BT-Drucksache 17/11259

Mögliche Mängel beim Brandschutzkonzept für den neuen Hauptbahnhof Stuttgart

Vom 26. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11259
17. Wahlperiode 26. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Dr. Valerie Wilms, Bettina Herlitzius, Dr. Anton
Hofreiter, Stephan Kühn, Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mögliche Mängel beim Brandschutzkonzept für den neuen
Hauptbahnhof Stuttgart

Das Brandschutzkonzept für den neuen Hauptbahnhof Stuttgart ist offenkundig
nicht genehmigungsfähig. Das zuletzt im Jahr 2003 genehmigte Konzept erfüllt
nicht mehr die aktuellen Vorschriften. Aufgrund dessen wurde das Ingenieur-
büro Brandschutz Planung Klingsch GmbH als Auftragnehmer von ingenhoven
architects damit beauftragt, das Brandschutzkonzept zu überarbeiten. Im Auf-
trag der DB ProjektBau GmbH hat die Gruner AG die überarbeitete Fassung
analysiert und bewertet.

Die gutachterliche Stellungnahme der Gruner AG weist auf erhebliche Mängel
beim überarbeiteten Brandschutzkonzept für den Stuttgarter Hauptbahnhof hin.
Demnach sei das Brandschutzkonzept nicht genehmigungsfähig, weil es u. a.
nicht den aktuellen gesetzlichen Vorgaben bei den Entrauchungseinrichtungen
und Fluchtwegen entspreche. Aus Sicht der Gruner AG machen die Verbesse-
rungen beim Brandschutzkonzept auch weitere bauliche Maßnahmen notwen-
dig, durch die der architektonische Entwurf des Bahnhofs überarbeitet werden
müsste.

Für das Projekt der Deutschen Bahn AG (DB AG) zusammen mit den Projekt-
partnern Land Baden-Württemberg, Stadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart
und Flughafen Stuttgart GmbH übernimmt der Bund die Einbindung der Neu-
baustrecke (NBS) Wendlingen–Ulm mit einem Beitrag über 563,8 Mio. Euro.
Weiterhin finanziert der Bund die NBS Wendlingen–Ulm, deren Kosten sich im
letzten Jahr von 923 Mio. Euro auf 1 865 Mio. Euro mehr als verdoppelt haben.
Volker Kefer, der Vorstand der Deutschen Bahn AG für Infrastruktur, kündigte
im Zusammenhang mit dem Brandschutzkonzept an, dass die Kostenobergrenze
von 4,526 Mrd. Euro bald erreicht sei und Verhandlungen mit den Projektpart-
nern über die Verteilung der Mehrkosten aufgenommen werden sollen (Stutt-
garter Nachrichten vom 16. Oktober 2012). Die Auswirkungen auf die Kosten
für den Bund sind derzeit unklar.

Der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist bekannt, dass Stuttgart 21 ein
sogenanntes eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG ist und kein Projekt des

Bedarfsplans für Bundesschienenwege. Es werden jedoch erhebliche Bundes-
mittel (1,23 Mrd. Euro) und umfangreiche Mittel der bundeseigenen DB AG
(1,47 Mrd. Euro) für das Projekt eingesetzt. Zudem sind auch die kilometerlan-
gen Zulaufstrecken zum Tiefbahnhof betroffen, also Bundesschienenwege. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist daher auf das grundlegende parla-
mentarische Informationsrecht der Abgeordneten und Fraktionen des Deutschen
Bundestages, insbesondere bei der Kontrolle des Bundesvermögens (DB AG),

Drucksache 17/11259 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sowie auf die diesbezügliche Klage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vom 22. März 2011 beim Bundesverfassungsgericht hin.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwiefern waren die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als
Genehmigungsbehörde in die Erarbeitung des Gutachtens der Gruner AG
zum Brandschutz bei Stuttgart 21 eingebunden?

2. Inwiefern hat das Brandschutzkonzept für den Bahnhof Stuttgart 21 Aus-
wirkungen auf die Kosten für die Einbindung der NBS Wendlingen–Ulm?

3. Rechnet die Bundesregierung vor dem Hintergrund eventueller Nachbesse-
rungen bei Brandschutzmaßnahmen mit Kostensteigerungen für die NBS
Wendlingen–Ulm?

Falls ja, wer müsste für die außerplanmäßigen Kosten aufkommen?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der möglichen
Überarbeitung architektonischer Pläne vor dem Hintergrund fehlerhafter
Entrauchungskonzepte (Stuttgarter Nachrichten vom 17. Oktober 2012),
durch die Veränderungen der charakteristischen Lichtaugeneffekte des Bahn-
hofs durchgeführt werden müssten?

5. Wann und in welcher Form wurden die Bundesregierung bzw. das Eisen-
bahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde über die Ergebnisse und Fol-
gen des Gutachtens informiert bzw. sollen informiert werden?

6. Wann und in welcher Form werden die Projektpartner nach Kenntnis der
Bundesregierung über die Ergebnisse und Folgen des Gutachtens infor-
miert?

7. Seit wann ist bekannt, dass das aktuelle Brandschutzkonzept aufgrund
schärferer gesetzlicher Bestimmungen nicht mehr genehmigungsfähig ist?

8. Wie bewerten die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als Ge-
nehmigungsbehörde die im Gutachten der Gruner AG aufgeführten Mängel
hinsichtlich des Entrauchungskonzeptes, nach denen flüchtende Menschen
im Falle eines Brandes kontaminierte Luft einatmen könnten?

9. Wie bewerten die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als Ge-
nehmigungsbehörde die im Gutachten der Gruner AG aufgeführten Mängel
hinsichtlich den Evakuierungszeiten, nach denen eine Evakuierung im Falle
eines Brandes ca. 32 Minuten dauern würde?

10. Inwiefern hat das Gutachten Einfluss auf die Planungen der Einbindung der
NBS Wendlingen–Ulm, und werden die Bundesregierung bzw. das Eisen-
bahn-Bundesamt als Genehmigungsbehörde vor dem Hintergrund zu langer
und zu weniger Fluchtwege an bisherigen Bauplänen festhalten?

11. Inwiefern werden Nachbesserungen beim Brandschutzkonzept zu einer Ver-
zögerung der Bauarbeiten an der Einbindung der NBS Wendlingen–Ulm
führen, und auf wann verschiebt sich nach Einschätzung der Bundesregie-
rung bzw. des Eisenbahn-Bundesamtes als Genehmigungsbehörde die Inbe-
triebnahme des neuen Hauptbahnhofs und der NBS Wendlingen–Ulm?

12. Rechnet die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als Genehmi-
gungsbehörde vor dem Hintergrund eventueller Nachbesserungen bei
Brandschutzmaßnahmen mit Kostensteigerungen?

Falls ja, von welcher Höhe geht die Bundesregierung aus, und wer soll für
die außerplanmäßigen Kosten aufkommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11259

13. Sind der Bundesregierung bzw. dem Eisenbahn-Bundesamt als Genehmi-
gungsbehörde neben der gutachterlichen Stellungnahme durch die Gruner
AG weitere Gutachten des überarbeiteten Brandschutzkonzeptes bekannt?

Wenn ja, wer hat diese wann durchgeführt, und welche Schlussfolgerungen
wurden gezogen?

14. Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung welche Personenstrom-
analysen in die Überarbeitung des Brandschutzkonzeptes eingeflossen, und
welche Simulationen wurden bisher für Stuttgart 21 zur Berechnung der
Personenströme, der Evakuierungszeit und für das Brandverhalten der Sta-
tion vorgenommen (bitte Nennung des Gutachtens mit Jahr, Gutachter und
dem verwendeten Werkzeug)?

15. Was für Änderungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bisher im
Brandschutzkonzept an der Architektur vorgesehen?

Seit wann sind die im Gutachten der Gruner AG erwähnten Fluchttreppen-
häuser durch die Brandschutz Planung Klingsch GmbH in das Brandschutz-
konzept eingeplant, und mit welchen Kosten ist hier zu rechnen?

16. Wie bewertet die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als Ge-
nehmigungsbehörde den Hinweis der Gruner AG, dass die zusätzlich einge-
planten Treppen nicht für eine Genehmigung ausreichend sind?

17. Wie bewertet die Bundesregierung bzw. das Eisenbahn-Bundesamt als Ge-
nehmigungsbehörde die Feststellung der Gruner AG, dass die technischen
Zulieferer keine detaillierten Informationen zur Funktionstüchtigkeit der im
Brandschutzkonzept vorgesehenen technischen Einrichtungen liefern konn-
ten?

Berlin, den 26. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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