BT-Drucksache 17/11115

Bewertung konventionell gezüchteter Kulturpflanzen mit Herbizidtoleranz

Vom 19. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11115
17. Wahlperiode 19. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Ebner, Cornelia Behm, Bärbel Höhn, Undine Kurth
(Quedlinburg), Nicole Maisch, Friedrich Ostendorff, Markus Tressel und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bewertung konventionell gezüchteter Kulturpflanzen mit Herbizidtoleranz

Durch gentechnische Veränderung von Nutzpflanzen wie Soja, Mais, Raps oder
Zuckerrüben wurde in den letzten Jahren in diesen Pflanzen eine Resistenz bzw.
Toleranz gegen bestimmte Herbizidwirkstoffe wie z. B. Glyphosat oder Glufo-
sinat etabliert. Wie aktuelle Erhebungen aus den USA belegen, hat der Anbau
herbizidtoleranter Kulturpflanzen nicht nur zu einer erheblichen Steigerung der
ausgebrachten Herbizidmengen beigetragen. Durch den massiven Selektions-
druck, der mit der wiederholten Anwendung der sogenannten Komplementär-
herbizide verbunden ist, und durch Auskreuzung der genetisch verankerten Her-
bizidtoleranz auf verwandte Wildarten haben sich inzwischen über 100 „Super-
unkräuter“ entwickelt, die ebenfalls nicht mehr mit den entsprechenden Wirk-
stoffen bekämpft werden können und inzwischen erhebliche Probleme für die
Landwirtschaft in den betroffenen Ländern verursachen.

Seit einigen Jahren sind international auch Kulturpflanzen auf dem Markt, bei
denen die Herbizidtoleranz auf dem Weg der traditionellen Züchtung bzw. durch
Mutagenesezüchtung erzeugt wurde. Rapssaatgut aus der von BASF ent-
wickelten „Clearfield“-Serie mit einer Toleranz gegen den Wirkstoff Imazamox
wird aktuell auch in Deutschland angeboten. Zahlreiche landwirtschaftliche
Forschungseinrichtungen und Beratungsdienste warnen vor einem Anbau dieser
Rapssorte, da angesichts einer Vielzahl einheimischer Kreuzblütler von einer
schnellen Auskreuzung der Herbizidtoleranz mit unabsehbaren Folgen ausge-
gangen werden muss.

Während das Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen in der
EU zumindest formal eine Prüfung möglicher Koexistenzprobleme zwischen
herbizidtoleranten GVO-Pflanzen (GVO = gentechnisch veränderte Organis-
men) und konventionellen oder ökologischen Sorten vorsieht, gibt es im europä-
ischen Saatgutrecht bisher keine entsprechenden Prüfungsverfahren auch für
konventionell gezüchtete Sorten mit Herbizidtoleranz.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung das Risiko einer Auskreuzung der im
„Clearfield“-System vorliegenden Mutation für Herbizidtoleranz in ver-
wandte Wildarten bei den verschiedenen Kulturpflanzen, die derzeit auf dem
Markt bzw. in der Entwicklung sind (Mais, Raps, Sonnenblumen), und mit
welchen wissenschaftlichen Belegen begründet die Bundesregierung diese
Bewertung?

Drucksache 17/11115 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Welche Konsequenz zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass
zahlreiche landwirtschaftliche Forschungseinrichtungen und Beratungs-
dienste von einem Anbau der „Clearfield“-Sorten abraten?

3. Gilt die Einschätzung der Bundesregierung, wonach der Anbau von gen-
technisch veränderten Pflanzen mit Herbizidtoleranz als ursächlich für die
steigende Zahl herbizidtoleranter Wildkräuter (Superunkräuter) anzusehen
ist (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
SPD auf Bundestagsdrucksache 17/5027), auch für konventionell gezüch-
tete herbizidtolerante Sorten, und wenn ja, welche konkreten Maßnahmen
leitet die Bundesregierung aus dieser Einschätzung ab bzw. wird sie ablei-
ten?

4. Welche Daten liegen der Bundesregierung zur Dimension des Anbaus von
konventionell gezüchteten Pflanzen mit Herbizidtoleranz in Deutschland
und der EU vor (bitte nach Anbaufläche pro Pflanzensorte in Hektar und
Region/Land aufschlüsseln), und inwieweit beabsichtigt die Bundesregie-
rung – falls keine belastbaren Daten vorliegen sollten – entsprechende An-
gaben zu erfassen und auszuwerten?

5. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen,
dass für konventionell gezüchtete Kulturpflanzen mit Herbizidtoleranz,
deren Anbau mit massiven Koexistenzproblemen verbunden sein kann,
ähnliche Zulassungsverfahren etabliert werden wie für gentechnisch ver-
änderte Organismen mit der gleichen Eigenschaft?

Wenn nein, warum nicht?

6. Inwieweit werden bei der Prüfung und Zulassung neuer Pflanzensorten
durch das Bundessortenamt auch negative Auswirkungen dieser Sorten, wie
eine hohe Wahrscheinlichkeit der Auskreuzung von Herbizidtoleranzen,
erfasst und bewertet, bzw. inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür
einsetzen, dass die Sortenprüfungs- und Zulassungsverfahren entsprechend
erweitert werden?

7. Inwieweit plant die Bundesregierung, einen eventuellen Anbau von kon-
ventionell gezüchteten Pflanzen mit Herbizidtoleranz in Deutschland durch
gezielte Monitoring- oder Resistenzmanagementprogramme zu begleiten?

8. Inwieweit berücksichtigt die Bundesregierung die Problematik des Anbaus
herbizidtoleranter Pflanzen (gentechnisch verändert oder konventionell ge-
züchtet) und der damit in der Regel verbundenen Anwendung der Komple-
mentärherbizide im Rahmen des Nationalen Aktionsplans für die nachhal-
tige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und bei der Definition der
guten fachlichen Praxis auch vor dem Hintergrund der anstehenden Zulas-
sungen herbizidtoleranter gentechnisch veränderter Pflanzen für den Anbau
in der EU?

9. In welchem Umfang und aus welchen Titeln fördert die Bundesregierung
die Entwicklung oder Optimierung von Anbausystemen oder konventionell
gezüchteten herbizidtoleranten Pflanzen (bitte nach Titel, Projektbezeich-
nung, Projektlaufzeit, Volumen, Zuwendungsempfänger aufschlüsseln)?

10. In welchem Umfang und aus welchen Titeln fördert die Bundesregierung
die Entwicklung oder Optimierung von Anbausystemen, die ohne chemi-
schen Pflanzenschutz eine ausreichende Beikrautregulierung erzielen (bitte
nach Titel, Projektbezeichnung, Projektlaufzeit, Volumen, Zuwendungs-
empfänger aufschlüsseln)?

Berlin, den 19. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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