BT-Drucksache 17/1099

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dagdelen, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/774- Nachhaltige Hilfe für Haiti: Entschuldung jetzt - Süd-Süd-Kooperation stärken b) zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/791- Haiti entschulden und langfristig beim Wiederaufbau unterstützen

Vom 18. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1099
17. Wahlperiode 18. 03. 2010

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(19. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Sevim Dag˘delen, Jan van Aken,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/774 –

Nachhaltige Hilfe für Haiti: Entschuldung jetzt – Süd-Süd-Kooperation stärken

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Ute Koczy,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/791 –

Haiti entschulden und langfristig beim Wiederaufbau unterstützen

A. Problem

Angesichts der vielen Menschen, die bei dem Erdbeben am 12. Januar 2010 in
Haiti ihr Leben verloren haben, der 300 000 Verletzten, einer Million Menschen
ohne Obdach und des Ausmaßes der Zerstörung erwächst Deutschland und allen
Geberländern eine langfristige Verpflichtung, nachhaltige Aufbauhilfe zu leis-
ten. Der Wiederaufbau des Landes wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen und
bis zu 15 Mrd. US-Dollar kosten. Die Bundesregierung und andere internatio-
nale Geber müssen langfristig Verantwortung übernehmen und die haitianische
Regierung beim Aufbau effektiver Versorgungsstrukturen für diese Menschen
sowie beim Übergang hin zu einer nachhaltigen Entwicklung Haitis unter-
stützen.

Die Schulden Haitis müssen sofort vollständig und bedingungslos erlassen wer-
den und die Aufbauhilfe darf nicht zu neuer Verschuldung führen. Daher ist es
entscheidend, dass die Bundesrepublik Deutschland und andere Geldgeber
einen umfassenden, auf Dauer angelegten und nicht auf Krediten, sondern Hil-
fen beruhenden „Marshall-Plan“ für Haiti entwickeln.

Drucksache 17/1099 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/774 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

Zu Buchstabe b

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 17/791 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Stimmenthaltung der Fraktion der
SPD

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1099

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 17/774 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 17/791 abzulehnen.

Berlin, den 3. März 2010

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dagmar Wöhrl
Vorsitzende

Klaus Riegert
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Thilo Hoppe
Berichterstatter

Drucksache 17/1099 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Klaus Riegert, Dr. Sascha Raabe, Harald Leibrecht,
Heike Hänsel und Thilo Hoppe

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Anträge auf den Druck-
sachen 17/774 und 17/791 in seiner 24. Sitzungen am 25.
Februar 2010 zur Federführung an den Ausschuss für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und zur Mit-
beratung an den Auswärtigen Ausschuss, den Haushaltsaus-
schuss sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Beide Anträge gehen vor dem Hintergrund der massiven
menschlichen Opfer und Zerstörungen der Infrastruktur nach
dem Erdbeben auf Haiti im Januar 2010 von der Notwendig-
keit einer massiven und langfristigen, insbesondere finan-
ziellen Hilfe aus.

Dabei kritisiert die Fraktion DIE LINKE. zugleich den Um-
stand, dass sich im Kontext der dringend benötigten Hilfe
der Aufbau einer beträchtlichen militärischen Präsenz der
USA vollzieht. Die starke militärische Präsenz der USA in
Haiti habe die Ankunft von Hilfe aus anderen Ländern mehr-
fach behindert bzw. verzögert.

Die Fraktion begrüßt die Initiative des südamerikanischen
Staatenbundes UNASUR zur Unterstützung Haitis, verweist
darauf, dass durch das seit Dezember 1998 andauernde
Engagement medizinischer Fachkräfte aus Kuba in vielen
haitianischen Gemeinden erstmals ein Zugang zu medizi-
nischer Versorgung ermöglicht wurde und würdigt dieses
Engagement als international einmaliges und unterstützens-
wertes Beispiel der Süd-Süd-Solidarität.

Von der Bundesregierung wird erwartet, Haiti in die Länder-
liste für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aufzu-
nehmen.

Internationale Gläubiger, insbesondere multilaterale Ban-
ken, sollten eine sofortige, vollständige und bedingungslose
Entschuldung Haitis gewähren und die Katastrophen- und
Aufbauhilfe sollte ausschließlich in Form von Zuschüssen
gewährt werden.

Die Koordinierung der internationalen Hilfszusagen durch
die Vereinten Nationen müsse in enger Abstimmung mit der
haitianischen Regierung erfolgen, die militärische Präsenz
der USA in Haiti beendet, die Entsendung einer EU-Militär-
mission gestoppt und die UN-Mission MINUSTAH durch
eine zivile Aufbaumission ersetzt werden.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht im Vor-
dergrund, dass Bundesregierung und internationale Gemein-
schaft langfristige Verantwortung übernehmen. Dies sei für
Deutschland nur möglich, wenn bei den laufenden Haus-
haltsverfahren ein Sondertitel „Wiederaufbauhilfe nach dem
Erdbeben in Haiti“ mit 600 Mio. Euro innerhalb der nächsten
fünf Jahre in den Einzelplan 23 eingestellt werde. Es sei ent-
scheidend, dass ein nicht auf Krediten, sondern auf Hilfen
beruhender „Marshall-Plan“ für Haiti entwickelt werde. Nur
ein Erlass aller bilateralen Schulden sei eine verlogene Maß-

nahme, da Haiti bereits seit Juni 2009 keine bilateralen
Schulden mehr gegenüber einem der G7-Staaten habe. Es
gehe um eine sofortige umfassende Schuldenstreichung.

Bereits vor der Katastrophe galt Haiti als gescheiterter Staat,
gekennzeichnet von Gewalt, nicht funktionierenden staat-
lichen Strukturen, politischer Instabilität, Hungerkrisen und
ökologischer Zerstörung. Entscheidend für den Wieder-
aufbau ist es daher, dass dieser eng mit dem Aufbau funktio-
nierender staatlicher Strukturen verknüpft wird. Sicherheit,
Logistik und Koordination dürfen nicht allein der inter-
nationalen Gemeinschaft überlassen werden. Ein wesent-
liches Element der Wiederaufbauhilfe muss darin bestehen,
die Selbstorganisation der Gesellschaft zu stärken.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 12. Sitzung am
3. März 2010 und der Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe in seiner 9. Sitzung am 3. März 2010
beraten. Die Ausschüsse empfehlen mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. den
Antrag abzulehnen.

Der Auswärtige Ausschuss hat kein Votum zu dem Antrag
abgegeben.

Zu Buchstabe b

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 12. Sitzung und der
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe in sei-
ner 9. Sitzung am 3. März 2010 beraten.

Der Haushaltsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung
der Fraktionen SPD und DIE LINKE. den Antrag abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD, den Antrag abzulehnen.

Der Auswärtige Ausschuss hat kein Votum zu dem Antrag
abgegeben.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Zu Buchstabe a

Der federführende Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung hat den Antrag auf Drucksa-
che 17/774 in seiner 8. Sitzung am 3. März 2010 beraten. Er
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion DIE LINKE., den Antrag abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/1099

Zu Buchstabe b

Der federführende Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung hat den Antrag auf Druck-
sache 17/791 in seiner 8. Sitzung am 3. März 2010 beraten.
Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD den Antrag abzulehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. setzt sich dafür ein, dass sowohl
die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit aufgenommen
als auch, dass ein Sondertitel für Haiti für mehrere Jahre ge-
schaffen wird. Es sei entscheidend, dass es eine Neuausrich-
tung des Wiederaufbaus in Haiti gebe. Die Fraktion halte es
für wichtig, dass die selbsttragenden Strukturen gestärkt
werden und dass es Haiti gelingt, zu guten staatlichen Struk-
turen zu kommen, um die Souveränität des Landes zurück-
zugewinnen. Die in Haiti vorhandenen Ansätze solcher
Strukturen müssten gestärkt und nicht wieder von außen mit
Hilfe überfahren werden, die dann nicht nachhaltig sei.

Entscheidend sei die umfassende Entschuldung des Landes
und dass alle Hilfe, die jetzt gegeben werde, nicht in Form
von Krediten, sondern in Form von Zuschüssen geleistet
werde. Entscheidend sei auch, zu respektieren, welche Ar-
beit von anderen Ländern in Haiti durchgeführt werde. Des-
halb setze sich die Fraktion unter anderem auch für eine
trilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit kubanischen
Projekten ein, weil Kuba mit am längsten in Haiti aktiv sei
und eine gute Arbeit über Jahrzehnte im medizinischen Be-
reich geleistet habe. Die Bundesregierung solle dem Beispiel
der norwegischen Regierung folgen, die bereits ein Abkom-
men mit Kuba zur Unterstützung der kubanischen Mediziner
in Haiti abgeschlossen habe. Entscheidend sei auch, dass es
zu einer Entmilitarisierung des Landes komme. Wichtig sei
es, dass vor allem zivile Strukturen gestärkt würden. Man
setze sich auch für ein Ende der UN-Mission MINUSTAH
ein. Die 400 Mio. Euro jährlich für MINUSTAH seien mehr
als die gesamte EU in den nächsten Jahren in Haiti an Auf-
bauhilfe leisten wolle.

Man müsse sich auch über die Sicherheitslage in Haiti im
Klaren sein. Während einerseits Medien von zahlreichen
Plünderungen und einer katastrophalen Sicherheitslage be-
richteten, gäbe es am selben Tag Pressemeldungen von der
Welthungerhilfe und anderen Entwicklungsorganisationen,
die besagten, die Sicherheitslage sei erstaunlich ruhig ange-
sichts des großen Ausmaßes der Katastrophe.

Die Fraktion lehne sich an Aufrufe an, die es sowohl aus Ha-
iti selbst gebe, unter anderem von der bekanntesten Nichtre-
gierungsorganisation (NGO) PAPDA, die sich für eine Ent-
militarisierung Haitis einsetze, sowohl was MINUSTAH
angehe als auch die enorme Präsenz des US-Militärs, also
gegen eine Besetzung und für eine selbstbestimmte Entwick-
lung Haitis, als auch an einen internationalen Aufruf, der in
Montreal Ende Januar 2010 verabschiedet wurde, wo sich
Hunderte von NGOs aus aller Welt für ein Ende der Militär-
besetzung ausgesprochen hätten. Dem hätten sich zahlreiche
Friedensnobelpreisträger angeschlossen, unter anderem
Adolfo Pérez Esquivel. Die Fraktion plädiere dafür, einen
Neuanfang und eine Ausrichtung auf den zivilen Wiederauf-
bau in Haiti durchzuführen. In diesem Zusammenhang un-
terscheide sich der eigene Antrag von dem Antrag der Frak-

tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Deswegen würde dieser
auch abgelehnt werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstreicht,
dass man es mit einer großen Herausforderung zu tun habe,
die nur vergleichbar sei mit der Herausforderung nach der
Tsunami-Katastrophe. Leider sei die Zahl der Todesopfer so-
gar schon höher. Es habe damals einen Sondertitel „Wieder-
aufbau nach der Tsunami-Katastrophe“ gegeben. Aus die-
sem Grunde fordere die Fraktion, einen solchen Sondertitel
einzurichten und angemessen auszustatten, mit 600 Mio.
Euro auf fünf Jahre verteilt. Die Fraktion fordere einen kom-
pletten Schuldenerlass. Die Bundesrepublik Deutschland
habe keine Schulden mehr mit Haiti. Es habe eine Presse-
erklärung nach der G7-Konferenz gegeben, dass die G7-
Länder einen kompletten Schuldenerlass befürworten. Haiti
hätte aber gar keine Schulden bei diesen Ländern. Das sei ein
PR-Gag gewesen. Notwendig sei, dass sich die G7-Länder
und auch Deutschland stark machten in den multilateralen
Organisationen für einen kompletten Erlass der multilatera-
len Schulden. Gerade bei der Interamerikanischen Entwick-
lungsbank gebe es noch Schuldentitel. Beim Wiederaufbau
von Haiti solle man auch nicht neue Kredite vergeben, son-
dern mit Zuschüssen arbeiten. Man brauche jetzt einen intel-
ligenten Übergang von der Nothilfe zur entwicklungsorien-
tierten Entwicklungshilfe bis hin zur langfristig angelegten
Entwicklungszusammenarbeit unter starker Beteiligung der
haitianischen Bevölkerung.

Das große Problem bestehe darin, dass die staatlichen Struk-
turen in Haiti zerstört seien. Die Gebäude seien zusammen-
gestürzt, aber auch die staatlichen Institutionen funktionier-
ten nicht mehr. Deshalb sei eine starke Rolle der Vereinten
Nationen auch im Sicherheitsbereich notwendig. Tausende
von Häftlingen seien auf freiem Fuß gewesen. Die haitiani-
sche Polizei – Militär gibt es nicht – sei nicht in der Lage,
dem Herr zu werden. Deshalb komme man um eine Sicher-
heitskomponente nicht herum. Alles spreche dafür, wirklich
die Vereinten Nationen zu unterstützten, auch seitens der
Europäischen Union. Das seien die Hauptpunkte des An-
trags.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. müsse anerkannt
werden, dass das Mitgefühl und die Trauer um die Opfer
einen breiten Raum einnähmen.

Alles, was zum zivilen Aufbau gesagt worden sei, könne voll
und ganz geteilt werden. Aber es gebe Unverständnis darü-
ber, dass man sogar der EU vorwerfe, eine Militärmission in
Auftrag zu geben. Das sei keine Militärmission, sondern die
Unterstützung eines Polizeieinsatzes der Vereinten Natio-
nen. Die Fraktion könne verstehen, dass man kritisch ist ge-
genüber Kampfeinsätzen, aber dass man verleugne, dass die
Polizei gestärkt werden müsse, könne nicht nachvollzogen
werden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte
sich gern enthalten, aber aufgrund dieses Mangels müsse sie
den Antrag ablehnen.

Die SPD-Fraktion unterstreicht, der Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei ein guter Antrag. Deshalb
werde die SPD-Fraktion nicht dagegen stimmen. Sie werde
sich nur deshalb enthalten, weil es einen eigenen Antrag ge-
be. Ansonsten sei dieser Antrag sinnvoll. Der Duktus sei
aber fehlerhaft. Alles sei unkonditioniert, Zuschüsse statt
Kredite, Entschuldung ohne Konditionen, von außen müsse
viel geholfen werden – dann werde in Haiti alles gut. Dem-

Drucksache 17/1099 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

gegenüber stelle die SPD-Fraktion fest, die Krise in Haiti ha-
be nicht erst mit dem Erdbeben angefangen, sondern durch
die eigene Regierung über Jahre hinweg. Wer immer regiert
habe, habe das Volk betrogen und belogen. Der Unterschied,
warum in Chile die Opferzahlen kleiner seien, liege nicht nur
in den erdbebensicheren Häusern, sondern auch daran, dass
dort eine andere Regierung durch gute Regierungsführung
anders handeln konnte. Deswegen habe die Fraktion einen
großen Schwerpunkt auf Zivilgesellschaft, Förderung des
Demokratisierungsprozesses und rechtstaatliche Strukturen
gelegt. Es habe nur dann Sinn, Haiti zu helfen, wenn das mit
der Forderung verbunden werde, dass dort die Oberschicht,
die Regierung, die Politiker endlich Verantwortung überneh-
men müssten. Die Fraktion werde aber nicht dagegen stim-
men, weil die anderen Punkte gut seien.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. sei das Reflexhafte zu
kritisieren, wenn das US-Militär Hilfe leiste und zu formu-
lieren, dass dies das Schlimmste der Welt sei und von Beset-
zung mit einer UN-Mission zu sprechen, die vor allem von
lateinamerikanischen Staaten wie Brasilien und Entwick-
lungsländern geführt werde. Bei einer UN-Mission, in der
Entwicklungsländer in einem Entwicklungsland die letzten
Jahre geholfen hätten, von einer Militärbesetzung zu spre-
chen, sei verfehlt. Ein guter Antrag sei durch diese antiame-
rikanischen Reflexe nicht zustimmungsfähig geworden.

Die FDP-Fraktion teile nicht die Auffassung der Fraktion
DIE LINKE., mit der militärischen Präsenz in Haiti würde

die humanitäre Hilfe behindert. Es habe den ausdrück-
lichen Wunsch auch der haitianischen Regierung nach
Hilfe aus den USA gegeben. So sei es überhaupt möglich
gewesen, die Hilfe recht zügig anlaufen zu lassen. Man
könne nicht von einer militärischen Besetzung reden. Des-
halb lehne die FDP-Fraktion den Antrag der Fraktion DIE
LINKE. ab.

Beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei
zu dem Sondertitel „Wiederaufbauhilfe“ mit 600 Mio. Euro
nicht ganz klar, wie er am Ende finanziert werden solle. Die
Vorstellung der FDP-Fraktion gehe eher dahin, Barmittel in
Höhe von 24 Mio. Euro und Verpflichtungsermächtigungen
in Höhe von 91 Mio. Euro einzusetzen.

Die CDU/CSU-Fraktion zeigt sich überrascht, dass es nicht
möglich gewesen sei, einen gemeinsamen Antrag einzubrin-
gen. Die Abgrenzungen seien teilweise sehr künstlich. Mit
Ausnahme der Fraktion DIE LINKE. könne man mit gutem
Willen zu einem gemeinsamen Antrag gelangen, weil über
das gemeinsame Vorgehen Einigkeit herrsche. Es mache kei-
nen Unterschied, ob das Geld aus einem Sondertitel oder aus
dem normalen Haushalt komme, wenn die Summe gleich
hoch sei. Wichtig sei, dass das Geld Haiti zugute komme und
dass sinnvolle Aufbauhilfe geleistet werde. Dies werde in
dem in Abstimmung befindlichen Antrag der Koalitionsfrak-
tionen der CDU/CSU und FDP besser zum Ausdruck kom-
men. Deshalb müsse die CDU/CSU-Fraktion die jetzt vorlie-
genden Anträge ablehnen.

Berlin, den 3. März 2010

Klaus Riegert
Berichterstatter

Dr. Sascha Raabe
Berichterstatter

Harald Leibrecht
Berichterstatter

Heike Hänsel
Berichterstatterin

Thilo Hoppe
Berichterstatter

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