BT-Drucksache 17/10396

Reform des EU- Datenschutzrechts

Vom 24. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10396
17. Wahlperiode 24. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. Petra Sitte,
Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Reform des EU- Datenschutzrechts

Bereits im November 2010 kündigte die Europäische Kommission eine umfas-
sende Modernisierung der europäischen Datenschutzverordnung, mit dem Ziel
der europaweiten Harmonisierung des Datenschutzrechtes, an. Mittlerweile ist
deutlich, dass sich die Reform aus zwei Teilen zusammensetzt: einer Neure-
gelung des allgemeinen Datenschutzrechtes im Rahmen der Verordnung zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung) mit Änderungen für
Wirtschaft und Verwaltung (KOM(2012) 11 endg.) sowie der sektorspezifischen
Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezo-
gener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Auf-
deckung, Untersuchung und Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstre-
ckung sowie zum freien Datenverkehr hinsichtlich der Datenverarbeitung bei
Polizei und Justiz (KOM(2012) 10 endg.).

Unmittelbar nach Veröffentlichung der relevanten Entwürfe entfachte eine
breite öffentliche Debatte über die Qualität der von der Europäischen Kommis-
sion eingebrachten Neuerungsvorschläge. Der Bundesbeauftragte für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, war dabei der Ansicht, dass
die EU-Pläne zwar „ein deutliches Bemühen, den Datenschutz auf ein höheres
Niveau zu bringen“ zeigten, räumte jedoch zugleich ein, dass es noch „verbesse-
rungswürdige Details“ (taz.de, 17. Januar 2012, „Oberdatenschützer lobt EU-
Plan“) gebe.

Im Gegensatz zu Peter Schaar kritisierte der Bundesminister des Innern,
Dr. Hans-Peter Friedrich, die Initiative der Kommission weitaus heftiger. Bun-
desminister Dr. Hans-Peter Friedrich stellte unter anderem infrage, auf wie vie-
len Gebieten die Europäische Kommission noch gedenkt, eigenes Recht an
Stelle nationaler Vorschriften zu setzen – Prüfungen der Kompetenzgrundlage,
der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit wurden unmittelbar angekündigt
(heise online, 20. März 2012, „Innenminister legt bei Kritik an EU-Datenschutz-
plänen nach“). Des Weiteren bezeichnete er die neben der neuen Datenschutz-
verordnung für den privaten Sektor vorgesehene zusätzliche Richtlinie für den
Sicherheitssektor als „unnötig“. Auch gebe es viele Bereiche, in denen er die

Verordnung für nicht zuständig halte. Insbesondere bemängelte Bundesminister
Dr. Hans-Peter Friedrich jedoch, dass Prinzipien, die im Verhältnis von Bürger
und Wirtschaft gelten, nicht auf das Verhältnis Bürger und Staat übertragen wer-
den könnten, denn „das ist eine Frage, die Europa nicht zu interessieren braucht“
(Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich auf dem 13. Datenschutzkongress).
Er sieht eine stärkere Unterscheidung zwischen Regelungen für den Privatsektor
und denen, die den öffentlichen Bereich betreffen, für zwingend notwendig an

Drucksache 17/10396 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(heise online, 8. Mai 2012, „Bundesinnenminister drängt auf ‚modernes Daten-
schutzrecht‘ “).

Der Bundesinnenminister sprach sich aber auch dafür aus, dass „im Bereich des
Binnenmarktes und der Wirtschaft ganz schnell ein neues Datenschutzrecht“
entwickelt werden müsse, und drängte auf eine zeitnahe Behandlung des Ent-
wurfs. Mit konkreten Verbesserungsvorschlägen will auch er sich einbringen.
Bis zum Herbst dieses Jahres sollen dafür Experten aus Wissenschaft und Wirt-
schaft an einen Tisch gebracht werden (heise online, 8. Mai 2012, „Bundesin-
nenminister drängt auf ‚modernes Datenschutzrecht‘ “).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Schwerpunkten sollte ein modernes Datenschutzrecht nach Auf-
fassung der Bundesregierung Rechnung tragen?

2. In welchen Fragen hält die Bundesregierung das momentan geltende Daten-
schutzrecht für überholt bzw. überarbeitungsbedürftig?

3. Wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr eines Abbaus des deutschen
Datenschutzstandards durch eine neue EU-weite Regelung ein, und welche
datenschutzrechtlichen besonderen deutschen Positionen wären davon be-
troffen?

4. Hält die Bundesregierung die gegenwärtige Struktur und personelle Ausstat-
tung der Datenschutzbehörden in Deutschland für geeignet und imstande,
die zukünftig geplanten Aufgaben und Befugnisse effizient umzusetzen
(bitte begründen)?

5. Hält die Bundesregierung den aufgesetzten Zeitplan bezüglich des Inkraft-
tretens der Grundverordnung vor Ablauf der jetzigen europäischen Legisla-
turperiode für realistisch?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wie schätzt die Bundesregierung die Tatsache, dass ein europäisches Daten-
schutzrecht mit Hilfe einer Grundverordnung durchgesetzt werden soll, hin-
sichtlich der Kompetenzgrundlage, der Subsidiarität und der Verhältnis-
mäßigkeit ein?

7. Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die im Lissabonner Vertrag
fehlende individuelle Verfassungsbeschwerde in den Anwendungsbereich
der Datenschutzgrundverordnung zu integrieren (bitte begründen)?

8. Durch welche inhaltlichen Bestimmungen der europäischen Datenschutz-
verordnung (KOM(2012) 11 endg.) sieht die Bundesregierung Nachteile im
Vergleich zur momentan national geltenden Gesetzgebung, bzw. an wel-
chen Stellen hält sie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für treffender?

9. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung in der durch die
Europäische Kommission vorgelegten Verordnung (KOM(2012) 11 endg.)
für Europa?

10. Welche Vor- und Nachteile sieht die Bundesregierung in der durch die
Europäische Kommission vorgelegten Verordnung (KOM(2012) 11 endg.)
für die Bundesrepublik Deutschland?

11. Welche Inhalte der europäischen Datenschutzgrundverordnung sind nach
Auffassung der Bundesregierung positiv zu beurteilen?

12. Welche Kritik übt die Bundesregierung im Allgemeinen an der Daten-

schutzgrundverordnung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10396

13. Welche Position hat die Bundesregierung zu den in der Grundverordnung
vorgeschlagenen Inhalten hinsichtlich

a) der Datenportabilität,

b) des „Rechts auf Vergessenwerden“,

c) der betrieblichen Datenschutzbeauftragten,

d) des allgemeinen Kopplungsverbotes,

e) der Einwilligungsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern,

f) Einwilligungen von Kindern unter 18 Jahren,

g) des Verbandsklagerechts,

h) der Ausstattung der Datenschutzaufsichtsbehörden?

14. Welche Punkte der Verordnung hält die Bundesregierung mit welcher Be-
gründung für inakzeptabel?

15. Welche Punkte der Verordnung schätzt die Bundesregierung mit welcher
Begründung für verbesserungswürdig ein?

16. Die Änderung, Abschaffung und Durchsetzung welcher Punkte haben für
die Bundesregierung mit welcher Begründung Priorität?

17. Wie schätzt die Bundesregierung die für den Sicherheitsbereich zusätzlich ge-
schaffene Richtlinie (KOM(2012) 10 endg.) hinsichtlich Kompetenzgrund-
lage, Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und Inhalt ein (bitte begründen)?

18. Hält die Bundesregierung den strafrechtlichen und strafprozessualen Rah-
men aller EU-Mitgliedstaaten für ausreichend kohärent, so dass ein freier
Datenaustausch die Rechte der Betroffenen in allen europäischen Staaten in
gleicher Weise schützt (bitte begründen)?

19. Mit welcher Begründung hält die Bundesregierung eine stärkere Unter-
scheidung zwischen Regelungen des privaten und des öffentlichen Berei-
ches für notwendig?

20. In welcher Art und Weise sollten sich die Regelungen für den privaten Be-
reich von denen für den öffentlichen Bereich nach Auffassung der Bundes-
regierung unterscheiden?

21. Wie schätzt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Tatsache
ein, dass eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen privaten und öffent-
lichen Stellen zu verzeichnen ist (bitte begründen)?

22. Wird sich die Bundesregierung an der Überarbeitung der europäischen
Datenschutzverordnung (KOM(2012) 11 endg.) beteiligen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

23. Welche Planungen gibt es für die von Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter
Friedrich angesprochene Arbeitsgruppe von Experten aus Wirtschaft und
Wissenschaft?

a) Welche Zielsetzung verfolgt die Bundesregierung mit der Errichtung
einer entsprechenden Arbeitsgruppe?

b) Gibt es bereits Planungen hinsichtlich der Struktur der Arbeitsgruppe?

Wenn ja, welche?

Drucksache 17/10396 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Plant die Bundesregierung neben Vertretern aus Wirtschaft und Wissen-
schaft noch weitere Akteurinnen und Akteure in die Gruppe einzubezie-
hen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

d) Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, datenschutzengagierte Perso-
nen und Datenschutzbeauftragte mit in die Arbeitsgruppe zu integrieren,
und plant sie, dieses zu tun (bitte begründen)?

e) Hat die Arbeitsgruppe bereits getagt?

Wenn ja, in welcher Zusammensetzung und mit welchen Ergebnissen?

f) Gibt es bereits einen konkreten Zeitplan für die Arbeit der Gruppe?

Wenn ja, wie sieht dieser aus?

Berlin, den 24. Juli 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.