BT-Drucksache 17/11584

Ausbau der Dresdner Bahn in Berlin und Fertigstellung der Ausbaustrecke Berlin-Dresden

Vom 13. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11584
17. Wahlperiode 13. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Stephan Kühn, Renate Künast, Dr. Valerie Wilms,
Dr. Anton Hofreiter, Harald Ebner, Bettina Herlitzius, Markus Tressel,
Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausbau der Dresdner Bahn in Berlin und Fertigstellung der Ausbaustrecke
Berlin–Dresden

Auch 23 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die teilungsbedingten Folgen im
Eisenbahnnetz der Hauptstadt immer noch nicht überwunden. Zwar konnte nach
Beseitigung schwerster Kriegsschäden der Verkehr bereits im Herbst 1945 wie-
der aufgenommen werden, jedoch versank die Dresdner Bahn mit dem Bau des
Berliner Außenrings und der endgültigen Aufgabe des Anhalter Bahnhofs im
Mai 1952 fortan in der Bedeutungslosigkeit. Am Bahnhof Priesterweg zweigt
die Strecke von der Nord-Süd-Fernbahn ab und führt mit rund 10 Kilometern
über das Berliner Stadtgebiet, um in Blankenfelde wieder die bestehende Eisen-
bahnstrecke Berlin–Dresden zu erreichen.

Für das Vorhaben gibt der laufende Investitionsrahmenplan Kosten von
417,2 Mio. Euro an. Für eine von Bürgern, Bezirk und Senat favorisierte Tun-
nellösung im Ortskern von Lichtenrade wären zusätzliche Ausgaben erforder-
lich. Sie betragen 254 Mio. Euro nach einer groben Kostenschätzung der Deut-
schen Bahn AG (DB AG) aus dem Jahr 2001, die im Vergleich zu anderen
Tunnelbauten eher überzogen scheinen. Die Dresdner Bahn sollte ursprünglich
zeitgleich mit dem neuen Hauptbahnhof in Betrieb gehen.

Grund für die eingetretenen Verzögerungen sind massive Bürgerproteste im Be-
reich Lichtenrade (Planfeststellungsabschnitt 2), aufgrund derer die DB AG
zwischenzeitlich ihre Prioritäten innerhalb Berlins verändert hat. Von Seiten der
Anwohner wird in diesem Abschnitt eine Tunnellösung gefordert, um gegen-
über der von der DB AG favorisierten ebenerdigen Variante (die Gegenstand des
laufenden Planfeststellungsverfahrens ist)

• einen Eingriff in die vorhandene Wohnbebauung und Zentrenentwicklung
des Stadtteils mit 50 000 Einwohnern rund um den Bahnhof und die Alte
Mälzerei,

• für die Anwohner hohe Lärmschutzwände, die zudem den Ortsteil zerschnei-
den,
• eine für behinderte Personen beschwerliche Querung durch eine steile Unter-
führung der bestehenden Hauptgeschäftsstraße „Bahnhofstraße“ und

• Umwege im Busverkehr durch Schließung des südlichen Bahnübergangs an
der Wolziger Zeile abzuwenden.

Nicht zuletzt die Aussetzung des ersten Planfeststellungsverfahrens, das bereits
1998 eingeleitet werden sollte – von der Berliner Senatsverwaltung aber aus

Drucksache 17/11584 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Sicht der Fragesteller durch Verweigerung der Auslegung der Planfeststellungs-
unterlagen torpediert wurde – hat Anteil an der Verzögerung des Vorhabens. Erst
seit 2006 konnte auf Basis veränderter Planfeststellungsunterlagen ein neues
Verfahren starten. Dabei führte es von vornherein zum Dissens, weil nicht die
üblichen Randbedingungen einer Neubaustrecke zugrunde gelegt wurden, son-
dern lediglich Grundsätze für einen Ausbau der ja bereits früher existenten
Strecke berücksichtigt wurden. Tatsächlich wäre jedoch hinsichtlich der aktuell
geführten öffentlichen Diskussion eine Abkehr von den bisherigen praktizierten
Planungen dringend notwendig. So werden bei Neubaustrecken (NBS) in der-
artigen Situationen Tunnelbauten als Schallschutz vorgesehen.

Der über die Dresdner Bahn im Lichtenrader Gebiet geführte Flughafenshuttle
wurde durch die Bürger Lichtenrades an sich nie infrage gestellt. Die jetzige
Lösung ergibt jedoch bei erheblicher Belastung für Lichtenrade keinerlei Vor-
teile – weder die Anbindung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) noch die
schnelle Verbindung nach Dresden.

Für eine Tunnellösung in Lichtenrade konnte bislang keine Finanzierung durch
den Bund erreicht werden. Die Berliner Senatsverwaltung blieb bei ihrem An-
gebot, den Tunnel mit lediglich 30 Mio. Euro anteilig zu finanzieren.

Der Dresdner Bahn kommt neben der Bedeutung für den internationalen Fern-
verkehr in der Relation Berlin–Dresden–Prag–Südosteuropa auch für die Anbin-
dung des Flughafens BER eine zentrale Funktion zu. Nur über die Dresdner
Bahn lässt sich eine schnelle Anbindung im Nahverkehr mit einer Fahrzeit von
etwa 20 Minuten zwischen Innenstadt und neuem Flughafen realisieren. Auch
in der Fernverkehrsrelation Berlin–Dresden, deren heutige Fahrzeiten sich unter
dem Niveau der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewegen, ließe sich
mit der Wiederherstellung des Abschnitts zwischen Priesterweg und Blanken-
felde und der Führung des Fernverkehrs über diese Strecke die Fahrzeit zwi-
schen Berlin und Dresden allein um 10 Minuten verringern. Die Dresdner Bahn
ist daher auch integraler Bestandteil im sogenannten Pilzkonzept, mit dem der
Fern- und Nahverkehr in Berlin nach dem Fall der Mauer neu organisiert wurde.

Trotz der unbestrittenen Bedeutung im Streckennetz der DB AG ist es bis heute
nicht gelungen, das Projekt zur Baureife voranzutreiben und die Finanzierung si-
cherzustellen. Auch die Realisierung der Ausbaustrecke (ABS) Berlin–Dresden
wurde mehrfach verschoben. Zuletzt gab die DB AG die schleppend verlaufen-
den Verhandlungen mit den Straßenbaulastträgern zur Beseitigung von Bahn-
übergängen als Grund für die neuerlichen Verzögerungen an. Die Verkürzung
der Fahrzeit zwischen der Bundeshauptstadt und der sächsischen Landeshaupt-
stadt auf rund 90 Minuten durch Erhöhung der Streckenhöchstgeschwindigkeit
auf bis zu 200 km/h zum Fahrplanwechsel des Jahres 2014 zumindest auf Teil-
strecken dürfte damit obsolet sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

Dresdner Bahn in Berlin

1. Welchen Verfahrensstand haben die drei Planfeststellungsverfahren bei der
Dresdner Bahn erreicht, und wann rechnet die Bundesregierung mit den Plan-
feststellungsbeschlüssen in den jeweiligen Abschnitten?

2. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die notwendige schnelle
Anbindung des Flughafens BER aus dem Zentrum Berlins (Flughafenshuttle
vom Hauptbahnhof) realisiert wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11584

3. Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass in dem Planfeststellungsver-
fahren für die Dresdner Bahn die Unterquerung für den Radfernweg Berlin–
Leipzig und für den Mauerweg verankert wird, um endlich die letzte Lücke
des Mauerwegs zu schließen?

4. Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Planung der
Dresdner Bahn in Lichtenrade nach den Grundsätzen einer Ausbau- und
nicht einer Neubaustrecke erfolgt und dadurch erheblich gesteigerte Lärm-
belastungen und Erschütterungen im Wohnbereich in Kauf genommen wer-
den?

5. Haben die Auswirkungen auf die städtebauliche Struktur und die Entwick-
lung der Grundstückswerte in Lichtenrade in den bisherigen Abwägungen
zur Planung Berücksichtigung gefunden, und wenn nein, warum nicht (bitte
begründen)?

6. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung dafür Sorge getragen wer-
den, dass das Ortsbild prägende denkmalgeschützte Gebäudeensemble am
Bahnhof Lichtenrade erhalten werden kann?

7. Von welchen aktualisierten Gesamtkosten geht die Bundesregierung beim
Wiederaufbau der Dresdner Bahn zwischen Berlin Südkreuz und Blanken-
felde aus, wie gliedern sich die Kosten nach den Kostengruppen auf, und
inwieweit sind die Folgekosten (Lärm-, Schallschutz) berücksichtigt?

8. Welcher Risikopuffer ist bei dem Vorhaben kostenseitig eingeplant?

9. Hat die Bundesregierung die früher von der DB AG angegebenen Mehrkos-
ten für einen Tunnel in Lichtenrade geprüft und aktualisiert, hält sie diese
für realistisch, und sind etwaige Kostenersparnisse gegenüber der ebenerdi-
gen Variante berücksichtigt?

10. Ist die Verwendung von Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Ent-
wicklung vorgesehen?

Wenn ja, in welcher Höhe?

11. Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, Mehrkosten für einen Tunnel
zu finanzieren, der wie bei anderen Neubauvorhaben die Beeinträchtigun-
gen durch Lärm und Erschütterungen vermeidet?

12. Welche Gründe sind letztlich ausschlaggebend für das Festhalten an der
ebenerdigen Variante?

13. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluss einer Finanzie-
rungsvereinbarung für die drei Planfeststellungsabschnitte der Dresdner
Bahn?

14. Wann rechnet die Bundesregierung mit der Inbetriebnahme der Dresdner
Bahn, und von welchen Zwischenschritten bei der Fertigstellung geht sie
aus?

Ausbaustrecke Berlin–Dresden

15. Für welche Bahnübergangsersatzmaßnahmen zwischen Berlin und Dresden
wurden bereits Eisenbahnkreuzungsvereinbarungen zwischen dem Vorha-
benträger und den jeweiligen Straßenbaulastträgern nach dem Eisenbahn-
kreuzungsgesetz abgeschlossen?

16. Für den Ersatz welcher Bahnübergänge befinden sich Kreuzungsvereinba-
rungen in Vorbereitung, welche Kreuzungsvereinbarungen sind nach § 13
des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vom Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung bereits genehmigt, und für welche ist dies bis Ende

des Jahres 2013 absehbar?

Drucksache 17/11584 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
17. Ist es richtig, dass der Abschluss von Kreuzungsvereinbarungen durch
Finanzierungsprobleme bei einzelnen Kommunen verzögert wird?

Wenn ja, für welche Bahnübergänge trifft dies derzeit zu?

18. Ist es grundsätzlich möglich, dass die DB AG in diesen Fällen in Vorleis-
tung geht, um weitere Verzögerungen beim Streckenausbau zu verhindern?

Wenn nein, warum nicht?

19. Wann rechnet die Bundesregierung damit, dass alle bestehenden Bahnüber-
gänge zwischen Berlin und Dresden beseitigt sind?

20. Kann die Streckenhöchstgeschwindigkeit in dem mittleren rund 80 Kilome-
ter messenden Abschnitt wie vorgesehen zum Fahrplanwechsel des Jahres
2014 auf 200 km/h heraufgesetzt werden?

21. Wenn nein, warum nicht, und wann rechnet die Bundesregierung mit der
Umsetzung bzw. der Fertigstellung dieser Teilmaßnahme?

22. Ist der Bundesregierung bekannt, wann die DB AG die angestrebte Fahrzeit
von etwa 90 Minuten im Fernverkehr zwischen Berlin und Dresden tatsäch-
lich erreichen wird?

23. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Ausbau der Strecke Berlin–
Dresden in den übrigen Streckenabschnitten (Erhöhung der Strecken-
höchstgeschwindigkeit auf 200 km/h), die ursprünglich in einer 2. Baustufe
umgesetzt werden sollten?

24. Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluss der entsprechenden
Finanzierungsvereinbarung für diese Abschnitte?

25. Welche Investitionen sind für den vollständigen Ausbau auf der Basis der
aktualisierten Baukostenschätzungen noch zu tätigen?

26. Ist der Bundesregierung bekannt, ob bzw. wann die DB AG nach erfolgtem
Ausbau auch das Angebot im Fernverkehr verdichten – also auf einen Stun-
dentakt ausweiten will?

Berlin, den 13. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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