BT-Drucksache 17/11116

Bewertung des Vorschlages der Europäischen Kommission zur Änderung der Honigrichtlinie (2011/110/EG) und dessen Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht für GVO-Pollen im Honig

Vom 19. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11116
17. Wahlperiode 19. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch,
Cornelia Behm, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bewertung des Vorschlages der Europäischen Kommission zur
Änderung der Honigrichtlinie (2011/110/EG) und dessen Auswirkungen
auf die Kennzeichnungspflicht für GVO-Pollen im Honig

Nach dem sogenannten Honig-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)
vom 6. September 2011 ist Honig nicht verkehrsfähig, wenn er Bestandteile von
Gentechpflanzen enthält, die bzw. deren Pollen in der EU nicht als Lebensmittel
zugelassen sind. Damit gilt auch für Honig die absolute Nulltoleranz gegenüber
nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Gleichzeitig
entschied der Europäische Gerichtshof, dass GVO-Pollen im Honig wie eine
Zutat zu bewerten ist und entsprechende Kennzeichnungsregeln wie bei anderen
Lebensmitteln anzuwenden sind.

Die Europäische Kommission hat am 21. September 2012 einen Vorschlag zur
Änderung der Honigrichtlinie (2001/110/EG) als Konsequenz aus dem EuGH-
Urteil vorgelegt. Damit soll klargestellt werden, dass Pollen keine Zutat im
Honig ist, um eine generelle Zutatendeklarationspflicht für Honig mit entspre-
chenden Umsetzungsproblemen in der Praxis zu vermeiden.

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Regelung, über die
Honigrichtlinie eine Zutatendeklaration für Honig zu vermeiden, ist aber höchst
problematisch. Wenn Pollen nicht mehr als Zutat, sondern als Bestandteil von
Honig gewertet wird, entfällt damit bei einem Gehalt von unter 0,9 Prozent aus
Pollen von GVO bezogen auf den gesamten Honig die Kennzeichnungspflicht
als Produkt mit gentechnisch veränderten Bestandteilen. Diese Regelung würde
daher dazu führen, dass sogar Rapshonig, dessen Pollen und weitere Bestand-
teile ganz oder weitgehend von GVO-Raps stammen, nicht gekennzeichnet wer-
den müsste, weil der Pollenanteil am Honig weniger als 0,5 Prozent beträgt. Bis-
lang wurde allgemein bei der Kennzeichnungspflicht seit dem EuGH-Urteil von
viel strengeren Maßstäben ausgegangen, das heißt der Bezugspunkt für die
Kennzeichnungsschwelle von 0,9 Prozent ist bislang der Anteil von GVO-
Pollen am Gesamtpollen bzw. sogar der Anteil des GVO-Pollens am Pollen der
selben Spezies, wie es der Logik der EU-Verordnung über genetisch veränderte

Lebensmittel und Futtermittel entspricht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Umsetzung des Vorschla-
ges der Europäischen Kommission vom 21. September 2012 zur Änderung
der Vorschriften über Honig zur Folge hätte, dass Honige mit GVO-Pollen in

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der Praxis nicht mehr gekennzeichnet werden müssten, da als Folge des EU-
Kommissionsvorschlages (wonach Pollen nicht als Zutat sondern als natür-
licher Bestandteil von Honig definiert wird) der Bezugspunkt für die Kenn-
zeichnungsschwelle von 0,9 Prozent der GVO-Pollengehalt im Verhältnis
zum Honig insgesamt wäre, wobei der natürliche Pollenanteil im Honig aber
weniger als 0,5 Prozent beträgt?

Wenn nein, warum nicht?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung die wesentlichen Punkte des Vorschlages
der Europäischen Kommission vom 21. September 2012 zur Änderung der
Vorschriften über Honig?

Sieht die Bundesregierung in dem Vorschlag die Interessen der Imkerei und
des Verbraucherschutzes angemessen berücksichtigt, insbesondere hinsicht-
lich des Grundsatzes der Wahlfreiheit der Produktionsweise bzw. in Bezug
auf die Möglichkeit, Produkte mit GVO-Bestandteilen zu vermeiden?

3. Wurde aus Sicht der Bundesregierung die Intention des Honig-Urteils des
Europäischen Gerichtshofes, Honig mit Verunreinigungen durch GVO-Pol-
len für die Verbraucher zu kennzeichnen (bzw. bei Pollen von nicht zugelas-
senen GVO aufgrund der Nulltoleranzregel vom Markt fernzuhalten) durch
den Vorschlag der Europäischen Kommission bestmöglich, verbraucher-
freundlich und im Sinne der Imkerei umgesetzt?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung?

4. Inwieweit teilt die Bundesregierung die in dem vorgelegten Vorschlag der
Europäischen Kommission vertretene Auffassung, wonach durch den Rege-
lungsvorschlag „im Ergebnis keine wesentlichen Änderungen für Interes-
sensgruppen erwartet [werden], weshalb keine Folgenabschätzung vorge-
nommen wurde“ (siehe S. 5 des Vorschlages)?

5. Inwieweit sieht die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kom-
mission als kongruent mit dem bisherigen EU-Regelungsrahmen in Bezug
auf gentechnisch veränderte Lebensmittel an, wonach GVO-Bestandteile
nicht natürlichen Ursprungs sind und daher die Notwendigkeit einer Risiko-
überprüfung, der Zulassung und der Kennzeichnung besteht, während der
EU-Kommissionsvorschlag zur Änderung der Honigrichtlinie impliziert,
dass auch GVO-Pollen ein natürlicher Bestandteil von Honig ist und infolge
der vorgeschlagenen Regelung faktisch nicht kennzeichnungspflichtig wäre?

6. Welche Auswirkungen hätte nach Auffassung der Bundesregierung die Um-
setzung des EU-Kommissionsvorschlages für die nach aktueller Rechtslage
(entsprechend dem Honig-Urteil des EuGH) implizit bestehenden Schaden-
ersatzansprüche von Imkern gegenüber Verursachern von GVO-Verunreini-
gungen ihres Honigs, sobald der Anteil von GVO-Pollen am Gesamtpollen
mindestens 0,9 Prozent beträgt und damit nach verbreiteter Interpretation des
EuGH-Urteils eine Kennzeichnungspflicht besteht?

7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass durch die vorgeschlagene Än-
derung der Honigrichtlinie eine Entlastung der Lebensmittelhersteller/-händ-
ler in der EU insofern erreicht wird, dass Honigimporte aus Nicht-EU-Staa-
ten mit GVO-Anbau nicht mehr auf Verunreinigungen mit in der EU nicht als
Lebensmittel zugelassenen GVO getestet werden müssten?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kommis-
sion vor dem Hintergrund, dass Handel und Verbraucher unabhängig von der
Regelung von Kennzeichnungspflichten bzw. der Frage der Verkehrsfähig-
keit auf Ware ohne nachweisbare GVO-Verunreinigungen bestehen und
Honig mit GVO-Verunreinigungen für Imkerinnen und Imker damit nicht

oder nur mit hohen Preisabschlägen zu vermarkten wäre?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11116

9. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, die der-
zeitige verbraucherfreundliche Rechtspraxis der Kennzeichnungspflicht für
GVO-Pollen im Honig beizubehalten, wonach Grundlage für die Kenn-
zeichnungspflicht der Anteil von GVO-Pollen am Gesamtpollen bzw. sogar
der Anteil von GVO-Pollen am im Honig enthaltenen Pollen der jeweiligen
Pflanzenart ist?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung den vorliegenden Vorschlag der Europä-
ischen Kommission zur Änderung der Honigrichtlinie hinsichtlich des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vor dem Hintergrund, dass die (durch
das sogenannte Honig-Urteil des EuGH ausgelöste) Deklarationspflicht von
Pollen als „Zutat“ von Honig nach Rechtsauffassung der deutschen Imker-
verbände (siehe Stellungnahme vom 8. Oktober 2012) auch durch den ein-
fachen Etikettenaufdruck „enthält Blütenpollen“ erfüllt wäre oder durch
eine Aufnahme von Honig in die Liste der Lebensmittel, welche von einer
verpflichtenden Angabe einer Zutatenliste ausgenommen sind, wie z. B.
Käse, vollständig vermieden werden kann?

11. Inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der aktuelle
Vorschlag der Europäischen Kommission bezüglich der Zutatendeklara-
tion/Kennzeichnung von Honig mit GVO-Pollen verworfen und die Euro-
päische Kommission aufgefordert wird, einen neuen Vorschlag entspre-
chend den in Frage 10 genannten Alternativmöglichkeiten vorzulegen?

12. Inwiefern und mit welchen konkreten Aktivitäten hat sich die Bundesregie-
rung auf EU-Ebene aktiv bei den Beratungen mit der Europäischen Kom-
mission eingebracht bezüglich einer Klärung und regulatorischen Bewälti-
gung der Folgen des EuGH-Urteils?

Welche genauen Zielsetzungen und Positionen hat die Bundesregierung da-
bei verfolgt, und inwieweit wurden Vertreter der deutschen Imkerverbände
in diesem Prozess konsultiert?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation der Imker und deren An-
spruch auf Maßnahmen, die eine gentechnikfreie/ökologische Produktion
ermöglichen, vor dem Hintergrund der in § 1 des Gentechnikgesetzes ga-
rantieren Koexistenz von konventioneller, ökologischer und Gentechnik
nutzender Produktion?

14. Inwieweit, wann und auf welche Weise plant die Bundesregierung, den
Schutz der Imkerei vor GVO-Verunreinigungen ihrer Produkte in Zukunft
in der Gentechnikgesetzgebung zu berücksichtigen?

Durch welche konkreten Regelungen und Maßnahmen will die Bundesre-
gierung sicherstellen, dass im Falle eines kommerziellen Anbaus von GVO
in Deutschland nach wie vor Honig ohne Verunreinigungen mit GVO-Pol-
len produziert werden kann?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung das mögliche Szenario, dass sich Imker
aus Gebieten mit GVO-Anbau in z. B. gentechnikfreie Regionen zurückzie-
hen und damit die Bestäubung von Kulturpflanzen in GVO-Anbaugebieten
gefährdet wird?

Berlin, den 19. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und die Fraktion

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