BT-Drucksache 17/11436

Maritime Territorialkonflikte in (Süd-)Ostasien

Vom 8. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11436
17. Wahlperiode 08. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich, Johannes Pflug, Edelgard Bulmahn,
Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, Dagmar Freitag, Iris Gleicke, Günter
Gloser, Hans-Ulrich Klose, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Franz Thönnes,
Heidemarie Wieczorek-Zeul, Uta Zapf, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Maritime Territorialkonflikte in (Süd-)Ostasien

Die seit längerem bestehenden Territorialkonflikte im Chinesischen Meer haben
in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder zu Konflikten zwischen den
Anrainern und weiteren Interessenparteien geführt. Sie blieben jedoch begrenzt
und fanden nur geringe internationale Aufmerksamkeit.

Seit 2011 mehren sich jedoch die maritimen Zwischenfälle in der süd- und ost-
chinesischen See. Momentan ist eine zunehmende Internationalisierung des
Konfliktes zu verzeichnen. Die territorialen Grenzen zwischen den Anrainern
sind in vielen Fällen nicht international geklärt und die Anrainer erheben sich
teilweise widersprechende territoriale Ansprüche auf Seegebiete und Inseln in
der Region.

Bei den Ansprüchen spielen wirtschaftliche Faktoren eine zentrale Rolle. So
bergen insbesondere dort vermutete Ressourcen wie Öl, Gas und große Fisch-
bestände ein enormes Konfliktpotenzial. Auch ist die strategische Lage der Inseln
für die Kontrolle wichtiger Transport- und Verkehrswege von herausragender
Bedeutung. So laufen die wichtigen Energietransporte für Korea, Japan, Taiwan
und China über diese Routen, die den Indischen Ozean mit dem Westpazifik ver-
binden. Sie sind damit die Lebensader der ostasiatischen Wirtschaftssysteme.
Wer das Südchinesische Meer kontrolliert, kontrolliert einen entscheidenden Teil
der Weltwirtschaft. Die damit verknüpften Machtinteressen der Staaten in den
umstrittenen Gebieten führen zur Verschärfung der Auseinandersetzungen.

Japan und China entzweit ein Territorialstreit um die Diaoyu/Senkaku-Inseln im
Ostchinesischen Meer. Das Vorhaben einer gemeinsamen Erkundung der Res-
sourcen am Meeresgrund zwischen China und Japan wird immer wieder durch
Zwischenfälle in Frage gestellt.

Unter den hunderten von kleinen Inseln im Südchinesischen Meer bilden die
Paracel- und die Spratly-Inseln die wichtigsten umstrittenen Inselgruppen. Um

die Paracel-Inseln streiten sich China, Vietnam und Taiwan, die Spratly-Inseln
werden ebenfalls von mehreren Staaten beansprucht. Neben China und
Vietnam, reklamieren Malaysia, Indonesien, Brunei und die Philippinen zu-
mindest Teile des Archipels. Auch Taiwan erhebt Anspruch auf die Inselgruppe.
Allerdings haben sich die betreffenden Staaten im Jahr 2002 darauf geeinigt,
ihre Streitigkeiten friedlich beizulegen.

Drucksache 17/11436 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Mit vielen beteiligten Parteien und der Vermischung territorialer Ansprüche und
ökonomischer Interessen im Südchinesischen Meer ist eine Situation ent-
standen, die im Gefüge des militärischen Gleichgewichts in Asien insgesamt die
Tendenz hat, zu eskalieren. Gegenseitige Provokationen und direkte Auseinan-
dersetzungen nehmen an Zahl und Intensität zu. Vorhandene Möglichkeiten, den
Konflikt einer friedlichen Verregelung zuzuführen, z. B. über die Vereinigung
südostasiatischer Nationen – ASEAN, werden nicht genutzt. Bisherige Ver-
suche, eine legale Basis für die Behandlung territorialer Konflikte zur See zu
schaffen, sind gescheitert. Unter dem Vorwand, der stärker werdenden chinesi-
schen Marine etwas entgegenzusetzen, versuchen fast alle Anrainer, ihre mari-
timen Fähigkeiten auszubauen und Bündnispartner zur Durchsetzung eigener
Interessen zu gewinnen. Der Konflikt um die Inseln hat auch durch seine Impli-
kationen für die Aufrüstungsbemühungen der Anrainer eine weit über die Re-
gion hinausgehende Bedeutung erreicht.

Das Risiko der Zunahme bewaffneter Zwischenfälle birgt die Möglichkeit der
militärischen Eskalation der Territorialkonflikte in sich. Ein militärischer Kon-
flikt im Chinesischen Meer hätte Auswirkungen auch auf die ökonomischen
Interessen der Europäischen Union (EU) und Deutschlands, da der Welthandel
ohne den ungehinderten Zugang zu den Weltmeeren nicht möglich ist. Auch die
Sicherheitsinteressen der EU und Deutschlands wären berührt.

Wir fragen die Bundesregierung:

Konfliktspezifische Fragen

A. Territorialkonflikt im Ostchinesischen Meer

1. Was war nach Kenntnis der Bundesregierung der Grund für die japanische
Regierung, mit dem Kauf von drei der umstrittenen Inseln eine so genannte
Verstaatlichung der Inseln zu befördern?

2. Was spricht nach Kenntnis der Bundesregierung dagegen, die Ressourcen in
den umstrittenen Meeresgebieten gemeinsam zu erschließen, wie dies bereits
mehrfach in der Vergangenheit sowohl von chinesischer als auch von japani-
scher Seite vorgeschlagen wurde?

3. Welche Ressorts sind nach Kenntnis der Bundesregierung die maßgeblichen
Akteure auf chinesischer und japanischer Seite im Konflikt im Ostchinesi-
schen Meer?

4. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine einheitliche Linie der
beteiligten Ressorts auf chinesischer und japanischer Seite?

5. Erstreckt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Sicherheitsgarantie
der USA für Japan auch auf die umstrittenen Inseln im Ostchinesischen
Meer?

6. Welche Implikationen hätte eine solche Sicherheitsgarantie seitens der Ver-
einigten Staaten von Amerika auf europäische Staaten wie die Bundes-
republik Deutschland?

7. Welche Implikationen hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Beteili-
gung Taiwans am Territorialkonflikt im Ostchinesischen Meer?

8. Wie groß schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass sich als Folge des
Territorialkonflikts die wirtschaftlichen Spannungen zwischen der Volks-
republik China und Japan ausweiten und diese die regionale sowie die Welt-
wirtschaft beeinträchtigen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11436

B. Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer

9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das Risiko ein, dass durch den Terri-
torialkonflikt die durch das Südchinesische Meer verlaufenden offenen
Schifffahrts- und damit für Europa wichtigen Handelsrouten beeinträchtigt
werden?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die signifikante Aufrüstung der chinesi-
schen Marine – insbesondere der für das Südchinesische Meer zuständigen
Südflotte – ein?

11. Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung bezüglich der
Nutzung und strategischen Bedeutung der von der Volksrepublik China
errichteten U-Boot-Basis auf der Insel Hainan im Südchinesischen Meer?

12. Teilt die Bundesregierung den Vorwurf der Vereinigten Staaten von Amerika
gegenüber der Volksrepublik China, eine „anti-access/area-denial“-Strate-
gie im Südchinesischen Meer voranzutreiben?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der Vereinigten Staaten von
Amerika als Vermittler zwischen den Konfliktparteien ein?

14. Aus welchen Gründen konnte nach Einschätzung der Bundesregierung die
Einhaltung der im Rahmen von ASEAN + 3 erarbeiteten „Codes of
Conducts“ bislang nicht realisiert werden?

15. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu den unterschiedlichen Aus-
legungen der Regelungen bezüglich der Durchfahrtsrechte in der „Exclu-
sive Economic Zone“ (Ausschließliche Wirtschaftszone) im Rahmen des
Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen?

16. Welche Initiativen hat die Bundesregierung auf internationaler Ebene ge-
meinsam mit den Partnern der EU unternommen, um eine Schlichtung des
Territorialstreits durch den Internationalen Seegerichtshof zu unterstützen?

17. Inwiefern wurden die Territorialstreitigkeiten im Südchinesischen Meer im
Rahmen der EU-China-Gipfel thematisiert?

Allgemein zu maritimen Territorialstreitigkeiten in Ostasien

18. Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung die Gefahr eines (maritimen)
Wettrüstens in Ostasien?

19. Welche Initiativen gedenkt die Bundesregierung, im Rahmen der Euro-
päischen Union im Hinblick auf die sich verschärfenden Territorialkonflikte
im Ost- und Südchinesischen Meer, kurzfristig zu ergreifen, um zu einer
diplomatischen und vertrauensschaffenden sowie für die Konfliktparteien
akzeptablen Lösungen beizutragen?

20. Aus welchen Gründen ist es der Bundesregierung im Rahmen des Rats der
Europäischen Union bisher nicht gelungen, einen gemeinsamen Standpunkt
der Europäischen Union entsprechend Artikel 25 Absatz b Doppelbuch-
stabe ii des Vertrags über die Europäische Union bezüglich der sich ver-
schärfenden Konflikte herbeizuführen?

21. Mit welchen Mitteln beabsichtigt die Bundesregierung, den regionalen
sicherheitspolitischen Integrationsprozess sowie die Ratifizierung von
„Codes of Conduct“/Verhaltensregeln im Rahmen der ASEAN + 3 bzw.
des ASEAN Regional Forum (ARF) gemeinsam mit den EU-Partnern zu
unterstützen, um ein effizientes System kooperativer Sicherheit, unter Ein-
bezug von festen Regeln und Prozeduren zur friedlichen Beilegung von
Territorialstreitigkeiten im Ost- und Südchinesischen Meer, zu bilden?

Drucksache 17/11436 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-
Partnern zu ergreifen, um die Konfliktparteien zu einer völkerrechtlichen
Schlichtung des Streits im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Ver-
einten Nationen zu bewegen?

23. Aus welchen Gründen hat der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido
Westerwelle, eine Befassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen mit
den sich verschärfenden Territorialkonflikte im Ost-und Südchinesischen
Meer sowie die Aufstellung einer Enquete-Kommission der Vereinten Nati-
onen nicht vorangetrieben, obwohl Deutschland in diesem Zeitraum den
Vorsitz des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen innehatte?

24. In welchem Maße ist die Bundesregierung gemeinsam mit den EU-Partnern
dazu bereit, der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der
Generalversammlung und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine
völkerrechtlich bindende internationale Vereinbarung zur Regelung der
gemeinsamen Ausbeutung von Rohstoffen in konfliktträchtigen Gebieten
vorzuschlagen sowie einen entsprechenden Entwurf vorzutragen?

25. Nach welchen Kriterien wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die
umstrittenen Inseln nach dem Zweiten Weltkrieg/Pazifikkrieg von den USA
zur Verwaltung an die jetzigen Verwalterstaaten übergeben?

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen Kriterien für
die Beurteilung der heutigen Konflikte?

Berlin, den 8. November 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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