BT-Drucksache 17/1177

Konflikt zwischen Radaranlagen der Bundeswehr und Windenergieanlagen

Vom 23. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1177
17. Wahlperiode 23. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia
Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Omid Nouripour
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konflikt zwischen Radaranlagen der Bundeswehr und Windenergieanlagen

Es häufen sich die Meldungen darüber, dass die Neuerrichtung oder das Repo-
wering von Windenergieanlagen durch Einwendungen und sogar Rechtsbehelfe
der jeweiligen Wehrbereichsverwaltungen der Bundeswehr verhindert werden.
Die Windenergieanlagen würden – so die Wehrbereichsverwaltungen – die
Funktionstüchtigkeit von Radaranlagen stören. Betroffen seien sowohl Radaran-
lagen der militärischen Flugsicherung als auch solche der Landesverteidigung.

Erhebungen der Windbranche gehen inzwischen davon aus, dass infolge der Ein-
sprüche der Wehrbereichsverwaltungen auf Grund von Radar mehr als 1 200 MW
Windenergieleistung nicht errichtet werden können. Dies entspräche Investitio-
nen in Höhe von ca. 1,5 Mrd. Euro. Diese Zahl beinhaltet noch keine Repowe-
ringprojekte und Absichten von Betreibern, die aufgrund von befürchteten Ein-
sprüchen der Bundeswehrverwaltung erst gar keinen Bauantrag gestellt haben.
Dieser Umstand ist umso problematischer vor dem Hintergrund, dass sich die
betroffenen Kommunen häufig in strukturschwachen Regionen befinden. Ihnen
gehen durch verhinderte Windenergieanlagen Einnahmen in Form von Gewerbe-
steuern und auch zukunftsfähige Arbeitsplätze verloren.

Konflikte zwischen militärischem Radar und der Windenergienutzung sind in
den vergangenen Jahren bereits in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf-
getreten. In jüngster Zeit häufen sich diese Fälle jedoch auch in anderen Bundes-
ländern wie Nordrhein-Westfalen, so zum Beispiel im Kreis Düren. Dort drohen
Einsprüche der Wehrbereichsverwaltung zum Beispiel Repowering-Projekte in
der Windnutzungsfläche von Nideggen-Schmidt zu verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umkreis von Radaranlagen zur Flugsicherung und/oder zur Luft-
abwehr stellen Windenergieanlagen ein Störpotential dar, und aus welchen
Gründen?

2. Wie bewertet die Bundesregierung das Gefährdungspotential und die Aus-
wirkungen von Windenergieanlagen auf die Aufgaben von Flugsicherung
und Landesverteidigung?

3. Welche konkreten Sicherheitsrisiken gehen nach Einschätzung der Bundes-
regierung für die Luftfahrt und Luftraumüberwachung von diesen Störungen
differenziert nach Sicht- und Instrumentenflugregeln aus?

Drucksache 17/1177 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Inwiefern existieren einheitliche Bewertungs-/Handlungsempfehlungen für
den Umgang mit Windenergieanlagen in der Nähe von Radaranlagen für
die Bundeswehr?

Wenn diese existieren, mit welchem konkreten Inhalt?

5. Bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung Differenzierungen zwischen
der Beeinträchtigung von Flugsicherungs- und Landesverteidigungsradar
durch Windenergieanlagen, und wenn ja, wie sehen diese aus?

6. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung die veröffentlichten An- und
Abflugverfahren (AIP Mil und _AIP Ziv) bei der Störungs- bzw. Gefähr-
dungsprognose durch die Bundeswehr berücksichtigt?

7. Ab welcher Höhe der Windenergieanlagen, ggf. in Abhängigkeit zur Ent-
fernung der Radaranlage, treten nach Kenntnis der Bundesregierung die
Störungen auf?

8. Kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung auch zu Störungen von
Radaranlagen zur Überwachung des zivilen Luftverkehrs?

Wenn ja, in welchem Umkreis der Anlagen?

9. Liegen der Bundesregierung wissenschaftliche Untersuchungen zu den
Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Radarsysteme der Bundes-
wehr vor, und wenn ja, zu welchen Ergebnissen sind diese gekommen?

10. Bei welchen Windenergieprojekten hat die Bundeswehrverwaltung seit
dem Jahr 2005 in Genehmigungsverfahren Bedenken wegen der Störung
von Radaranlagen geäußert bzw. ihre Zustimmung zu dem Antrag verwei-
gert (bitte aufschlüsseln nach Anzahl der Anlagen und installierter Leistung
in Megawatt)?

11. Welche dieser Projekte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nicht
realisiert?

12. Bei welchen Projekten wurden Modifikationen bei den Windenergieanla-
gen (z. B. geringere Höhen, Verschiebung der Anlagenstandorte) vorge-
nommen?

13. Welche Projekte wurden zunächst abgelehnt und dann doch realisiert?

14. Mit welcher Begründung wurden die Ablehnungen aufgehoben?

15. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung, bei welchen Wind-
energieprojekten zivile Luftverkehrseinrichtungen (einschließlich der DFS
Deutsche Flugsicherung GmbH) ablehnende Stellungnahmen mit der Be-
gründung der Störung von Radaranlagen abgegeben haben (bitte um Nen-
nung der einzelnen Projekte, der Anzahl der Anlagen und installierter Leis-
tung in Megawatt)?

16. Ist es zutreffend, dass die Bundeswehr bei der Flugsicherung vorwiegend
das sogenannte Primärradar verwendet, und nicht, wie in nahezu allen
anderen NATO-Staaten üblich, das sogenannte Sekundärradar auf Trans-
ponderbasis, welches in diesen Ländern nur in seltenen Fällen von dem
zweidimensionalen Primärradar unterstützt wird?

Wenn ja, warum?

17. Ist es zutreffend, dass die Bundeswehrverwaltung bei der Stellungnahme zu
Windparkprojekten, die sich im Einflussbereich des Flugsicherungsradars
befinden, die Beurteilung überwiegend auf das sogenannte Primärradar ab-
stützt, und nicht wie in der praktischen Arbeit auf Primär- und Sekundär-
radar?

Wenn ja, warum?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1177

18. Ist es zutreffend, dass Windenergieanlagen keinen störenden Einfluss auf
das sogenannte Sekundärradar auf Transponderbasis ausüben?

Wenn ja, warum verwendet die Bundeswehr nicht ebenfalls das Sekundär-
radar auf Transponderbasis?

19. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Anzahl der im Luftraum
der Bundesrepublik Deutschland verkehrenden Luftfahrzeuge ohne Trans-
pondertechnik vor?

Falls ja, bitte eine Differenzierung nach militärischen, zivilen Verkehrs-
und sonstigen (insbesondere Sport-)Flugzeugen vornehmen.

20. Ist es zutreffend, dass Windenergieanlagen über ein wesentlich geringeres
Störpotential für die Radarsysteme der US-Airforce (z. B. an dem Flug-
hafen Rammstein) verfügen und die US-Airforce aus diesem Grund keine
Einwände gegenüber dem Aufbau von Windenergieanlagen in der Umge-
bung ihrer Flughäfen in Deutschland erhebt?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, worin unterscheiden sich die Einwände der US-Airforce von
denen der Bundeswehr?

21. Welche Radarsysteme verwenden die anderen in der Bundesrepublik
Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte?

22. Bei welchen dieser Systeme führen Windenergieanlagen zu Störungen beim
Radar?

23. In welchen Fällen ist es nach Kenntnis der Bundesregierung von ausländi-
schen Streitkräften zu Einsprüchen gegen die Errichtung von Windenergie-
anlagen gekommen, die mit der Störung von Radaranlagen begründet wur-
den?

24. Ist es zutreffend, dass ab dem Jahr 2010 die Radargeräte vom Typ ASR 910
durch neue digitale Radartechnik vom Typ ASR-S ersetzt werden sollen,
und falls ja, wann wird dieser Austauschprozess nach Erkenntnissen der
Bundesregierung flächendeckend abgeschlossen sein?

25. Über welche Kenntnisse verfügt die Bundesregierung, ob Windenergiean-
lagen einen störenden Einfluss auf Radaranlagen vom neuen Typ ASR-S
ausüben können?

26. Trifft es zu, dass diese oder andere moderne Radaranlagen unter anderem
durch Computermodellierung Hindernisse bzw. Störungen „wegmodellie-
ren“ können?

Ist dies auch bei der Radartechnik vom Typ ASR 910 möglich?

27. Wenn von Windenergieanlagen kein störender Einfluss auf dieses Radar-
system zu erwarten ist, wird die Bundeswehrverwaltung ihre bisherigen
Einsprüche gegen die Errichtung von Windenergieanlagen aufrechterhal-
ten?

Wenn ja, warum?

28. Ist es zutreffend, dass die Bundeswehrverwaltung bei verschiedenen Wind-
energieprojekten einen entgegenstehenden öffentlichen Belang geltend ge-
macht hat, obwohl sich die geplante Windenergieanlage außerhalb des im
Allgemeinen Umdruck Nr. 51 für den Anlagentyp ASR 910 „Siemens
1990“ vorgesehenen Interessenbereichs von 18 Kilometern (Flugsiche-
rungsradar) bzw. 35 Kilometern (Landesverteidigungsradar) befand?

Wenn ja, warum und bei welchen Anlagen?

Drucksache 17/1177 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
29. Hat sich dieser Umdruck geändert?

Wenn ja, inwieweit haben sich die physikalischen Erkenntnisse geändert?

30. Ist es zutreffend, dass in anderen NATO-Staaten (z. B. Belgien) trotz Ver-
wendung gleichartiger Luftverteidigungsradaranlagen der Interessenbereich
der dortigen Militärverwaltung statt auf 35 km nur auf einen Radius von
20 km festgelegt ist?

Wenn ja, wie lässt sich das erklären?

31. Welche Rechtsprechung ist bisher zu dem Thema Windenergieanlagen und
Radar ergangen?

32. Ist es möglich, dass durch Repoweringmaßnahmen (Ersatz kleiner schnell
drehender durch große langsam drehende WEA) die Störeinflüsse verrin-
gert werden?

33. Ist es zutreffend, dass die Bundeswehrverwaltung Rechtsbehelfe (Wider-
sprüche, Anfechtungsklagen) gegen Genehmigungen für Windenergieanla-
gen und Normenkontrollklagen gegen Bebauungspläne für Windenergiean-
lagen bei Gericht eingereicht hat (bitte um Nennung der einzelnen Projekte
und Anzahl der Anlagen)?

34. Ist es zutreffend, dass sich die Bundeswehrverwaltung durch externe An-
waltskanzleien vertreten lässt?

Sind die Wehrbereichsverwaltungen durch das Bundesministerium der
Verteidigung zur Einlegung von Rechtsbehelfen und Beauftragung von
Anwaltskanzleien im eigenen Namen hierzu bevollmächtigt?

Berlin, den 22. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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