BT-Drucksache 17/11275

Beteiligung der Bundeswehr an Veranstaltungen zum Volkstrauertag

Vom 31. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11275
17. Wahlperiode 31. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Harald Koch, Niema Movassat, Frank Tempel und
der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung der Bundeswehr an Veranstaltungen zum Volkstrauertag

Aus der Beantwortung einer Schriftlichen Anfrage im bayerischen Landtag
(dort als Drucksache 16/10940 erfasst) ergibt sich, dass die Bundeswehr im
vergangenen Jahr an einer Feierstunde nebst Kranzniederlegung zum Volkstrau-
ertag in München beteiligt war, zu der auch Angehörige von Organisationen ein-
geladen waren, die „wiederholt durch geschichtsrevisionistische deutschnatio-
nale Positionen und enge Kontakte zu Rechtsextremen aufgefallen“ sind, wie es
in der Anfrage heißt. Genannt werden die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuz-
träger, zu der eigentlich ein Kontaktverbot seitens der Bundeswehr besteht, der
von den Fragestellern schon wiederholt thematisierte Kameradenkreis der
Gebirgstruppe und die vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtete rechts-
extreme Burschenschaft Danubia. Die bayerische Landesregierung gab an, der
Veranstalter, der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), werde die
Einladungsliste künftig mit der Staatsregierung abstimmen.

Den Fragestellern ist nicht einsichtig, dass der VDK überhaupt auf die Idee ge-
kommen ist, rechtsextreme und geschichtsrevisionistische Organisationen ein-
zuladen und dass die Bundeswehr sich nicht schon in der Vergangenheit dieser
Veranstaltung entzogen hat. Augenzeugenberichten zufolge sollen Bundeswehr-
soldaten gar aktiv an der Veranstaltung mitgewirkt und einen Kranz der Ordens-
gemeinschaft der Ritterkreuzträger (OdR) in den Farben schwarz-weiß-rot
getragen haben (http://braunzonebw.blogsport.de/2011/12/07/volkstrauertag-
in-muenchen-burschenschafter-ritterkreuztraeger-und-die-bundeswehr/). Aller-
dings ist es auch andernorts zu aus Sicht der Fragesteller bedenklicher Nähe zwi-
schen Bundeswehr und rechtsextremistischen bzw. geschichtsrevisionistischen
Vereinigungen anlässlich des Volkstrauertages gekommen. Zu erwähnen ist
etwa die Feier auf dem ehemaligen Garnisonsfriedhof am Berliner Columbia-
damm, wo sich im Jahr 2007 lokale NPD- und DVU-Politiker sowie Angehörige
von Nazikameradschaften Seite an Seite mit Vertretern der Bundeswehr und uni-
formierten Reservisten beteiligten. Die Bundeswehr hat erst, nachdem öffent-
liche Proteste gegen die Veranstaltung von den Medien aufgegriffen worden
sind, ein Uniformtrageverbot erlassen. In anderen Städten kam es zu gemein-
samer Teilnahme von Bundeswehr und Vertretern des Verbandes deutscher Sol-
daten (VDS) (vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der

Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/11006).

Den Fragestellern ist zwar bewusst, dass die Bundeswehr nicht im Vorfeld einer
Veranstaltung in jedem Fall über den erwarteten Teilnehmerkreis informiert sein
kann. Dann aber, wenn jahrelange Erfahrung nahelegt, dass Rechtsextremisten
oder Geschichtsrevisionisten zu erwarten sind, und erst recht dann, wenn der

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verantwortliche Veranstalter diese bewusst einlädt, wäre es aus Sicht der Frage-
steller erforderlich, dass die Bundeswehr ihre Teilnahme aufkündigt.

Dabei sollte der Abstand sowohl zu dezidiert rechtsextremen als auch zu noto-
risch geschichtsrevisionistischen Vereinigungen (die etwa die deutsche Kriegs-
schuld oder deutsche Kriegsverbrechen leugnen) gleichermaßen gewahrt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass zur
Volkstrauertagsveranstaltung in München im Jahr 2011 der VDK auch
Rechtsextremisten und Geschichtsrevisionisten eingeladen hat?

a) Wird die Bundeswehr ihre weitere Teilnahme davon abhängig machen,
dass der VDK auf Einladungen derartiger Organisationen verzichtet, und
wenn nein, warum nicht?

b) Wird die Bundeswehr ihre Teilnahme davon abhängig machen, dass der
VDK die Liste der Eingeladenen zuvor an sie übermittelt, und wenn nein,
warum nicht?

c) Seit wann lädt der VDK nach Kenntnis der Bundesregierung die genann-
ten rechtsextremistischen und geschichtsrevisionistischen Organisationen
zur Volkstrauertagsveranstaltung ein, und wenn ihr dies nicht bekannt ist,
welche Bemühungen hat sie unternommen, entsprechende Kenntnis zu er-
langen?

d) Inwiefern hat die Bundeswehr in der Vergangenheit gegenüber dem VDK
darauf gedrängt, die entsprechenden Organisationen nicht mehr einzu-
laden, und mit welcher Resonanz?

e) Warum hat die Bundeswehr angesichts der Einladungspraxis des VDK
ihre Teilnahme nicht abgesagt?

f) Inwiefern wurde die Einladungspraxis des VDK in den Vorjahren bundes-
wehrintern kritisch thematisiert?

2. Inwiefern hat die Bundeswehr auf Bundesebene dem VDK, der bundesweit
sehr viele Volkstrauertagsveranstaltungen durchführt, nahegelegt, auf die Ein-
ladung von rechtsextremistischen oder geschichtsrevisionistischen Vereini-
gungen zu verzichten, und wie hat der VDK auf derartige Hinweise reagiert?

3. Trifft es zu, dass Personen in Uniformen der Bundeswehr einen Kranz der
Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger, zu der seitens der Bundeswehr
eigentlich ein Kontaktverbot gilt, getragen haben, und wenn ja,

a) handelt es sich bei diesen Personen um aktive Soldaten oder um Reservis-
ten (bitte soweit möglich jeweilige Einheit oder Reservistenorganisation
angeben) und

b) wer hat ihnen ggf. den Auftrag hierzu erteilt,

c) inwiefern hat die OdR sich im Vorfeld der Veranstaltung an die Bundes-
wehr oder eine Reservistenorganisation gewandt und

d) welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus?

4. Welche Veranstaltungen zum Volkstrauertag werden von der Bundeswehr
unterstützt (bitte Veranstalter, Datum, Ortschaft und Namen des Friedhofes
bzw. Bezeichnung des Gedenkortes sowie Art der Unterstützung angeben)?

5. Für welche Veranstaltungen (bitte Ortschaft und soweit möglich den verant-
wortlichen Veranstalter benennen) im Zusammenhang mit dem Volkstrauer-
tag hat die Bundeswehr in den letzten Jahren
a) ein Uniformtrageverbot erlassen und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11275

b) die Teilnahme von Soldaten der Bundeswehr untersagt,

und was waren jeweils die Gründe dafür?

6. Inwiefern erwartet die Bundesregierung, dass die Bundeswehr (auch in Ge-
stalt uniformierter Reservisten) sich nicht an Veranstaltungen beteiligt, bei
denen sie weiß oder davon ausgehen kann, dass sich Vertreter rechtsextre-
mistischer Vereinigungen, aber auch solcher, die nicht als rechtsextremis-
tisch im Sinne des Verfassungsschutzes bekannt sind, aber die deutsche
Kriegsschuld leugnen oder deutsche Kriegsverbrechen verharmlosen, be-
teiligen bzw. gar vom Veranstalter explizit eingeladen werden?

7. Inwiefern werden die Dienststellen der Bundeswehr sowie die Gliederun-
gen des Reservistenverbandes entsprechend über diese Erwartungshaltung
informiert?

8. Falls keine derartige Erwartungshaltung besteht, warum nicht?

9. Bei welchen Veranstaltungen zum Volkstrauertag gab es in den letzten bei-
den Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung eine gemeinsame Anwesen-
heit von Vertretern der Bundeswehr und der Ordensgemeinschaft der Ritter-
kreuzträger, des VDS oder anderer, rechtsextremistischer Vereinigungen,
inwiefern waren die Rechtsextremisten und Geschichtsrevisionisten vom
Veranstalter eingeladen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregie-
rung daraus?

10. Welche Möglichkeiten haben die Veranstalter nach Kenntnis der Bundes-
regierung, ein Hausrecht geltend zu machen, um anwesende Rechtsextre-
misten des Platzes zu verweisen, und inwiefern erwartet die Bundesregie-
rung, dass hiervon Gebrauch gemacht wird?

11. In welcher Weise haben die Bundeswehr bzw. der Reservistenverband oder
andere Verbände aus dem Beirat Freiwillige Reservistenarbeit seit Anfang
2009 mit dem Ring Deutscher Soldatenverbände Berlin e. V. zusammenge-
arbeitet?

12. Hat die Bundeswehr seit Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundes-
tagsdrucksache 16/11006 sich weiterhin an der Volkstrauertagsveranstal-
tung des VDK in Bochum beteiligt, und wenn ja,

a) war dort wiederum der Verband Deutscher Soldaten (VdS) für das Land
NRW e. V. (VdS NRW), zu dem ein Kontaktverbot seitens der Bundes-
wehr besteht, vertreten, etwa durch einen Kranz,

b) hat sich die Bundeswehr beim Veranstalter, dem VDK, danach erkun-
digt, ob dieser den VdS NRW einlädt, und wenn nein, warum nicht?

13. Wird sich die Bundeswehr auch in diesem Jahr bei der VDK-Veranstaltung
in Bochum beteiligen, und wenn ja, wird sie dies davon abhängig machen,
dass der VDK zusagt, den VdS NRW nicht einzuladen?

14. Gegenüber welchen Vereinigungen besteht seitens der Bundeswehr seit
wann ein Kontaktverbot, und was genau ist unter einem Kontaktverbot zu
verstehen?

Berlin, den 31. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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