BT-Drucksache 17/10884

Debatte um die Vorführung eines antimuslimischen Films in Deutschland

Vom 26. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10884
17. Wahlperiode 26. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Heidrun Dittrich,
Annette Groth, Inge Höger, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Debatte um die Vorführung eines antimuslimischen Films in Deutschland

Über das Internetportal „YouTube“ ist ein Film-Trailer verbreitet worden, der
einen Zusammenschnitt von Szenen eines Films „Innocence of Muslims“ („Un-
schuld der Muslime“) enthält, der nach allgemeiner Einschätzung zum Ziel hat,
den Islam als rückständige und gewalttätige Religion darzustellen und den im
Islam als Propheten verehrten Mohammed der Lächerlichkeit preiszugeben.
Über die Herkunft des Films wurde und wird weiterhin spekuliert. Die 80 betei-
ligten Schauspieler und Crewmitglieder distanzierten sich von den gezeigten
Szenen, sie seien über den tatsächlichen Inhalt getäuscht worden. Tatsächlich
sind erkennbar viele der Szenen nachsynchronisiert worden.

Die Verbreitung des Trailers hat einige Wochen nach Erscheinen für gewalttä-
tige Proteste gegen den Film selbst gesorgt, der sich in der Praxis gegen Aus-
landsvertretungen der USA und auch Deutschlands in einigen arabischen Län-
dern richtete. Vor diesem Hintergrund kündigte der Vorsitzende der Partei „Pro
Deutschland“, der bekannte Rechtsextremist Manfred Rouhs, an, den komplet-
ten Film in Berlin zeigen zu wollen. Dies liegt in der Linie der Aktivitäten der
„Pro“-Aktivisten, Muslime zu Reaktionen zu provozieren, die es ermöglichen,
ihre gesamte Religionsgemeinschaft als engstirnig, fanatisch oder gar gewalt-
bereit zu stigmatisieren. Wo und wann der Film durch „Pro Deutschland“ im
Wege einer öffentlichen Aufführung gezeigt werden würde, war zum Zeitpunkt
der Abfassung dieser Kleinen Anfrage allerdings nicht bekannt. Der Bundes-
minister des Innern Dr. Hans-Peter Friedrich hatte sich gegenüber der „BILD
Zeitung“ am 15. September 2012 dafür ausgesprochen, die Aufführung des
Films in Deutschland nicht zuzulassen. Er forderte „mehr Respekt für die reli-
giösen Gefühle von Menschen, seien es Christen, Juden oder Muslime“. Die
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel kündigte am 17. September 2012 an, ein
Aufführungsverbot zu prüfen (dapd, 17. September 2012, 13.56 Uhr).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der Bundesregierung zur möglichen Aufführung dieses Films bekannt?

2. Welchen Weg sieht die Bundesregierung, die Aufführung im Rahmen von

Veranstaltungen oder im Internet zu unterbinden (bitte unterteilen nach
Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen auf Ebene von Kommunen, Ländern
und Bund)?

3. Erfüllt der Film nach Einschätzung der Bundesregierung den Straftatbestand
der Volksverhetzung (§ 130 des Strafgesetzbuchs – StGB) oder der Be-
schimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschau-
ungsgemeinschaften (bitte begründen)?

Drucksache 17/10884 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Inwiefern hält die Bundesregierung eine Indizierung durch die Bundesprüf-
stelle für jugendgefährdende Medien für möglich, und welche Schritte sind
hierzu von ihr bzw. von Dritten nach ihrer Kenntnis bereits eingeleitet?

5. Erfüllt bereits die Verbreitung des Trailers über das Internet den Straftat-
bestand des § 130 Absatz 2 Nummer 2 StGB, und welche Anforderungen
ergeben sich daraus gegebenenfalls für zuständige Strafverfolgungsbehör-
den oder Behörden der Gefahrenabwehr?

6. Hat sich die Bundesregierung gegenüber den einschlägigen Videoplattfor-
men im Internet dafür eingesetzt, den Zugriff auf das Video „Innocence of
Muslims“ oder Auszüge daraus in Deutschland zu sperren?

7. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Einfuhr des Films, wenn zu-
ständige Behörden und Gerichte in Deutschland zu dem Ergebnis kommen,
dass in ihm der Tatbestand des § 130 StGB erfüllt ist?

8. Wie viele Anklagen und Urteile sind nach Kenntnis der Bundesregierung in
den vergangenen fünf Jahren wegen des Tatbestands der Volksverhetzung
in Deutschland erhoben worden bzw. ergangen, und in wie vielen Fällen
richtete sich die Volksverhetzung dabei gegen die muslimische Bevöl-
kerungsgruppe in Deutschland?

9. Was ist der Bundesregierung allgemein aus der Rechtsanwendung der §§ 130
und 166 StGB in Bezug auf antimuslimische Publikationen gleich welcher
Art bekannt?

10. Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der Debatten um den antimusli-
mischen Film ihre Kampagne „Vermisst“ einzustellen oder auszusetzen, der
ebenfalls antimuslimische Intentionen nachgesagt werden?

11. Hält die Bundesregierung an ihrer Einschätzung des Internetportals „Politi-
cally Incorrect“ als „noch“ nicht rechtsextremistisch (vgl. Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Antimus-
limische Hetze“ auf Bundestagsdrucksache 17/7761 zu Frage 1) fest (bitte
begründen)?

Berlin, den 26. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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