BT-Drucksache 17/10499

Kontokündigungen bei sogenannten Extremisten

Vom 16. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10499
17. Wahlperiode 16. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Kontokündigungen bei sogenannten Extremisten

Laut einer Meldung des Magazins „FOCUS“ kündigen deutsche Banken gezielt
Bankkonten von Personen, die als politische oder religiöse „Extremisten“ an-
gesehen werden. Die Commerzbank AG wertet zu diesem Zweck routinemäßig
Verfassungsschutzberichte aus. Gekündigt wurde daraufhin das Konto des frühe-
ren stellvertretenden Landesvorsitzenden der Thüringer NPD, R. W., der im Zu-
sammenhang mit der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds inhaf-
tiert wurde. Gegenüber „FOCUS“ erklärte eine Vertreterin der TARGOBANK
AG & Co. KGaA, es sei das Bestreben des Unternehmens, „verfassungsfeind-
liche Personen aus unserem Kundenstamm von vornherein auszuschließen“.
Dies richte sich sowohl gegen rechte und linke als auch gegen religiöse „Extre-
misten“ (www.focus.de/finanzen/banken/kuendigung-von-konten-deutsche-ban-
ken-sortieren-extremisten- aus_aid_764708.html).

Die rechtliche Lage erscheint dabei nicht abschließend geklärt. So hatte die
Deutsche Bank AG im Jahr 2009 sechs bereits seit 25 Jahren bestehende Konten
der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) gekündigt. Nach-
dem die Partei dagegen eine einstweilige Verfügung erstritt, lenkte die Bank im
Sommer 2010 kurz vor Eröffnung des Hauptverfahrens zugunsten einer weite-
ren Kontoführung der MLPD ein. Auch die Kündigung der Privatkonten des
Parteivorsitzenden der MLPD, Stefan Engel, und seiner Lebensgefährtin durch
die Commerzbank AG machte das Bankhaus wieder rückgängig, als Stefan
Engel dagegen vor Gericht zog. Zu Urteilen kam es aufgrund des Einlenkens
der Banken in beiden Fällen nicht (www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/
marxisten-versus-deutsche-bank-konto-beim-klassenfeind-a-711071.html).

Mehrere andere Banken und Sparkassen, bei denen die MLPD nach der An-
kündigung der Kontenkündigung durch die Deutsche Bank AG ein Konto eröff-
nen wollte, erteilten ihr damals eine Absage (www.fr-online.de/home/banken-
verweigern-konten-wir-machen-den-weg-dicht,1472778,3201890.html).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit hält die Bundesregierung die Kündigung oder Verweigerung von
Konten durch Banken und Sparkassen für ein angemessenes Instrument
gegenüber Personen und Körperschaften, die vom Verfassungsschutz be-
obachtet werden?

2. Welche direkten oder indirekten Aufforderungen der Bundesregierung oder
von Bundesbehörden an deutsche Banken und Sparkassen, als verfassungs-
feindlich angesehenen Personen und Körperschaften ein Konto zu kündigen
oder zu verweigern, gab oder gibt es?

Drucksache 17/10499 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
3. Inwiefern setzten das Bundesamt oder nach Kenntnis der Bundesregierung
die Landesämter für Verfassungsschutz von sich aus Banken und Sparkassen
über deren Kunden in Kenntnis, wenn diese vom Verfassungsschutz be-
obachtet werden?

4. Inwieweit weist die Bundesregierung die Bankhäuser darauf hin, dass es sich
bei Verfassungsschutzberichten und -informationen lediglich um eine Unter-
richtung ohne rechtsverbindlichen Charakter handelt?

5. Wie vielen und welchen vom Verfassungsschutz beobachteten Personen oder
Körperschaften wurde bislang nach Kenntnis der Bundesregierung ein
Konto bei einer Bank oder Sparkasse gekündigt oder verweigert?

6. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Bankkunden aufgrund
einer Beobachtung ihrer Kontobewegungen durch das Bundesamt oder ein
Landesamt für Verfassungsschutz gekündigt wurde, und wenn ja, welche?

7. Inwieweit hält die Bundesregierung eine Kontokündigung oder -verweige-
rung einer durch das Parteiengesetz besonders geschützten Partei oder ihrer
Funktionäre aufgrund einer Nennung in einem Verfassungsschutzbericht
durch deutsche Banken für zulässig?

8. Inwieweit hält die Bundesregierung eine Kontokündigung oder -verweige-
rung von im Verfassungsschutzbericht genannten religiösen Körperschaften
oder ihrer Repräsentanten durch deutsche Banken oder Sparkassen unter
Berücksichtigung des Antidiskriminierungsgesetzes für zulässig?

Berlin, den 8. August 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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