BT-Drucksache 17/11419

Brandverhalten von Baustoffen

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11419
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Martin Burkert,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck, Gabriele Groneberg, Hans-
Joachim Hacker, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann,
Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Brandverhalten von Baustoffen

Auf der Konferenz der Bauminister der Länder in Saarbrücken, am 21. Septem-
ber 2012, wurde auch die Problematik des Brandverhaltens von Dämmstoffen
aus Polystyrol an Fassaden und die Risiken bei Wärmedämmverbundsystemen
(WDVS) diskutiert. Nach den Berichten über Brandereignisse durch verschie-
dene Medien und den warnenden Hinweisen von Feuerwehren wurde auf
Ansinnen des Bundeslandes Hessen auf eine Beantwortung dieser wichtigen
Fragen für den Schutz der Bewohner solcher Häuser, aber auch der Feuerwehr-
leute, und auf eine konkrete Analyse bestehender drängender Fragen hin-
gewirkt. Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau- und Wohnungswesen
wurde beauftragt, unter Einbeziehung der Feuerwehren die relevanten Brand-
ereignisse von Wärmedämmverbundsystemen mit Polystyrol-Dämmstoffen
unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und Gefahren bei Montage-
zuständen zu untersuchen und konkrete Handlungsempfehlungen auszuspre-
chen. Brandschutz generell ist ein Flickenteppich in Deutschland. Die Regelun-
gen sind sehr unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern. In der Antwort
auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/8285 „Dämmstoffprüfung
auf Brandgefahr“) sieht die Bundesregierung die Verantwortung für den Brand-
schutz hauptsächlich in der Zuständigkeit der Bundesländer. Gleichzeitig
werden die bauaufsichtlichen Zulassungen für Baustoffe über das „Deutsche
Institut für Bautechnik“ erteilt. Ebenso befindet sich der Bund in der Pflicht der
Umsetzung der EU-Richtlinie, die eine Klassifizierung der Dämmstoffe nach
harmonisierter europäischer Norm fordert, die im Widerspruch zur deutschen
Klassifizierung nach DIN 4102 steht. Wärmedämmung ist ein wesentlicher
Bestandteil für die Umsetzung der Energiewende und zur Erreichung der natio-
nalen und europäischen Ziele der CO2-Einsparungen auf dem Weg zu mehr
Energieeffizienz im Gebäudesektor, der immerhin 40 Prozent der Einspar-
potentiale birgt. Die Sensibilität sowohl bei Immobilienbesitzern als auch bei
Mietern in Bezug auf Wärmedämmung ist deutlich erhöht, was insgesamt für

die Energiewende zu begrüßen ist. Umso fataler wäre eine Verunsicherung oder
das Verharren auf ungeklärten Fragen für eventuelle Gefahren, die hier zurzeit
nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Die Dämmdicken der Systeme
nehmen aufgrund steigender Anforderungen an den Wärmeschutz kontinuier-
lich zu, so dass in zunehmendem Maße Fragen des Brandschutzes bei diesem
auf Erdöl basierten Schaumstoffprodukt geklärt werden müssen, um eine Ver-
unsicherung oder gar Gefährdung der Bevölkerung zu vermeiden. Mit der Ab-

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lösung der EU-Bauproduktenrichtlinie (89/106/EWG) durch die neue EU-Bau-
produktenverordnung steht die Anpassung zahlreicher nationaler Vorschriften
an den veränderten Rechtsrahmen bevor. Die Umsetzung der alten EU-Bau-
produktenrichtlinie ist seit Längerem Gegenstand mehrerer durch die Euro-
päische Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland geführter Ver-
tragsverletzungsverfahren (Nummern 2004/5116 und 2005/4743). Gegenstand
dieser Verfahren sind insbesondere die in der Bauregelliste B vorgesehenen Zu-
satzanforderungen an Produkte, die von harmonisierten europäischen Normen
erfasst sind und die CE-Kennzeichnung tragen. Die Kommission rügt, dass die
bestehenden Zusatzanforderungen gegen die europäischen Vorgaben verstoßen.
In der letzten Sitzungswoche wurde hierzu das Bauproduktengesetz beschlos-
sen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Bauminis-
terkonferenz der Länder hinsichtlich der Überprüfung der Risiken zur
Dämmung mit erdölbasierten Schaumstoffen?

2. Wie erklärt die Bundesregierung die unterschiedliche Klassifizierung des
Brandverhaltens der Schaumstoffprodukte EPS zur Wärmedämmung (wel-
che nach Norm DIN EN 13501 als „E“, also „normalentflammbar“ klassifi-
ziert sind) gegenüber der nationalen Einstufung nach DIN 4102 als
„schwerentflammbar“ (B1)?

3. Sieht die Bundesregierung in der Aufbringung einer Putzschicht auf einen
brennbaren Dämmstoff einen wirklichen Schutz vor der Entflammbarkeit
des brennbaren Materials Polystyrol?

4. Welche Begründung gibt es aus Sicht der Bundesregierung an dem in den
Fachgremien von dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) und der
EU Kommissionsdienste als ungeeignet angesehenen Prüfverfahren gemäß
DIN 4102 Teil 14 und 15, dem sogenannten „Brandschachttest“, festzuhalten
und damit die seit 2001 verabschiedeten europäischen harmonisierten Nor-
men nicht in Deutschland einzuführen und dementsprechend anzuwenden?

5. Stellt oben genanntes Prüfverfahren einen Verstoß gegen die europäischen
Verträge dar?

6. Ist dieser mögliche Verstoß der nationalen Brandklassifizierung gegen die
europäischen Verträge unter anderem auch Grund für das eingeleitete Ver-
tragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutsch-
land hinsichtlich der Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie?

7. Wie schätzt die Bundesregierung die Warnungen der Feuerwehrleute und
Brandschutzexperten hinsichtlich der ausgehenden Gefährdungen durch
schaumstoffbasierte Dämmstoffe ein?

8. Welche Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen leitet die Bundes-
regierung aus den Aussagen dieser Experten ab?

9. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung für die Energiewende
und den wesentlichen Bestandteil der energetischen Gebäudesanierung zur
Erfüllung der europäischen Klimaschutzziele, wenn die Verunsicherung bei
Immobilienbesitzern und Mietern weiterhin anhält?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Brandeigenschaften schaumstoff-
basierter Dämmstoffe in Abhängigkeit von verschiedenen Bauphasen, aber
auch nach Fertigstellung des Gebäudes und bei eventuellen Schadens-
einflüssen am fertigen Bauobjekt?
11. Welche Änderungen hinsichtlich der Förderung der Gebäudedämmung und
energetischer Standards und Handlungsempfehlungen zum energetischen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11419

Sanieren hält die Bundesregierung in Bezug auf die Brandeigenschaften
und Brandklassifizierung von Dämmsystemen für erforderlich?

12. Welche maßgeblichen Schritte zur Harmonisierung des Brandschutzes in
Deutschland sieht die Bundesregierung vor?

13. Wie ist der aktuelle Stand der Vertragsverletzungsverfahren hinsichtlich der
Bauproduktenrichtlinie?

14. Welche Schritte im Rahmen der Tätigkeit des Deutschen Instituts für Bau-
technik (DIBt) hält die Bundesregierung für angezeigt, um – neben der Ein-
führung der Vorgaben durch das „Gesetz zur Anpassung des Bauproduk-
tengesetzes und weiterer Rechtsvorschriften an die Verordnung (EU) Nr.
305/2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung
von Bauprodukten“ – die europarechtskonforme Umsetzung und Anwen-
dung der EU-Bauproduktenverordnung sicherzustellen?

15. Welche Formen des Berichts und der Evaluierung der Arbeit des DIBt
bestehen bislang auf Bundesebene?

Welche Ergebnisse haben diese hervorgebracht?

16. Welche Aspekte sprechen aus Sicht der Bundesregierung gegen die Über-
wachung und Begutachtung des DIBt durch eine organisatorisch und sach-
lich unabhängige Stelle?

17. Welche Aspekte sprechen angesichts der europäischen Harmonisierungs-
regelungen im Bereich des Bauproduktenrechts für eine Bündelung von
Zuständigkeiten beim DIBt?

18. Welche hoheitlichen Aufgaben müssen aus Sicht der Bundesregierung not-
wendigerweise durch das DiBt wahrgenommen werden?

19. Ist die bestehende Praxis, maßgebliche Vorgaben für die Anforderungen an
bauaufsichtliche Zulassungen durch untergesetzliche technische Regeln zu
bestimmen, nach Auffassung der Bundesregierung nach wie vor zweck-
mäßig und mit geltendem Recht vereinbar, insbesondere im Hinblick auf
die Anforderungen an normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften?

Berlin, den 7. November 2012

Dr. Frank Walter Steinmeier und Fraktion

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