BT-Drucksache 17/11830

Revision der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien: Vertrauen wieder herstellen - Patientensicherheit bei Medizinprodukten muss erste Priorität sein

Vom 11. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11830
17. Wahlperiode 11. 12. 2012

Antrag
der Abgeordneten Jens Spahn, Dietrich Monstadt, Michael Grosse-Brömer, Stefan
Müller (Erlangen), Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Heinz Lanfermann, Jens Ackermann, Rainer Brüderle
und der Fraktion der FDP

Revision der europäischen Medizinprodukte-Richtlinien: Vertrauen wieder
herstellen – Patientensicherheit bei Medizinprodukten muss erste Priorität sein

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Medi-
zinproduktegesetzes die Überwachung im Medizinproduktebereich durch die
zuständigen Behörden ab dem 1. Januar 2013 spürbar optimiert wird. Außerdem
befürwortet der Deutsche Bundestag es ausdrücklich, dass die Bundesregierung
den Probebetrieb eines deutschen Endoprothesenregisters finanziell unterstützt.

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Dezember 2011 (Bekanntwerden des PIP-Brustimplantateskandals) (PIP =
Poly Implant Prothèse) wird die Sicherheit von Medizinprodukten verstärkt dis-
kutiert. Obwohl pauschale Verdächtigungen, insbesondere gegen deutsche Me-
dizinproduktehersteller, nicht gerechtfertigt sind, werden generelle Zweifel an
der Sicherheit und an dem Nachweis des medizinischen Nutzens von Medizin-
produkten geäußert. In diesem Zusammenhang werden auch Vorschläge für Än-
derungen der rechtlichen Rahmenbedingungen gemacht. Im Mittelpunkt steht
dabei häufig die Forderung, den Marktzugang, mindestens von Hochrisiko-
medizinprodukten (insbesondere Implantate), genauso wie bei Arzneimitteln zu
regulieren, das heißt eine staatliche Zulassung vorzusehen. Dabei ist aber bisher
noch unzureichend dargelegt worden, welche konkreten Verbesserungen sich
dadurch für die Patientinnen und Patienten ergeben sollen.

Nachhaltige und realistische Lösungsansätze sind erforderlich, um möglichst
kurzfristig eine spürbare Verbesserung der Sicherheit und des Nachweises des
medizinischen Patientennutzens von Medizinprodukten zu erreichen und gleich-
zeitig weiterhin zugunsten der Patientinnen und Patienten einen schnellen
Zugang zu innovativen Medizinprodukten zu ermöglichen.
Diese Lösungsansätze sollten primär innerhalb des derzeitigen Marktzugangs-
und Überwachungssystems gesucht werden; es hat sich in Deutschland – bei in
aller Regel hoher Qualität und Sicherheit deutscher Produkte – grundsätzlich be-
währt. Jeder Systemwechsel wäre hingegen mit jahrelangen Übergangsfristen
verbunden. Ein Systemwechsel, auch z. B. nur für Implantate, kommt daher erst
dann ernsthaft in Betracht, wenn alle Korrekturmöglichkeiten im bestehenden
System geprüft wurden.

Drucksache 17/11830 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Europäische Kommission hat Ende September 2012 Vorschläge für eine

• Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinpro-
dukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG)
Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 sowie eine

• Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diag-
nostika

vorgelegt, mit denen die bisherigen drei Medizinprodukte-Richtlinien (90/385/
EWG, 93/42/EWG und 98/79/EG) abgelöst werden sollen. Der Deutsche Bun-
destag unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, bei den Verhandlun-
gen über die Rechtstexte die Verbesserung der Patientensicherheit in den Vor-
dergrund zu stellen; bei der Ausgestaltung der vorgeschlagenen Maßnahmen
sollen die berechtigten Interessen der Medizinprodukteunternehmen berück-
sichtigt werden. Aus Sicht des Deutschen Bundestages ergeben sich diesbezüg-
lich klare Schwerpunkte, die nachfolgend im Einzelnen dargelegt werden.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

im Rahmen der anstehenden Verhandlungen über die beiden o. g. EU-Verord-
nungen darauf hinzuwirken,

a) dass die Anforderungen an Benannte Stellen deutlich erhöht bzw. spezifiziert
und eine Verbesserung der Überwachung der Benannten Stellen durch staat-
liche Behörden vorgeschrieben werden. Bestehende Sanktionsmöglichkeiten
bis hin zur Einschränkung oder zum Widerruf der Benennung auf Anordnung
der Kommission sind auf ihre Praktikabilität zu überprüfen. Die Benannten
Stellen müssen zudem verpflichtet werden, neben den jährlichen Audits in
angemessenem Umfang auch unangemeldete Produktprüfungen beim Her-
steller durchzuführen, um festzustellen, dass die aktuell hergestellten Pro-
dukte mit den von der Benannten Stelle „zugelassenen“ Produkten (bzw. de-
ren technischer Dokumentation) übereinstimmen;

b) dass Verfahren für die Erreichung einer EU-weit verbesserten und einheit-
lichen Marktüberwachung durch die zuständigen nationalen Behörden vor-
gesehen werden. Außerdem müssen die europäischen Marktüberwachungs-
programme künftig mindestens für Implantate und Medizinprodukte der
Klassen IIb und III obligatorische unangemeldete stichprobenartige Kontrol-
len im Handel und in Gesundheitseinrichtungen durch die zuständigen Be-
hörden vorsehen;

c) dass die vorgesehene Verbesserung der Rückverfolgbarkeit und eindeutigen
Identifizierung von Medizinprodukten durch ein weltweit einheitliches
System zur eindeutigen Identifizierung von Medizinprodukten (UDI) für Im-
plantate möglichst umgehend eingeführt wird; ein solches System sollte
transparent und praxisgerecht ausgestaltet sein;

d) dass Patientinnen und Patienten durch die jeweilige Gesundheitseinrichtung
verpflichtend eine Patienteninformation mit allen relevanten Daten ihres Im-
plantates wie Haltbarkeit oder Intervalle der Kontrolluntersuchungen sowie
ein Implantatepass auszuhändigen sind;

e) dass alle Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Implantatregister mit einem
einheitlichen Mindestdatensatz zu etablieren, in dem Kliniken oder Ärzte alle
für eine Registererfassung geeigneten Implantate mit Typ, Seriennummer,
Ort und Datum der Implantation sowie pseudonymisierten Patientendaten
melden, so dass neben der Langzeitüberwachung von implantierten Produk-
ten eine Rückverfolgbarkeit bis zu der Klinik oder dem Arzt sowie im Notfall
über diese eine Möglichkeit zur Information der Patientinnen und Patienten

gewährleistet ist;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11830

f) dass bei Regelungen über die Aufbereitung von Medizinprodukten aus Grün-
den des Patientenschutzes kein Unterschied zwischen sogenannten Einmal-
und Mehrfachprodukten vorgenommen wird, eine Konkretisierung der
grundlegenden Anforderungen zu den vom Hersteller bereitzustellenden
Informationen bezüglich der Aufbereitung erfolgt sowie die Mitgliedstaaten
verpflichtet werden, nationale Regelungen für eine ordnungsgemäße Aufbe-
reitung aller Medizinprodukte zu beschließen;

g) dass in Weiterentwicklung für die bisherige CE-Kennzeichnung ein EU-wei-
tes Prüf- und Qualitätssiegel „CEMed“ eingeführt wird. Dieses Prüf- und Qua-
litätssiegel soll bestätigen, dass die Medizinprodukte höchste Sicherheits-
anforderungen erfüllen und deren Leistungsfähigkeit nachgewiesen wurde.

IV. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

auf nationaler Ebene zur Verringerung des vom Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte berichteten hohen Meldedefizites die Aufzeichnungs- und
Meldepflichten gemäß Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung durch eine
Sanktion zu bewehren; wobei parallel darauf hinzuwirken ist, dass unter Einbin-
dung der ärztlichen Selbstverwaltung und der medizinischen Fachgesellschaften
die Aufklärung über die Melde- und Informationspflichten optimiert wird.

Berlin, den 11. Dezember 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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