BT-Drucksache 17/1027

Energieeffizienzgesetz unverzüglich vorlegen

Vom 16. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1027
17. Wahlperiode 16. 03. 2010

Antrag
der Abgeordneten Ingrid Nestle, Oliver Krischer, Fritz Kuhn, Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch,
Dr. Hermann Ott, Dorothea Steiner, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Friedrich Ostendorff, Claudia Roth (Augsburg), Markus Tressel, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energieeffizienzgesetz unverzüglich vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Union hat sich das Ziel gesetzt, ihren Primärenergieverbrauch
im Vergleich zum Trend für das Jahr 2020 um 20 Prozent zu verringern. Für
Deutschland ist eine Reduktion des Energieverbrauchs um 20 Prozent bis 2020
gegenüber 2005 notwendig. Die Verbesserung der Energieeffizienz ist eine
kostengünstige Methode, die Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Ener-
gieträgern zu reduzieren, das Klima zu schützen und die Energiekosten zu sen-
ken. Dadurch können gleichzeitig die zentralen Herausforderungen angegangen
werden, die sich in den Bereichen Klimawandel, Energiesicherheit und Wett-
bewerbsfähigkeit stellen.

Am 17. Mai 2006 ist die Richtlinie 2006/32/EG über Endenergieeffizienz und
Energiedienstleistungen (EDL-Richtlinie) in Kraft getreten. Die Mitglied-
staaten wurden verpflichtet, die Richtlinie bis zum 18. Mai 2008 in nationales
Recht umzusetzen. Dem ist die Bundesregierung bis heute nicht nachgekom-
men, obwohl sie nach eigenem Bekunden eine Verdopplung der Energieeffi-
zienz bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 anstrebt und den nationalen Strom-
verbrauch bis 2020 gegenüber 2005 um 11 Prozent senken will.

Die Umsetzung der EDL-Richtlinie ist dringend erforderlich, da sonst einerseits
die Durchführung des bereits laufenden Vertragverletzungsverfahrens droht und
andererseits wertvolle Zeit für den Klimaschutz verloren geht und unnötig viel
Geld für Energie ausgegeben wird. Nach der EDL-Richtlinie müsste Deutsch-
land mindestens 9 Prozent seiner Endenergie bis zum Jahr 2016 einsparen. An
Vorschlägen zur Umsetzung der Ziele mangelt es in der Richtlinie nicht.
Artikel 6 der EDL-Richtlinie nennt explizit Energielieferanten als zentrale Ak-
teure, die in die Umsetzung von Energieeinsparmaßnahmen einbezogen werden
sollten.

Energieeffizienz ist nicht nur ein Klimaschutzinstrument, sondern auch ein
wahrer Jobmotor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit geht in seinem Papier „ENERGIEEFFIZIENZ SCHAFFT
ARBEITSPLÄTZE“ vom August 2009 davon aus, dass in Deutschland durch
neue Effizienzmaßnahmen 260 000 neue Jobs bis 2020 geschaffen werden kön-

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nen. Zudem würden 77 Mio. t CO2 vermieden und 19 Mrd. Euro an Energie-
kosten eingespart, davon 5 Mrd. Euro in Unternehmen.

Die Energiepreise werden weiter steigen. Deshalb muss die Energiepolitik der
Zukunft klimafreundlich und zugleich für alle bezahlbar sein. Sie muss ver-
stärkt soziale Rahmenbedingungen berücksichtigen und insbesondere finanz-
schwache Haushalte dabei unterstützen, durch Einsparungen ihre Energie-
kosten zu senken. Denn: Jede und jeder kann Energie sparen. Die
Einsparpotenziale sind enorm. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Politik den
richtigen Rahmen setzen muss, damit Energiesparen erleichtert und belohnt
wird. Es bedarf eines ambitionierten Energieeffizienzgesetzes mit einem Mix
aus Energiesparstandards für Geräte und Gebäude, finanziellen Anreizen,
marktwirtschaftlichen Instrumenten sowie Information. Dieses Gesetz muss
eine koordinierende Funktion gegenüber den zahlreichen, aber kaum vernetzten
Einzelvorschriften zur Senkung des Energieverbrauchs einnehmen, eine klare
Zielbestimmung für Energiewirtschaft und Energieverbraucher vornehmen und
eine regelmäßige Berichtspflicht der Bunderegierung gegenüber dem Parla-
ment enthalten. Versorgungsunternehmen müssen zu Energieeinspardienstleis-
tern werden, die nicht durch Masse, sondern durch Klasse verdienen.

Seit 20 Jahren gibt es bundesweite Kampagnen zum Energiesparen, vor allem
für Privathaushalte. Doch der Stromverbrauch stieg stetig an, weil immer mehr
stromverschwendende Geräte auf den Markt kamen. Der Wärmebedarf ist seit
2000 zwar um rund 10 Prozent gesunken, doch liegen riesige Einsparpotenziale
weiterhin brach. Nur 12 Prozent der Heizungen sind in Deutschland auf dem
Stand der Technik. Der Anteil des Verkehrs am Endenergieverbrauch in
Deutschland ist von 1990 bis 2008 von 25 Prozent auf 30 Prozent gestiegen.
Eine Steigerung der Energieeffizienz des Verkehrs ist daher dringend geboten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf für ein Energieeffizienzgesetz (EnEfG) vor-
zulegen, das als Zielsetzung mindestens die Verdopplung der Energieproduk-
tivität zwischen 1990 und 2020 vorsieht und den Energieverbrauch in Deutsch-
land bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent gegenüber 2005 reduziert. Hierfür ist ein
Ansatz zu wählen, in welchem unter anderem die Umsetzung der folgenden
Maßnahmen berücksichtigt wird:

● eine Energieeinsparquote einzuführen, die die Energielieferanten dazu ver-
pflichtet, Energiesparmaßnahmen bei ihren Endkunden durchzuführen, de-
ren gesamtes Energieeinsparvolumen jährlich 1 Prozent ihres Absatzes an
Gas, Strom, Fernwärme und anderen Energieträgern entspricht. Die Validie-
rung der Energieeinsparungen erfolgt anhand einer von der Bundesstelle für
Energieeffizienz erstellten Liste von standardisierten Energieeffizienzmaß-
nahmen und -programmen;

● energieintensive Unternehmen zu verpflichten, ab Inkrafttreten des EnEfG in
Abständen von maximal fünf Jahren eine zertifizierte Energieeffizienz-
beratung durchführen zu lassen und die dabei identifizierten wirtschaftlichen
Energieeffizienzmaßnahmen unverzüglich umzusetzen oder ein zertifiziertes
Energiemanagementsystem (z. B. EMAS, DIN EN 16001 oder ISO 50001)
einzuführen;

● einen mit 3 Mrd. Euro ausgestatteten Energiesparfonds einzurichten, der mit
bestehenden finanziellen Förderungen für Energieeffizienz- und Energie-
sparmaßnahmen abgestimmt und zu einer gesetzlich garantierten, zielge-
richteten und effizienten Effizienzinitiative ausgebaut wird. Er soll unter an-
derem folgende Maßnahmen unterstützen:

– ein Programm ergänzend zum bisherigen CO2-Gebäudesanierungspro-
gramm der KfW Bankengruppe mit dem Ziel der deutlichen Steigerung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1027

der energetischen Gebäudesanierung, insbesondere von Mietwohnungs-
gebäuden in benachteiligten Stadteilen,

– ein Programm zum Austausch ineffizienter Stromheizungen,

– Marktaktionsprogramme (inklusive Information, Beratung, Investitions-
zuschüsse) für verschiedene Schlüssel- und Querschnittstechnologien
wie Elektromotoren und -motorensysteme, Beleuchtung, GreenIT oder
Abwärmenutzung,

– zertifizierte Energieberatung für private Haushalte, insbesondere mit ziel-
gerichteten Angeboten für finanzschwache Haushalte,

– einen anschließenden Zuschuss für den Austausch alter Haushaltselektro-
geräte (z. B. ineffiziente Kühlschränke) durch neue hocheffiziente Geräte
für finanzschwache Haushalte,

– Kredite für Effizienzmaßnahmen in privaten Haushalten und Kleinunter-
nehmen,

– eine Weiterführung, Verstetigung und Ausdehnung der vorhandenen Effi-
zienzförderung u. a. im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative;

● die Bundesstelle für Energieeffizienz zu einem von der Energiewirtschaft
unabhängigen Kompetenzzentrum auszubauen, das über seine bisherigen
Aufgaben hinaus auch Förderprogramme weiterentwickelt und dem die
fachliche Ausgestaltung des Energiesparfonds obliegt;

● dynamische Effizienzstandards zu schaffen, bei denen die energiesparends-
ten Produkte den Standard vorgeben, den künftig alle Anbieterinnen und
Anbieter einhalten müssen (sog. Top-Runner);

● eine Forschungsoffensive im Bereich Energieeffizienz voranzutreiben;

● bei der öffentlichen Beschaffung des Bundes sicherzustellen, dass die ener-
gieeffizienteste am Markt verbreitete Technik herangezogen wird und dies
durch einen übergreifenden „Aktionsplan energieeffiziente Beschaffung“
auf allen staatlichen Ebenen vorangetrieben wird.

Berlin, den 16. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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