BT-Drucksache 17/11072

Wildtierhandel und -haltung in Deutschland

Vom 17. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11072
17. Wahlperiode 17. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone,
Gabriele Groneberg, Elvira Drobinski-Weiß, Petra Ernstberger, Iris Gleicke,
Ulrich Kelber, Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Rita Schwarzelühr-
Sutter, Kerstin Tack, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Wildtierhandel und -haltung in Deutschland

Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes werden jährlich zwischen
440 000 und 850 000 lebende Reptilien nach Deutschland importiert, hinzu
kommen 220 000 bis 380 000 Süßwasserfische – die Importzahlen für Meeres-
zierfische, Amphibien oder nichtheimische Säugetiere für den Heimtierhandel
werden bislang nicht gesondert erfasst. Noch immer handelt es sich bei einem
erheblichen Anteil der Importe um Naturentnahmen (Wildfänge) – oft aus Ent-
wicklungsländern, die kaum in der Lage sind, Umweltverträglichkeitsprüfun-
gen oder Bestandsstudien durchzuführen. So trägt der Handel mit Wildtieren
(d. h. nichtdomestizierten Tieren) zur Bedrohung immer neuer Arten bei, wie
beispielsweise dem türkisen Zwerggecko aus Tansania, der kürzlich auf der In-
ternationalen Roten Liste als vom Aussterben bedroht eingestuft wurde, und
dem stark gefährdeten Banggai-Kardinalbarsch aus Indonesien.

Immer mehr Wissenschaftler geben die Fundorte neuentdeckter Arten nicht
mehr bekannt, um ein gezieltes Absammeln für den Handel zu erschweren. So
kam es schon wiederholt vor, dass neu entdeckte Arten u. a. durch den Heim-
tierhandel in ihrem Bestand gefährdet wurden.

Lediglich für geschützte Arten liegen Importzahlen auf Artenebene vor, für un-
geschützte Arten ist der Handel weder reglementiert noch spezifisch registriert.
Gerade diese fehlenden Handelsdaten erschweren eine Unterschutzstellung ge-
fährdeter Arten im Rahmen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens
(Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and
Flora, CITES). Hinzu kommt, dass eine Unterschutzstellung durch CITES oft
eine Verlagerung des Marktes auf noch ungeschützte Arten hat.

Weder der Kauf noch die Haltung von Wildtieren in Privathand sind in
Deutschland, mit Ausnahme geschützter Tierarten, geregelt. Zwar gibt es in sie-
ben der 16 Bundesländer bislang Regelungen zur Haltung gefährlicher Wild-
tiere in Privathand, diese sind jedoch nicht einheitlich und in neun Bundeslän-
dern fehlt jegliche Regelung. Der Verkauf selbst vom Aussterben bedrohter
Arten (sofern noch ungeschützt) bzw. von Arten, die äußerst hohe Ansprüche
an die Haltung stellen, ist Jedermann ohne Vorbedingungen möglich.

Gerade beim Kauf von Wildtieren auf Börsen, im Baumarkt oder im Internet
bleibt eine umfassende Beratung der künftigen Tierhalter aus. Entsprechend
unterschätzen viele Halter von Wildtieren die Herausforderungen und Kosten
einer dauerhaft tierschutzgerechten Unterbringung und Versorgung. Berichte
über ausgesetzte oder entkommene Schlangen, Echsen oder Skorpione häufen

Drucksache 17/11072 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

sich. Tierheime und die wenigen vorhandenen spezialisierten Auffangstationen
für Wildtiere haben längst ihre Aufnahmekapazitäten überschritten.

Wir fragen die Bundesregierung:

Artenschutz

1. a) Wie viele und welche lebenden Exemplare CITES-geschützter Tiere wur-
den in den letzten zehn Jahren nach Deutschland für kommerzielle Zwe-
cke eingeführt (bitte Angaben nach Gattungen/Arten)?

b) Wie viele davon waren Wildentnahmen, wie viele stammten offiziell aus
Farmen, „Ranching“-Einrichtungen oder Nachzuchten?

Wie viele davon waren für den Heimtierhandel bestimmt?

c) Wie viele geschützte Tiere werden nach Angaben der oberen/unteren Na-
turschutzbehörden in Deutschland in Privathand gehalten?

Gibt es Schätzungen, wie viele Wildtiere ungeschützter Arten in deut-
schen Haushalten leben?

2. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, den Import von Wildfängen zu
begrenzen?

3. a) Wie beurteilt die Bundesregierung neue Studien*, nach denen z. B. 80
Prozent der als Nachzuchten exportierten Grüner Baumpythons aus Indo-
nesien in Wirklichkeit Wildfänge sind?

b) Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen fälschlicher-
weise als Nachzuchten gekennzeichnete Tiere nach Deutschland einge-
führt wurden (bitte Angaben nach Stückzahlen, Tierarten und Herkunfts-
länder)?

c) Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung national und internatio-
nal, um einer solchen Falschdeklarierung geschützter Tiere als angebli-
che Nachzuchten entgegenzuwirken?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass derzeit die EU-Arten-
schutzbehörden keine Handhabe gegen Verkauf und Haltung von Tierarten
haben, die in ihrem Herkunftsland national geschützt sind, für die es aber in-
ternational keine Handelsbeschränkungen gibt?

5. a) Inwieweit sieht die Bundesregierung eine Mitverantwortung des Heim-
tierhandels an der Ausbreitung potentiell invasiver Arten?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung in Anbetracht der Tatsache, dass die in
Deutschland am häufigsten gehaltene Schlange, die Kornnatter, auf Gran
Canaria bereits die dort heimische Eidechse bedroht und dass Guppys
und Goldfische von der IUCN (International Union for Conservation of
Nature) als Invasoren mit hohem Schadpotential eingestuft werden, die
Gefahren für die hiesige Flora und Fauna, die von nichtheimischen Wild-
tieren, die als Haustier gehalten werden, ausgehen?

c) Welche heimtierrelevanten Arten sind nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in Deutschland bereits invasiv oder haben zumindest stabile Popula-
tionen entwickelt?

d) Welche Lösungsansätze verfolgt die Bundesregierung im Rahmen der ak-
tuellen Diskussionen über invasive Arten auf EU-Ebene?

* Lyons, J. & Natusch, D. (2011): Wildlife laundering through breeding farms: Illegal harvest, popula-
tion declines and a means of regulating the trade of green pythons (Morelia viridis) from Indonesia.
Biological Conservation 144 (12): 3073–3081.

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Tierschutz

6. a) Welche Informationen liegen der Bundesregierung zu Tierschutzmiss-
ständen auf Tierbörsen vor?

b) Inwieweit haben sich die 2006 veröffentlichten Tierbörsen-Leitlinien
des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz (BMELV) bewährt?

7. a) Inwiefern sieht die Bundesregierung die Kennzeichnung von Tierbörsen
laut der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tier-
schutzgesetzes, „dass Tiere durch Privatpersonen feilgeboten und unter-
einander getauscht werden“ in der Praxis gegeben, insbesondere auf sol-
chen Veranstaltungen mit regionalem oder gar überregionalem Einzugs-
gebiet?

b) Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf und rechtliche Möglichkei-
ten, um gewerbsmäßige Händler von Tierbörsen sowie das Anbieten
von Wildfängen auszuschließen?

c) Sieht die Bundesregierung rechtliche Möglichkeiten, die Größe von Tier-
börsen einzuschränken, um eine bessere Kontrolle von Tierschutzauf-
lagen zu ermöglichen?

8. a) Wie viele und welche Auffangstationen für Wildtiere gibt es nach
Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland?

b) Wie viele ausgesetzte, entwichene oder beschlagnahmte Wildtiere aus
Privathand wurden dort nach Kenntnis der Bundesregierung in den letz-
ten Jahren aufgenommen, wie viele kommen in Tierheimen unter?

c) Gibt es Schätzungen, wie hoch die Kosten sind, die durch entkommene
nichtheimische Wildtiere entstanden sind (durch Feuerwehr- und Poli-
zeieinsätze o. Ä.)?

9. In welcher Höhe entstanden durch die Unterbringung in Tierheimen/Auf-
fangstationen nach Kenntnis der Bundesregierung Kosten (Angaben nach
Kostenübernahme durch Auffangstationen oder Kommunen)?

Gesundheitsaspekte und Verbraucherschutz

10. Inwiefern sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf angesichts einer
steigenden Anzahl reptilienassoziierter Salmonellosen, insbesondere bei
Kleinkindern und Säuglingen, während sonstige Salmonellosen (z. B.
durch Hühnereier) rückläufig sind (laut Auskunft des Nationalen Referenz-
zentrums für Salmonellen – Robert Koch-Institut)?

11. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, eine bundesweit einheitliche
Regelung zu schaffen, welche die Haltung gefährlicher Wildtiere in Privat-
hand reguliert?

Illegaler Handel

12. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die in den letzten
Jahren nach Europa und Deutschland illegal eingeführten Arten vor (Be-
schlagnahmen, Handelswege, Verkauf im Rahmen von Tierbörsen)?

Berlin, den 17. Oktober 2012

Dr. Frank Walter Steinmeier und Fraktion

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