BT-Drucksache 17/11184

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates - Drucksache 17/10146 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch

Vom 24. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11184
17. Wahlperiode 24. 10. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates
– Drucksache 17/10146 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch

A. Problem

Für die unentgeltliche Beförderung vieler schwerbehinderter Kinder, Jugend-
licher, Frauen und Männer im öffentlichen Personennahverkehr erhalten die zur
Beförderung verpflichteten Verkehrsunternehmen für die ihnen hierdurch ent-
stehenden Einnahmeverluste einen Ausgleich nach Maßgabe von § 148 ff. des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zum Ausgleich verpflichtet sind
– je nach anspruchsberechtigten Personen und Verkehrsmitteln – sowohl der
Bund als auch die Länder. Die hierzu bestehenden gesetzlichen Regelungen
sind auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern außerordentlich kompli-
ziert und führen zu hohem Verwaltungsaufwand.

Zugleich soll nach Auffassung des Bundesrates die Eigenbeteiligung der frei-
fahrtberechtigten Personen angepasst werden.

B. Lösung

Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, wird mit dem Gesetzentwurf die
Zahl der Tatbestände, für die der Bund beziehungsweise die Länder kostenerstat-
tungspflichtig sind, vereinfacht. Die auf die verschiedenen Einnahmetatbestände
des Bundes bezogenen individuellen Regelungen zur Erstattung durch die Län-
der werden auf einen durchgängigen einheitlichen Prozentsatz festgelegt.

Durch die Erhöhung der Eigenbeteiligung ist zugleich sichergestellt, dass we-
der der Bund noch die Länder aufgrund dieser Änderungen mit Einnahmever-
lusten zu rechnen haben.

Mit dem Änderungsantrag wird u. a. bei der Dynamisierung der Eigenbeteili-
gung die Aufrundung auf den nächsten vollen Eurobetrag begrenzt. Ferner wer-

den die bisher vom Bund getragenen Aufwendungen für die unentgeltliche Be-
förderung schwerbehinderter Menschen, die nach dem Bundesversorgungsge-
setz (BVG) anspruchsberechtigt sind, künftig von den Ländern übernommen.
Diese reduzieren zum Ausgleich ihre Abführungen aus dem Wertmarkenver-
kauf an den Bund entsprechend. Damit entfällt Verwaltungsaufwand bei Bund
und Ländern. Der Aufwand für die Anspruchsberechtigten nach dem BVG wird
aber im Ergebnis nach wie vor vom Bund getragen. Der vom Bundesrat vorge-

Drucksache 17/11184 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlagene Abführungssatz von nur 20 Prozent würde den Aufwand, den die
Länder übernehmen, überkompensieren. Deshalb wird der angemessene Ab-
führungssatz von 27 Prozent festgelegt.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion der
SPD.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Durch die Vereinfachung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern
wird – verglichen mit den derzeitigen Verfahren – bei der Gesamtkalkulation
von unterschiedlichen Auswirkungen bei den einzelnen Posten ausgegangen.
Im Ergebnis ist nach Auffassung des Bundesrates durch die Verbindung von
Mehrausgaben, Minderausgaben und Mehreinnahmen sowohl beim Bund als
auch bei den Ländern von einer Reduzierung der finanziellen Lasten für die
unentgeltliche Beförderung nach § 145 ff. SGB IX auszugehen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11184

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/10146 mit folgenden Maßgaben, im Üb-
rigen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. In Nummer 1 Buchstabe b werden die Wörter „durch zwölf teilbaren“ gestri-
chen.

2. In Nummer 2 Buchstabe b wird die Angabe „Absatz 2“ durch die Angabe
„Absatz 1a“ ersetzt.

3. Der Nummer 4 Buchstabe a wird folgender Doppelbuchstabe cc angefügt:

,cc) Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.‘

4. In Nummer 5 wird in Satz 1 die Angabe „20 Prozent“ durch die Angabe
„27 Prozent“ ersetzt.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Sabine Zimmermann Maria Michalk
Vorsitzende Berichterstatterin

markenverkauf an den Bund entsprechend. Fraktion DIE LINKE. abgelehnt. Der Änderungsantrag wird
im Folgenden dokumentiert:
III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses Der Ausschuss wolle beschließen:
Drucksache 17/11184 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Maria Michalk

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/10146 ist in der
195. Sitzung des Deutschen Bundestages am 27. September
2012 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur feder-
führenden Beratung und an den Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung zur Mitberatung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Das Recht auf unentgeltliche Beförderung vieler schwerbe-
hinderter Kinder und Jugendlicher sowie Frauen und Män-
ner im öffentlichen Personennahverkehr sichert den Berech-
tigten ein hohes Maß an Mobilität. Die zur Beförderung ver-
pflichteten Verkehrsunternehmen erhalten als Ausgleich für
die ihnen hierdurch entstehenden Einnahmeverluste Erstat-
tungen entsprechend den §§ 148 bis 152 SGB IX. Sowohl
der Bund als auch die Länder sind hiernach – je nach an-
spruchsberechtigten Personen und Verkehrsmitteln – erstat-
tungspflichtig. Dies führt bundesweit nicht nur zu Erstat-
tungsleistungen an die Verkehrsunternehmen, sondern auch
zu teilweise aufwändigen Verwaltungs- und Finanzbezie-
hungen zwischen Bund und Ländern.

Mit den geplanten Änderungen lässt sich aus Sicht des Bun-
desrates eine deutliche Verwaltungsvereinfachung beim
Bund und bei den Ländern sowie eine Vereinfachung der
Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern
erreichen, ohne dass die zur unentgeltlichen Beförderung
verpflichteten Verkehrsunternehmen belastet würden.

Unabhängig davon solle die Eigenbeteiligung der freifahrt-
berechtigten Personen entsprechend § 145 Absatz 1 SGB IX
angemessen angepasst werden. Diese Eigenbeteiligung
solle von monatlich 5 Euro auf 6 Euro angehoben werden.
Darüber hinaus unterliege sie künftig einer Dynamisierung.

Die Erstattung wird so geregelt, dass die Länder künftig die
Erstattung der Fahrgeldausfälle im Nahverkehr auch über-
nehmen, soweit sie durch die unentgeltliche Beförderung
a) schwerbehinderter Menschen im Sinne des § 145 Absatz 1
SGB IX, die auf Grund eines Grades der Schädigungsfolgen
von mindestens 50 Anspruch auf Versorgung nach dem
Bundesversorgungsgesetz oder nach anderen Bundesge-
setzen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des
Bundesversorgungsgesetzes haben oder Entschädigung nach
§ 28 des Bundesentschädigungsgesetzes erhalten, b) deren
Begleitperson im Sinne des § 145 Absatz 2 Nummer 1
SGB IX sowie c) deren mitgeführter Gegenstände im Sinne
des § 145 Absatz 2 Nummer 2 SGB IX entstehen. Sie re-
duzieren zum Ausgleich ihre Abführungen aus dem Wert-

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratungen
über den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/10146 in seiner
110. Sitzung am 17. Oktober 2012 aufgenommen und in
seiner 114. Sitzung am 24. Oktober 2012 abgeschlossen.
Der Ausschuss hat dem Deutschen Bundestag dabei mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion der SPD die An-
nahme des Gesetzentwurfs in der vom Ausschuss geänder-
ten Fassung empfohlen.

In der 114. Sitzung hat der Ausschuss darüber hinaus einen
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, FDP und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN abgelehnt. Der Entschließungsantrag ist nachfolgend
dokumentiert:

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales wolle beschließen:

Barrierefreie Mobilität im öffentlichen Personenverkehr ist
eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen
mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben.

Ein wichtiger Baustein barrierefreier Mobilität ist die un-
entgeltliche Beförderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im
Straßenverkehr erheblich beeinträchtigter schwerbehinder-
ter Menschen im öffentlichen Personenverkehr.

Die seit dem 1.9.2011 geltende Aufhebung der 50-km-
Grenze für Freifahrten hat zu einer erheblichen Angebots-
ausweitung geführt. Die Eigenbeteiligung an den Wert-
marken für die Freifahrten liegt seit 1984 unverändert bei
5 Euro monatlich. Eine einmalige Anhebung der Eigenbe-
teiligung ist deswegen begründbar. Doch ist bei jeder Erhö-
hung der Eigenbeteiligung zu beachten, dass sie schwerbe-
hinderte Menschen, die oft über ein geringes Einkommen
verfügen, nicht überfordern darf.

Die im Gesetzentwurf des Bundesrates enthaltene – über die
einmalige Anhebung der Eigenbeteiligung hinausgehende –
Dynamisierung der Eigenbeteiligung lehnt der Ausschuss
deshalb ab. Zwar sind Grundsicherungs- und Sozialhilfebe-
zieherinnen und -bezieher sowie blinde und hilflose Men-
schen von der Eigenbeteiligung befreit, doch träfe eine sol-
che Regelung besonders schwerbehinderte Menschen mit
niedrigem Einkommen.

Der Ausschuss hat in seiner 114. Sitzung darüber hinaus
einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Vom Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
lag kein Votum vor.

Im Artikel 1 wird Nummer 1 ersatzlos gestrichen.

Nummer 2 wird Nummer 1; Nummer 3 wird Nummer 2 usw.

situation von Menschen mit Behinderungen seit März 2009,
also dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention
mehr verschlechtert als verbessert hat. Dazu zählen die
Mehrkosten in Folge der Gesundheitsreformen, überpro-
portional gestiegenen Kosten für Miete und Mietnebenkos-
ten, hohe Benzinkosten, die Absenkung der Grundsiche-
rungsleistungen durch Einführung der Regelbedarfsstufe 3
und die Erhöhung der Rundfunkgebühren für mehr als
580 000 Menschen mit Behinderungen ab 1. Januar 2013.

men. Diese reduzieren zum Ausgleich ihre Abführungen
aus dem Wertmarkenverkauf an den Bund entsprechend.
Damit entfällt Verwaltungsaufwand bei Bund und Ländern.
Der Aufwand für die Anspruchsberechtigten nach dem
BVG wird aber im Ergebnis nach wie vor vom Bund getra-
gen. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Abführungssatz
von nur 20 Prozent würde den Aufwand, den die Länder
übernehmen, überkompensieren. Deshalb wird der ange-
messene Abführungssatz von 27 Prozent festgelegt.

Berlin, den 24. Oktober 2012

Maria Michalk
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11184

Begründung:

Als eine Form des Nachteilsausgleiches und zur Verbesse-
rung der Mobilität gibt es das Recht auf unentgeltliche Be-
förderung für viele schwerbehinderte Kinder, Jugendliche,
Frauen und Männer im öffentlichen Personennahverkehr.
Die zur Beförderung verpflichteten Verkehrsunternehmen
erhalten dafür einen Ausgleich von Bund und Ländern.

Dafür müssen die freifahrtberechtigten Personen eine
Eigenbeteiligung in Form des Erwerbs einer Wertmarke
leisten, wobei bestimmte Personengruppen, insbesondere
Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen der Grundsi-
cherung die Wertmarke unentgeltlich erhalten.

Mit der Begründung, „dass sich die Nutzungsmöglichkeiten
und folglich auch der damit verbundene Wert erheblich er-
höht haben“, soll laut Gesetzentwurf der Preis der Wert-
marke um 20 Prozent (von 60 auf 72 Euro) erhöht und künf-
tig dynamisiert (also weiter erhöht) werden. Das soll zu
rund 11 Millionen Euro Mehreinnahmen für Bund und Län-
der führen.

Auch wenn sich die Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen
Nahverkehrs in den letzten Jahren verbesserten, sind sie auf
Grund zahlreicher Barrieren noch längst nicht im vollen
Umfang gewährleistet. Hinzu kommt, dass sich die Lebens-

Deswegen sind eine Erhöhung des Preises für die Wert-
marke um 20 Prozent und die Dynamisierung des Preises in
den Folgejahren nicht akzeptabel und nicht gerechtfertigt.

B. Besonderer Teil
Zu Nummer 1

Die Regelung betrifft die Dynamisierung der Eigenbeteili-
gung. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Aufrundung auf
den nächsten durch zwölf teilbaren Eurobetrag ist fachlich
nicht geboten. Daher wird die Aufrundung im Interesse der
schwerbehinderten Menschen auf den nächsten vollen Euro-
betrag begrenzt.

Zu den Nummern 2 und 3

Es handelt sich um die Korrekturen redaktioneller Versehen
im Gesetzentwurf.

Zu Nummer 4

Die Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung
schwerbehinderter Menschen, die nach dem Bundesversor-
gungsgesetz (BVG) anspruchsberechtigt sind, werden der-
zeit vom Bund getragen. Nach dem Gesetzentwurf werden
diese Aufwendungen künftig von den Ländern übernom-

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