BT-Drucksache 17/10464

Atomkraftbezogene Aktivitäten und Kontakte der Bundesregierung und deutscher Stromkonzerne zu einem russischen Geschäftsmann

Vom 9. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10464
17. Wahlperiode 09. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Harald Ebner, Hans-Josef Fell,
Bettina Herlitzius, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Dorothea Steiner, Markus Tressel, Daniela Wagner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Atomkraftbezogene Aktivitäten und Kontakte der Bundesregierung und
deutscher Stromkonzerne zu einem russischen Geschäftsmann

In den letzten Wochen gab es mehrere Medienberichte zu Geschäftsbeziehun-
gen und rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen Strom-
konzern EnBW Energie Baden-Württemberg AG und dem russischen Ge-
schäftsmann Andrey Bykow. Die Geschäftsbeziehungen sollen unter anderem
dazu gedient haben, die Atomkraftwerke (AKW) der EnBW Energie Baden-
Württemberg AG mit Brennelementen aus Russland zu versorgen.

Am 14. Juni 2012 berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ in dem Artikel „Strah-
lende Grüße aus Moskau“, der erste Kontakt zwischen der EnBW AG und
Andrey Bykow sei Mitte der 90er-Jahre auf Vermittlung der Bundesregierung
zustande gekommen: „Er solle doch mit einem gewissen Andrej Bykow in der
russischen Botschaft Kontakt aufnehmen, riet das Bundesministerium für For-
schung und Technologie“ dem Atom- und späteren Manager der EnBW Energie
Baden-Württemberg AG W. H.

Durch die Berichterstattungen werden über die Geschäftsbeziehungen zwi-
schen der EnBW AG und Andrey Bykow immer mehr Einzelheiten bekannt.
Weitgehend unklar ist nach vor wie aber, welche Beziehungen zwischen der
Bunderegierung und Andrey Bykow konkret bestanden und weshalb. Dem soll
hier nachgegangen werden.

Einem weiteren Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ ist zu entnehmen, dass die
Vorstände der vier großen Stromkonzerne, die hierzulande Atomkraftwerke be-
treiben, am 3. Juli 2004 vom damaligen Generalsekretär der Regierungspartei
Einiges Russland, Valery Bogomolov, in vertraulicher Runde darüber infor-
miert wurden, dass die russischen Nuklearmaterialbestände und Atomanlagen
sich in besorgniserregendem Zustand befänden (Artikel „Der russische Pate“
vom 26. Juni 2012). Der Stromkonzern RWE AG bestätigte dieses Treffen
gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“.
Der Artikel wirft mehrere Fragen auf. Unter anderem, über welche Sicherheits-
probleme die deutschen AKW-Betreiber im Detail informiert waren, und ob
diese Probleme durch geschäftliche Aktivitäten der deutschen Atomwirtschaft
womöglich noch verschärft wurden. Auch stellt sich die Frage, inwiefern der
Bundesregierung ähnliche Informationen vorlagen. Diesem Komplex soll hier
ebenfalls nachgegangen werden.

Drucksache 17/10464 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Gab es Kontakte zwischen dem russischen Geschäftsmann Andrey Bykow
und der Bundesregierung?

Falls ja,

a) welcher Art waren die Kontakte,

b) zwischen welchen Bundesministerien und Andrey Bykow bestanden sie
jeweils ab wann und

c) wie und aus welchem Grund kamen sie jeweils zustande?

2. Wusste die Bundesregierung von seinen Vermittlungs- und Beratungsaktivi-
täten für die deutsche Energiebranche in den vergangenen Jahren?

War der Bundesregierung klar, dass der Geschäftsmann für mindestens ei-
nen Atomkonzern große Teile der Brennelemente für hiesige Atomkraft-
werke besorgen sollte und angeblich auch besorgte?

3. Trifft es zu, dass sich Andrey Bykow im Bundesministerium der Finanzen
(BMF) zwischen 2005 und 2010 gegen die Privatisierung und den Verkauf
der EWN Energiewerke Nord GmbH aussprach?

Falls ja, auf welcher Ebene wurden die Gespräche mit ihm geführt?

Falls nein, gab es anderweitige Gespräche zwischen Andrey Bykow und
dem BMF im genannten Zeitraum?

4. Trifft es zu, dass russische Politiker die Bundesregierung, insbesondere das
Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (BMU), um das Jahr 2004 von besorgniserregenden
Sicherheitszuständen der russischen Atombranche unterrichteten?

Wusste die Bundesregierung insbesondere davon, dass die deutsche Ener-
giebranche über Valery Bogomolov, den damaligen Generalsekretär der Re-
gierungspartei Einiges Russland, am 3. Juli 2004 von solchen Zuständen un-
terrichtet wurde?

Falls ja, wie reagierte die Bundesregierung?

5. Waren der Bundesregierung Pläne für ein russisches Atomüberwachungs-
system namens Easy-Toll bekannt (gegebenenfalls bitte erläutern)?

War ihr bekannt, dass anfangs die deutschen Konzerne Daimler AG, EnBW
Energie Baden-Württemberg AG und Siemens AG in dieses Projekt invol-
viert waren (gegebenenfalls bitte erläutern)?

War bekannt, dass dies auf die Pläne von Andrey Bykow zurückging (gege-
benenfalls bitte erläutern)?

6. Trifft es zu, dass der Kontakt zwischen deutschen Energiemanagern und
Andrey Bykow Mitte der 90er-Jahre auf Empfehlung des Bundesministe-
riums für Forschung und Technologie (BMFT) zustande kam?

Falls ja,

a) wurde der Kontakt von einem Mitglied der Hausleitung hergestellt (gege-
benenfalls bitte angeben von welchem) und

b) zu welchen Energiemanagern außer dem in der Vorbemerkung benann-
ten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10464

7. Trifft es zu, dass der Kontakt zwischen deutschen Energiemanagern und
Andrey Bykow ganz konkret im Jahr 1994 auf Empfehlung des BMFT zu-
stande kam?

Falls ja, wurde der Kontakt von einem Mitglied der Hausleitung hergestellt
(gegebenenfalls bitte angeben von welchem)?

8. Welche Kontakte auf welcher Hausebene bestanden konkret in der ersten
Hälfte der 90er-Jahre zwischen dem BMFT und Andrey Bykow, der laut
„Süddeutscher Zeitung“ damals bei der russischen Botschaft tätig war?

Wie und aus welchem Grund kamen sie zustande?

9. Welche Kontakte auf welcher Hausebene bestanden in der ersten Hälfte der
90er-Jahre zwischen dem BMFT und der russischen Botschaft sonst noch?

Wie und aus welchem Grund kamen sie zustande?

10. Trifft es zu, dass hochrangige Mitarbeiter der EnBW Energie Baden-
Württemberg AG 2003/2004 im Bundeskanzleramt bei Ernst Uhrlau an-
fragten, wie Andrey Bykow einzuschätzen sei?

Falls ja, wer von EnBW fragte an?

11. Trifft es zu, dass das Bundeskanzleramt von den Aktivitäten Andrey
Bykows im Zusammenhang mit einem russischen Atomüberwachungs-
system und/oder deutsch-russischen Geschäftsbeziehungen im Atomkraft-
bereich wusste, und zum damaligen Zeitpunkt weitergegeben wurde, dass
gegen ihn nachrichtendienstlichen Erkenntnissen zufolge nichts vorliege?

12. War die Bundesregierung von Plänen des Konzerns EnBW Energie Baden-
Württemberg AG unterrichtet, im großen Umfang Gas aus Russland zu be-
sorgen?

13. Trifft es zu, dass der Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald Pofalla, in
diese Gespräche eingebunden war?

Falls ja,

a) seit wann genau,

b) inwiefern und

c) auf wessen Initiative hin?

Berlin, den 9. August 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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