BT-Drucksache 17/10437

Endlager Meeresgrund

Vom 8. August 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10437
17. Wahlperiode 08. 08. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Valerie Wilms, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Undine Kurth (Quedlinburg),
Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Markus Tressel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Endlager Meeresgrund

Am 1. November 2011 berichtete das Magazin „Report Mainz“ in der ARD über
die Problematik von im Meer versenkten Atommüllfässern. Die Webseite des
Beitrags* bietet eine kompakte Darstellung der Daten und Fakten dazu: „Bis
1982 versenkten neun Staaten schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Nord-
ostatlantik, darunter auch Deutschland. Insgesamt wurden offiziellen Statistiken
zufolge an 15 Stellen 114 726 Tonnen Atommüll in 222 732 Fässern verklappt
und zwar Alpha-, Beta- und Gammastrahler. Die verantwortlichen Regierungen
gingen davon aus, dass der radioaktive Abfall in 4 700 Metern Tiefe „beseitigt“
sei. Man nahm an, dass eventuell ausdringende radioaktive Stoffe im Ozean
„verdünnt“ würden. Heute ist die „Verdünnung“ von radioaktiven Abfällen ver-
boten, weil die Radioaktivität dabei nicht verringert sondern unkontrolliert
verteilt wird.“

Neben Fragen zu den heute insbesondere durch Anreicherungen in der Nah-
rungskette bestehenden Risiken stellt sich auch die Frage, inwiefern die Klärung
etwaiger Risiken und die Handlungsmöglichkeiten einzelner Staaten durch zwi-
schenstaatliche Hürden erschwert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was bedeutet es für die Akkumulation in der Nahrungskette, dass „aus den
Abfallbehältern freigesetzte Radioaktivität in der Biosphäre angekommen
ist“, wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit (BMU) bereits 2003 in seiner Schriftenreihe Reaktorsicherheit
und Strahlenschutz feststellte?

2. Geht die Bundesregierung davon aus, dass der meiste Atommüll aus den
480 Fässern, die Deutschland im Atlantik versenkte, bereits freigesetzt
wurde oder sich noch immer in den Fässern befindet?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ihrer Annahme?
3. Welche Informationen von wem und von wann hat die Bundesregierung über
die Versenkung hochradioaktiven Atommülls im Nordostatlantik?

* www.swr.de/report/strahlende-altlast/-/id=233454/nid=233454/did=8815982/1r58ylm/index.html

Drucksache 17/10437 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Warum wurde das Monitoring in den Versenkungsgebieten eingestellt?

War die Bundesregierung für oder gegen diese Beendigung des Monitorings?

Mit welcher Begründung?

5. Wann und wo genau wurden zum letzten Mal in welchen Versenkungs-
gebieten Messungen gemacht?

Mit jeweils welchen Ergebnissen?

6. Welchen Bundesministerien liegen diese Ergebnisse in welcher Form vor?

7. In welchen Versenkungsgebieten, aus denen Deutschland Fisch importiert
(z. B. Ärmelkanal), wurden mehr als 20 Jahre keine Messungen mehr ge-
macht?

8. Wie bewertet das BMU heute die Gefahren, die von dem hochradioaktiven
Atommüll ausgehen (werden), den Russland in der Kara- und Barentsee
versenkte (U-Boote, Reaktoren, Brennstäbe)?

Auf welche Untersuchungen stützt das BMU diese Bewertung?

9. Auf welche schriftlichen Informationen, Schreiben, E-Mails und insbeson-
dere Berichte seitens der britischen Regierung, von jeweils wann und
konkret welcher britischen Behörde, stützt sich die Bundesregierung bei
ihrer Auskunft, die britischen Behörden sähen „keinen Hinweis auf signi-
fikante Freisetzungen von Radioaktivität“ in ihrer Antwort auf die Schrift-
liche Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Bundestagsdrucksache
17/10194, Frage 47).

10. Hält das BMU zum Zweck der Reduktion der radioaktiven Belastung von
Mensch und Umwelt in Deutschland (insbesondere radioaktive Belastung
von Fischfang aus dem Ärmelkanal, der hierzulande verzehrt wird) eine
Bergung intakter Atommüllfässer aus dem Ärmelkanal

a) für technisch machbar und

b) für sinnvoll?

11. Welche Kosten wären damit verbunden?

Würde sich Deutschland an einer internationalen Bergungsaktion beteili-
gen, insbesondere zum Zweck der Reduktion der radioaktiven Belastung
von Mensch und Umwelt in Deutschland?

12. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Machbarkeitsanalysen für
die Bergung von Atommüllfässern, die im Meer versenkt wurden?

Falls ja, welche, von wem, und von wann?

13. Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Rechtsgutachten für die
Bergung von Atommüllfässern, die im Meer versenkt wurden?

Falls ja, welche, von wem, und von wann?

14. Sind aus Sicht des BMU Kontrollmessungen bzw. ein Monitoring an den
Versenkungsstellen im Ärmelkanal erforderlich?

15. Welche Forschungsaufträge hat der Bund in den letzten 20 Jahren verge-
ben, die mit im Meer versenkten Atommüllfässern zusammenhängen (bitte
mit Angabe der wesentlichen Eckdaten)?

16. Insbesondere, welche Forschungsaufträge hat der Bund in den letzten
20 Jahren vergeben, die mit Atommüllfässern, die im Ärmelkanal versenkt
wurden, zusammenhängen (bitte mit Angabe der wesentlichen Eckdaten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10437

17. Welche Informationen von wem, von wann, und in welcher Form liegen der
Bundesregierung darüber vor, welche jährlichen Mengen und Arten von ra-
dioaktiven Flüssigabfällen mit welchen Aktivitäten am französischen Wie-
deraufarbeitungsstandort „La Hague“ in den letzten 20 Jahren ins Meer ge-
leitet wurden (bitte tabellarische Übersichten differenziert nach Jahren und
differenziert möglichst nach den genauen Stoffen/Radionukliden, zumin-
dest aber nach den Arten von Strahlern, also Alpha-, Beta- und Gamma-
strahlern)?

18. Welche Informationen von wem, von wann, und in welcher Form liegen der
Bundesregierung darüber vor, welche jährlichen Mengen und Arten von
radioaktiven Flüssigabfällen mit welchen Aktivitäten am britischen Wieder-
aufarbeitungsstandort „Sellafield“ in den letzten 20 Jahren ins Meer geleitet
wurden (bitte tabellarische Übersichten differenziert nach Jahren und diffe-
renziert möglichst nach den genauen Stoffen/Radionukliden, zumindest
aber nach den Arten von Strahlern, also Alpha-, Beta- und Gamma-
strahlern)?

19. Welchen Bundesbehörden liegen diese Informationen, die in den beiden
vorangegangenen Fragen abgefragt werden, vor?

20. Welche Einleitungen von radioaktiven Abwässern am Standort Greifswald
gab es im Jahr 2010 und im Jahr 2011 (bitte tabellarische Übersicht diffe-
renziert nach Jahren und den Standorten Kraftwerk Greifswald (KGR) und
Zwischenlager Nord (ZLN), jeweils mit Angabe von Menge in m2, Beta-/
Gamma-Aktivität in Becquerel und Tritium-Aktivität in Becquerel)?

Berlin, den 8. August 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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