immer mehr. Verschwiegen werde
auch, dass soziale Sicherungssysteme oft auch das Ergebnis
gen im vorliegenden Antrag, denen man durchaus zustim-
men könnte, es gebe aber auch Forderungen, die man auf
keinen Fall unterstützen werde. Zum einen mache es bei

von sozialen Kämpfen und Auseinandersetzungen gewesen
seien. Darum sei eine gesellschaftliche Debatte über das
Thema Reichtum angesagt.

Berlin, den 12. Dezember 2012

Sabine Weiss (Wesel I)
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Uwe Kekeritz
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.