BT-Drucksache 17/11608

Sicherung einer gebührenfreien und zukunftsorientierten Pflegeausbildung

Vom 20. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11608
17. Wahlperiode 20. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Rawert, Petra Crone, Bärbel Bas, Petra Ernstberger,
Dr. Edgar Franke, Elke Ferner, Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Petra Hinz
(Essen), Christel Humme, Ute Kumpf, Dr. Karl Lauterbach, Steffen-Claudio
Lemme, Caren Marks, Hilde Mattheis, Franz Müntefering, Thomas Oppermann,
Aydan Özog˘uz, Dr. Carola Reimann, Sönke Rix, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),
Stefan Schwartze, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Sicherung einer gebührenfreien und zukunftsorientierten Pflegeausbildung

Zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen in der Pflege bedarf
es der Steigerung der Attraktivität des Berufsfelds, einer höheren gesellschaft-
lichen Wertschätzung, einer besseren und gerechteren Entlohnung, der Gewähr-
leistung einer durchlässigen und anschlussorientierten Aus-, Fort- und Weiter-
bildung gemäß der Devise „kein Abschluss ohne Anschluss“, der Vereinbarkeit
von Beruf und Familie und einer alters- und alternsadäquaten Arbeitsplatz-
gestaltung. Eine wichtige Rolle nimmt außerdem die Neuausrichtung der Aus-
bildungen in den Pflegeberufen ein. Eine zukünftig generalistisch strukturierte
Ausbildung muss attraktiv für junge Menschen sein und für einen langen Ver-
bleib im Berufsfeld Pflege qualifizieren.

Mit der strukturellen und inhaltlichen Neuausrichtung einer generalistischen
Pflegeausbildung sind große Erwartungen verbunden. Dazu gehören das sektor-
übergreifende Erlernen und Anwenden von Wissen und damit Qualitäts-
steigerungen, das Zusammenwachsen der unterschiedlichen Pflegeprofessio-
nen, höhere Berufschancen von Pflegerinnen bzw. Pflegern und letztlich auch
eine längere Verweildauer der Fachkräfte im breiten Feld der Pflege.

Die Ausbildungen in der Gesundheits-, Kinderkranken- und Altenpflege wur-
den 2003 mit dem „Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege“ (Kranken-
pflegegesetz – KrPflG) bzw. 2004 mit dem „Gesetz über die Berufe in der
Altenpflege“ (Altenpflegegesetz – AltPflG) neu geordnet und jeweils in einem
eigenen Berufsgesetz verankert. In beiden Gesetzen wurden auch Modell-
klauseln normiert, durch die die Erprobung gemeinsamer Pflegeausbildungen
ermöglicht wurde.

Die Bundesregierung und die Bundesländer haben seit März 2010 in der Bund-
Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Pflegeberufe“ an Eckpunkten

zur Neuordnung der Pflegeausbildung gearbeitet und diese im März 2012 vor-
gelegt. Darin wurden zwar vier mögliche Finanzierungsvarianten genannt, aber
es wurde keine politische Festlegung getroffen. Zudem soll im Rahmen der
„Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ der Bundesregierung
noch im Jahr 2012 eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Verbänden
vorgelegt werden.

Drucksache 17/11608 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die nationale Debatte um eine Neujustierung der Pflegeausbildungen kann
nicht losgelöst von den Entwicklungen auf der europäischen Ebene betrachtet
werden. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Richtlinie 2005/36/EG über die
Anerkennung von Berufsqualifikationen und die Verordnung über die Ver-
waltungszusammenarbeit mithilfe des Binnenmarkt-Informationssystems (IMI-
Verordnung) in der Neufassung der europäischen Berufsanerkennungsrichtline
ein. Diese sieht eine automatische Anerkennung des Berufsabschlusses in der
Gesundheits- und Krankenpflege und der Hebammen bzw. Geburtshelfer vor,
außerdem die Anhebung der schulischen Anforderungen als Zugangsvorausset-
zung von 10 auf 12 Schuljahre bzw. 10 Jahre plus Äquivalent.

Eine 12-jährige Schulausbildung oder ein Äquivalent als Zugangsvoraussetzung
für die Ausbildung in der Pflege würde zwar der von Berufsfachverbänden ge-
forderten Aufwertung des Berufsfeldes Rechnung tragen. Auf der anderen Seite
stößt diese Empfehlung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik
Deutschland auf bildungspolitische Rahmenbedingungen, die diesen neu gefor-
derten Aus- und Weiterbildungsstrukturen aktuell nicht entsprechen. Im Aus-
schuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages haben sich die Bundestags-
fraktionen (bei Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in einem
gemeinsamen Entschließungsantrag für den Erhalt der 10-jährigen Schulbildung
als Zugangvoraussetzung ausgesprochen.

Die Bundesregierung bleibt bislang Antworten schuldig, wie sie auf die ge-
nannten, ganz unterschiedlichen Herausforderungen reagieren will.

Wir fragen die Bundesregierung:

Weiterentwicklung der Pflegeberufe – Umsetzung der Ergebnisse der Bund-
Länder-Arbeitsgruppe

1. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Bundesregierung aus den Ergeb-
nissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Pflege-
berufe“ und dem daraus entwickelten Eckpunktepapier zur Vorbereitung
eines neuen Pflegeberufegesetzes?

2. Welche Form der Finanzierung einer zusammengelegten reformierten Pflege-
ausbildung favorisiert die Bundesregierung?

3. Wird es in der 17. Legislaturperiode noch einen Gesetzentwurf für ein
Berufsgesetz Pflege durch die Bundesregierung geben?

4. Welche Umsetzungsschritte zu dem von ihr angekündigten Gesetzentwurf
plant die Bundesregierung dazu aktuell?

5. Welche Punkte verhindern die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und
FDP angekündigte „Modernisierung und Zusammenführung“ der Pflege-
berufe durch ein neues Berufsgesetz?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Zweistufigkeit in der Pflege, wie sie
in den Eckpunkten zur Vorbereitung eines Entwurfs für ein neues Pflege-
berufegesetz der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Weiterentwicklung der Pflege-
berufe dargelegt ist?

Welche Vor- bzw. Nachteile haben diese unterschiedlichen Ausbildungs-
abschlüsse für die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt in der stationären und
ambulanten Pflege?

7. Inwiefern problematisiert die Bundesregierung die unterschiedlich anvisier-
ten Zugangsregelungen für die Kranken- sowie Altenpflege vor dem Hinter-
grund der Zusammenführung der Ausbildungen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11608

8. Ist der Bundesregierung ein Heilberuf bekannt, der über unterschiedliche
Ausbildungsberufe und Ausbildungsabschlüsse verfügt?

Wie schätzt die Bundesregierung es ein, dass derzeit für die Pflege sowohl
eine berufliche als auch eine akademische Ausbildung parallel zueinander
existieren?

9. Wäre es sinnvoll, die Pflegeberufe einem dualen Ausbildungssystem zu-
zuordnen?

10. Welche staatlichen Ausbildungsprogramme zur beruflichen Orientierung,
insbesondere für Migrantinnen und Migranten, existieren im Berufsfeld
Gesundheit/Pflege und Altenhilfe?

Sicherung horizontaler und vertikaler Durchlässigkeit

11. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass eine bessere horizontale
und vertikale Durchlässigkeit zwischen den unterschiedlichen und hetero-
genen Ausbildungsstufen im Berufsfeld Pflege gesichert wird?

12. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das bundesweit sehr unterschied-
liche Angebot an Basisqualifikationen in der Pflege vereinheitlicht werden
sollte?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie kann dies nach Meinung der Bundesregierung sichergestellt
werden?

13. Was unternimmt die Bundesregierung für Quereinsteigerinnen und Quer-
einsteiger – häufig Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer, Arbeits-
suchende bzw. erwerbslose Frauen und Männer – in der Pflege?

Qualitätssicherung

14. Woran misst die Bundesregierung ihre Qualitätsaussagen zur in Deutsch-
land stattfindenden Ausbildung für die Gesundheits- und Krankenpflege
bzw. der Altenpflege?

15. Gibt es bundesweit einheitliche qualitätsgestützte Verfahren?

Sind in diese Verfahren sowohl die schulische als auch die praktische Aus-
bildung eingebunden?

16. Wie wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass in einer neujustier-
ten Pflegeausbildung der Erwerb interkultureller Kompetenz gestärkt wird,
damit unsere gesellschaftliche Vielfalt auch in der Pflege qualitätsorientiert
umgesetzt wird?

Zukunft der Pflegeassistenzausbildungen

17. Wann wird die Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Ländern,
Regelungen zur Aufwertung von Pflegeassistenzausbildungen präsentie-
ren?

Werden diese sich im Sinne einer vertikalen und horizontalen Durchlässig-
keit am Prinzip „kein Abschluss ohne Abschluss“ orientieren und dieses
gewährleisten?

18. Wie schätzt die Bundesregierung die vielen Kurzzeitausbildungen ohne
staatlichen Abschluss ein?

Wie bewertet die Bundesregierung Kurzzeitausbildungen in der Pflege
generell?
Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe für die häufig
bundesweit nicht anerkannten vielen Kurzzeitausbildungen?

Drucksache 17/11608 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. Wie viele Ausbildungsstätten im Bereich Gesundheit und Pflege bzw.
Altenpflege sind der Bundesregierung nach Rücksprache mit den Bundes-
ländern (bitte pro Bundesland auflisten) bekannt?

Wie viele Absolventinnen bzw. Absolventen haben diese in den Jahren
2010, 2011 bzw. 2012 verlassen?

20. Wie viele Studiengänge im Bereich Gesundheit und Pflege bzw. Alten-
pflege sind der Bundesregierung nach Rücksprache mit den Bundesländern
(bitte pro Bundesland auflisten) bekannt?

Wie viele Absolventinnen bzw. Absolventen haben diese in den Jahren
2010, 2011 bzw. 2012 verlassen?

Zugangsvoraussetzungen im europäischen Wandel

21. Hat die Bundesregierung für den Fall, dass mit der Richtlinie 2005/36/EG
über die Anerkennung von Berufsqualifikationen die Anhebung der Zu-
gangsvoraussetzung auf 12 Jahre allgemeinbildende Schulbildung in der
Pflege beschlossen wird, Äquivalenzen zu einer 12-jährigen Schulbildung
als Zugangsvoraussetzungen erarbeitet?

22. Welche qualitativen und quantitativen Auswirkungen auf die Pflege hätte
die Anhebung der Zugangsvoraussetzung auf eine 10 Jahre dauernde
allgemeinbildende Schulausbildung und entsprechende Äquivalenzen bzw.
auf 12 Jahre in Deutschland?

23. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung für den Fall, dass es zu
Veränderungen in den Zulassungsvoraussetzungen kommt?

Treffen diese möglichen Veränderungen auf nationaler und europäischer
Ebene in gleicher Weise auf den Bereich der Kranken- und Gesundheits-
pflege, für die Hebammen und Geburtshelfer und für die Altenpflege zu?

Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen – Deutscher und Euro-
päischer Qualifikationsrahmen

24. Welche Regelungen sind im „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und
Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ für die medi-
zinischen und gesundheitlichen Berufe von erfolgsversprechender Bedeu-
tung?

25. Wie viele Anerkennungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung auf der
Basis des Berufsqualifikationsgesetzes seit dessen Inkrafttreten für die
medizinischen und gesundheitlichen Berufe ausgesprochen worden?

26. Welche Bedeutung hat der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) für
die Pflegeausbildungen?

Welche Bedeutung hat der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR)?

27. Welche umsetzungsorientierten Studien, welche Erkenntnisse und Erfah-
rungen hat die Bundesregierung mit dem EQR/DQR?

Hält sie diese Ansätze überhaupt für relevant für die im Gesundheitswesen
Tätigen?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

28. Welchen qualitativen und quantitativen Umfang wird die wissenschaftliche
Begleitung und anschließende Evaluation der Erfahrungen aus dem Pilot-
projekt der Bundesagentur für Arbeit/Zentrale Auslands- und Fachvermitt-

lung (ZAV) zur Anwerbung von Pflegefachkräften aus China haben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11608

29. Plant die Bundesregierung auch mit anderen Ländern spezifische
„Anwerbeabkommen“?

Wenn ja, mit welchen Ländern und für welche Berufsgruppen?

30. Inwiefern hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, woher die derzeit
in Deutschland arbeitenden ausländischen Pflegekräfte stammen (bitte
nach Ländern aufschlüsseln)?

31. Würden sich nach Ansicht der Bundesregierung Nachteile für außereuro-
päische Migrantentinnen und Migranten ergeben, die für die Pflegeberufe
gewonnen werden sollen und deren Anerkennung ihrer Bildungsabschlüsse
nicht unter diese EU-Regelung (laut EU-Berufsanerkennungsrichtlinie)
fällt?

Verbesserung der Studienlage

32. Welche Studien gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu den künfti-
gen quantitativen Bedarfen der Bundesländer zur Ausbildung in der
Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Altenpflege, und zu welchen Ergeb-
nissen kommen diese Studien?

33. Welche Studien gibt es zu den künftigen qualitativen Bedarfen der Bundes-
länder zur Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Alten-
pflege, und zu welchen Ergebnissen kommen diese Studien?

34. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Studie in Auftrag zu geben, die den
Zusammenhang von Personalqualifikation und Versorgungsqualität (Out-
comes) belegt, und wenn ja, wann?

Strukturelle Unterschiede im Beschäftigungsfeld Pflege

35. Welche Rolle spielt die Tatsache, dass überwiegend Frauen sowohl in der
Kranken- als auch Altenpflege tätig sind, für die Anerkennung dieser
Berufsfelder?

36. Was unterscheidet Heilberufe von Berufen, die dem Berufsbildungsgesetz
unterliegen?

Wo liegen – unabhängig von der fachlichen Ausrichtung – strukturelle
Unterschiede und/oder Gemeinsamkeiten?

37. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu den Ergebnissen des im
April 2011 gestarteten bundesweiten Boys’ Day hinsichtlich der Nutzung
von Pflegeeinrichtungen, um Jungen gezielt an das Beschäftigungsfeld
Pflege heranzuführen?

38. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Gemeinsame bzw. Unter-
schiedliche in der „Bildungslandschaft Pflege“ im Vergleich zu einem Land
wie Österreich?

Berlin, den 20. November 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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