BT-Drucksache 17/11209

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Lothar Binding (Heidelberg), Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/5915 - Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11209
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Lothar Binding (Heidel-
berg), Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/5915 –

Rechte indigener Völker stärken – ILO-Konvention 169 ratifizieren

A. Problem

Rund 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern zählen laut den Vereinten
Nationen (VN) zu den indigenen Völkern. Ihre Lebensgrundlagen und traditio-
nellen Rechte sind vielerorts bedroht, ihre politische und gesellschaftliche Teil-
habe in zahlreichen Ländern ganz oder teilweise nicht gewährleistet.

Mit der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aus dem
Jahr 1989 werden die Rechte der indigenen Völker völkerrechtlich verbindlich
anerkannt. Dazu gehört die Anerkennung spezifischer Mindestrechte auf unein-
geschränkte gesellschaftliche Teilhabe, das Recht auf traditionelles Land und
die Kontrolle über die lokalen natürlichen Ressourcen, das Recht auf kultur-
adäquate und selbstbestimmte Entwicklung und Selbstverwaltung sowie das
Recht auf Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Systeme indigener Völker. Dazu gehören insbesondere die Schaffung kultur-
adäquater Arbeitnehmerrechte, die Förderung lokaler Produktionen, eine ange-
messene soziale Absicherung und der Zugang zu Ausbildung unter Berücksich-
tigung indigener Sprachen sowie zum Gesundheitswesen.

Die Bundesregierung hat die ILO-Konvention 169 bis heute nicht ratifiziert und
umgesetzt.
B. Lösung

Mit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 wäre die Grundlage geschaffen,
um die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie den Gesundheits- und Bildungs-
status der indigenen Völker zu verbessern. Außerdem würden die Rechte an der
Erschließung, Bewirtschaftung und Nutzung der natürlichen Ressourcen auf
dem Territorium der indigenen Völker garantiert. Darüber hinaus würde jegliche
Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgeltes, der ärztlichen und sozialen

Drucksache 17/11209 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Betreuung, der sozialen Sicherheit und der Vereinigungsfreiheit, Chancen-
gleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen verboten.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

E. Bürokratiekosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11209

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/5915 abzulehnen.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar G. Wöhrl
Vorsitzende

Anette Hübinger
Berichterstatterin

Karin Roth (Esslingen)
Berichterstatterin

Helga Daub
Berichterstatterin

Niema Movassat
Berichterstatter

Thilo Hoppe
Berichterstatter

in seiner 80. Sitzung und der Ausschuss für Menschen- deutsche wirtschafts- und innenpolitische Belange geben

rechte und humanitäre Hilfe in seiner 67. Sitzung am
17. Oktober 2012 beraten.

Die Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen

dürfe. Je mehr Länder diese Konvention, das einzige völker-
rechtlich verbindliche Dokument zur Stärkung der Rechte
der Indigenen, ratifizieren würden, umso stärker wäre die
positive Wirkung, die sie entfalten könnte.
Drucksache 17/11209 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Anette Hübinger, Karin Roth (Esslingen), Helga Daub,
Niema Movassat und Thilo Hoppe

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
17/5915 in seiner 114. Sitzung am 9. Juni 2011 beraten und
an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung zur federführenden Beratung und an den Aus-
wärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit und den Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert,
dem Deutschen Bundestag die ILO-Konvention 169 umge-
hend zur Ratifizierung vorzulegen. Mit dieser Konvention
soll die politische und soziale Teilhabe von indigenen Völ-
kern und ihr Recht auf örtliche Kontrolle über natürliche
Ressourcen sowie auf kulturadäquate und selbstbestimmte
Entwicklung gesichert werden.

Ferner soll die VN-Resolution 59/157 zur Zweiten Inter-
nationalen Dekade der indigenen Bevölkerungen der Welt
umgesetzt werden. Damit Vertreter der indigenen Völker an
Sitzungen internationaler Gremien teilnehmen können, soll
die Bundesregierung einen ausreichenden Beitrag zu dem
vom VN-Generalsekretär dafür eingerichteten freiwilligen
Fonds entrichten.

Des Weiteren soll die Bundesregierung die VN-Resolution
61/295 über die Rechte der indigenen Völker in nationales
Recht umsetzen.

Darüber hinaus soll sich die Bundesregierung in Verhand-
lungen zur Entwicklungszusammenarbeit mit den Partnerre-
gierungen in den Ländern mit indigener Bevölkerung dafür
einsetzen, dass die Konsultations- und Mitentscheidungs-
rechte der indigenen Völker nach der ILO-Konvention 169
und den nationalen gesetzlichen Regelungen beachtet und
eingehalten werden.

Schließlich soll sich die Bundesregierung für eine angemes-
sene Ausstattung des im Jahr 2002 im Rahmen des Wirt-
schafts- und Sozialrats der VN (ECOSOC) eingerichteten
Ständigen Forums für Indigene Angelegenheiten einsetzen.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache
17/5915 in seiner 65. Sitzung, der Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie in seiner 80. Sitzung, der Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache 17/9697 in
seiner 66. Sitzung am 17. Oktober 2012 in Kenntnis der Pe-
tition Pet 3-17-05-01-003638, zu der Stellungnahmen der
Fraktionen eingebracht (Ausschussdrucksachen 17(19)402,
17(19)406 und 17(19)407) und abgestimmt wurden, beraten.
Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Antrag ab-
zulehnen, und hat die Stellungnahme der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP zur Petition auf Ausschussdrucksache
19(19)402 angenommen.

Die Fraktion der SPD verweist darauf, dass in dem Bericht
des VN-Sonderberichterstatters für die Rechte der indigenen
Völker bestätigt werde, dass bis heute die kulturellen Rechte,
aber auch die Grundrechte der indigenen Völker nicht berück-
sichtigt würden. Das geschehe häufig im Kontext der Ausbeu-
tung von Rohstoffen. Es gehe dabei aber auch um die Gesund-
heitsbedingungen und die Erhöhung der Bildungsstandards.
Gerade im Bereich der Entwicklungspolitik müsse man da-
rauf achten, dass die ILO-Konvention und damit die Mit-
bestimmungsrechte der indigenen Völker eingehalten wür-
den. Deshalb solle man diese Konvention rasch ratifizieren.
Auch andere Länder, in denen selbst keine indigenen Völker
leben würden, wie beispielsweise Dänemark, Norwegen, die
Niederlande und andere europäische Staaten, hätten dies ge-
tan. Es gehe nicht darum, dass man selbst betroffen sei, son-
dern darum, ein entwicklungspolitisches Zeichen zu setzen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstreicht
die Ausführungen der Fraktion der SPD. Man hätte es be-
grüßt, wenn dieser Antrag fraktionsübergreifend Unterstüt-
zung gefunden hätte. Durch die Ratifizierung der ILO-Kon-
vention würde auch rechtlich eine stärkere Bindungskraft für
die Durchführungsorganisationen in der Entwicklungszu-
sammenarbeit und vor allem auch für deutsche Unternehmen
entstehen, die in den betroffenen Regionen tätig seien. Die
Frage der Rechtssicherheit könne nämlich nicht auf die je-
weiligen Regierungen der Partnerländer abgeschoben wer-
den, zumal einige zwar die Konvention unterzeichnet, aber
mitunter korrupt seien und insofern die Umsetzung verhin-
derten. Deshalb wolle man eine stärkere Mitverantwortung
der ausländischen Investoren sicherstellen. Die Ausreden
vonseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Tech-
nologie sowie des Bundesministeriums des Innern, nur Län-
der, in denen indigene Völker lebten, könnten die Konven-
tion ratifizieren, dürften nicht länger gelten. Ebenso wenig
die Forderung, dass es möglichst keine Auswirkungen auf
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU stellt klar, dass sich die ILO-
Konvention überhaupt nicht an Deutschland richte, da man

Berlin, den 17. Oktober 20

Anette Hübinger
Berichterstatterin

Kar
Beri

vassat Thilo Hoppe
gration gehen. Man brauche die ILO-Konvention auch nicht
zu dem Zweck einer besseren Entwicklungszusammenarbeit
(EZ), da die Entwicklungspolitik der Bundesregierung be-
reits so ausgerichtet sei, dass die Rechte der Indigenen
gestärkt würden. Probleme in Ländern der deutschen EZ
gebe es nur im Verhältnis des jeweiligen Staates zu seiner ei-
genen indigenen Bevölkerung, so beispielsweise in Ecuador.
Die Konvention sei bereits 1998 unterzeichnet worden, aber
im Falle des Yasuni-Schutzgebietes habe das keine Rolle ge-
spielt. In diesem Gebiet würden zurückgezogene Indigene
leben, die man bei der Frage der Erdölförderung nicht ein-
bezogen habe. Im Übrigen führe diese Konvention zur Ver-
lagerung der Haftungsverantwortung und einem erhöhten
Prozessrisiko für Investoren, wegen möglicher Verfahrens-
fehler bei der Erteilung von Lizenzen, Bau- und Explora-
tionsgenehmigungen. Das aber könne nicht im entwick-
lungspolitischen Interesse ausländischer, privater Investoren
zur Entwicklung eines Landes sein. Gerade mittelständische
Firmen aus Deutschland investierten im Ausland und
bräuchten Rechtssicherheit. Aus diesen Gründen lehne man
den Antrag ab.

Die Fraktion der FDP begrüßt das mit dem Antrag verbun-
dene Anliegen, hält die ILO-Konvention aber für ein unge-
eignetes Instrument, um wirksame und nachhaltige Entwick-
lungspolitik zu betreiben. Die Bundesregierung trage viel-
mehr durch ihre Entwicklungspolitik und ihr Eintreten für
Menschenrechte weltweit zur Lösung der Probleme der indi-
genen Bevölkerung bei. Darum werde man den Antrag ab-
lehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. verweist gegenüber den Beden-
ken der Fraktion der CDU/CSU auf einen konkreten Anwen-
dungsbereich, nämlich der der extraterritorialen Staaten-
pflichten, wenn nämlich ein Unternehmen in ein anderes
Land gehe und dort die Rechte Indigener verletze. Dafür
gebe es eine Reihe von Beispielen in den Ländern des Sü-
dens, wo auch deutsche Unternehmen beteiligt seien, bei-
spielsweise beim Belo Monte-Staudamm in Brasilien oder
bei Kohleabbauprojekten in Kolumbien. Hier wäre die Um-
setzung der Konvention sicher sehr hilfreich. Die geforderte
Rechtssicherheit sei nicht mit Rechtsfreiheit zu verwechseln.
Wenn man die geforderten Normen umsetze, erziele man
auch Rechtssicherheit für die Investoren, weil somit Klarheit
über ihre Pflichten hergestellt würde, woran sie sich zu hal-
ten hätten. Der Staat könne das bei realistischer Einschät-
zung nicht übernehmen, weil er oftmals dazu nicht fähig
oder nicht bereit sei. Andere Länder ohne eigene indigene
Bevölkerung hätten bereits unterzeichnet, und wenn
Deutschland auch unterzeichne, ermutige es andere Indus-
trieländer, diese Konvention ebenfalls umzusetzen. Insofern
werde man diesem Antrag zustimmen.

12

in Roth (Esslingen) Helga Daub Niema Mo
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11209

keine indigene Bevölkerung im Sinne der ILO-Konvention
169 habe. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde man nicht
den Weg der ILO-Konvention mit Sonderrechten, Sonder-
gebieten und Sonderrechtsregelungen, sondern den der Inte-
chterstatterin Berichterstatterin Berichterstatter Berichterstatter

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